News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Im Cockpit einer Wüstenameise  
  Auf Einladung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sprach gestern der Schweizer Biologe Rüdiger Wehner über das Navigationssystem von Wüstenameisen.  
Wehners Einblick in das Cockpit des kleinen Wüstenbewohners war der erste Vortrag im Rahmen der Wiener "Karl von Frisch-Lectures".

Die nach dem österreichischen Biologen, Bienenforscher und Nobelpreisträger von 1973 benannte Vortragsreihe soll ein breites Publikum in die "Biologie der Sinne" einführen.
Sonne als Richtungskompass
Fünf bis zwölf Tage beträgt die Lebensdauer einer Wüstenameise. Die meiste Zeit davon läuft das Sahara-Insekt im Umkreis von 200 Meter um seinen Bau herum und sucht nach Beutetieren, die den großen Hitzestress nicht überlebt haben.

Um beim Rückweg in die kühle Behausung nicht vom Kurs abzukommen, verwendet die Wüstenameise die Sonne als Richtungskompass.
...
Polarisation zeigt Himmelrichtung an
Sinneszellen im oberen Teil ihrer Facettenaugen können - ähnlich wie bei Hönigbienen - polarisiertes Licht wahrnehmen und damit kann die Wüstenameise die Himmelsrichtung feststellen, erklärt der Schweizer Biologe Rüdiger Wehner von der Universität Zürich.
Bei jedem Ausgang dreht sich das Insekt solange in der Ebene, bis das Polarisationsmuster in den Augen mit jenem am Himmel übereinstimmt. Das ist dann der Fall, wenn die Gesamterregung im Neuronennetz der Sinneszellen maximal ist.
->   Mehr zur Navigation von Wüstenameisen
...
Ein vorpythagoräisches Wesen
Um nach einem Ausflug auf kürzestem Weg ins Nest zurückzufinden, registriert die Wüstenameise die gelaufenen Winkel und einzelnen Richtungsstrecken und summiert diese Werte dann arithmetisch auf.

Der Mensch besitzt diese Fähigkeit nicht und löst diese Navigationsaufgabe durch komplizierte trigonometrische Berechnungen mit Hilfe von Winkelfunktionen.
Optische Landmarken
Neben diesem eingebauten Navigationsalgorithmus orientiert sich die Wüstenameise aber auch an optischen Landmarken.

Bei jedem Ausgang speichert sie das Bild von kleinen Büschen und Steinchen in der Nähe des Nestes auf der oberen Hälfte der Retina. Die Rückkehr gelingt dem Insekt, indem es den Ort aufsucht, dessen Daten genau mit dem geeichten Bild auf der Retina übereinstimmen.
Keine innere Landkarte
Eine kognitive Karte, auf der Umwelt-Informationen im Gedächtnis wie auf einer inneren Landkarte abgespeichert sind, besitzt die Wüstenameise hingegen nicht. Das ergaben Kontroll-Experimente des Schweizer Biologen Rüdiger Wehner.

Wehner versetzte die Wüstenameise nach Auffinden ihrer Beute um 10 Meter. Das Ergebnis: der Suchlauf nach Hause endete für das Insekt genau in 10 Meter Entfernung von ihrem Nest. Mit einer eingebauten Landkarte hätte sich die Wüstenameise wohl nicht verlaufen, folgerte der Schweizer Insektenforscher.

Armin Stadler, Ö1-Wissenschaft
->   Karl von Frisch-Lectures 2001/2002
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010