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Medikamente aus dem Meer  
  Marine Lebewesen enthalten Wirkstoffe gegen Krankheiten wie Krebs, Aids und Herpes. Anscheinend produzieren die Meeresbewohner die pharmazeutischen Rohstoffe aber nicht immer selbst. Denn Wissenschaftler haben jetzt entdeckt, dass Moostierchen bestimmte krebshemmende Substanzen nicht selbst herstellen. Stattdessen liefern die mit den kleinen Meerestieren in Symbiose lebenden Bakterien den wertvollen Rohstoff. Aus diesem Grund könnte der Wirkstoff auch außerhalb des Meeres hergestellt werden.  
Viele Meereslebewesen wie Korallen, Schwämme oder Moostierchen können vor ihren Feinden nicht fliehen, da sie fest verwurzelt mit dem Untergrund sind. Da sie auch keinen Panzer oder Stachel besitzen, haben diese Organismen besondere Verteidigungsmechanismen gegenüber ihren Fressfeinden und Schmarotzern entwickelt: die "chemische Keule".

Das Moostierchen Bugula neritina wehrt sich mit Bryostatinen. Dieser Wirkstoff kann aber nicht nur Feinde vertreiben, sondern auch das Wachstum von Krebszellen kontrollieren. Vor allem bei Leukämie sollen Bryostatine besonders erfolgreich sein. Aus diesem Grund werden sie zur Zeit in klinischen Studien getestet.
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Bryostatine
Bryostatine sind so genannte Metabolite, also die Produkte, die in einem biologischen Stoffwechsel (z.B. beim biologischen Abbau von Pflanzenschutzmitteln) entstehen.
->   Merh Informationen über Bryostatine
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Ein Bakterium als Rohstofflieferant
Aufgrund der geringen Mengen an Bryostatinen, die bei einem Moostierchen vorkommen, suchen Wissenschaftler schon seit langem nach einem Weg, diese Substanz biotechnologisch herzustellen.

Margo Haygood von der Scripps Institution of Oceanography hat nun das Gen gefunden, welches für die Bryostatinbildung verantwortlich ist. Dieses Gen wird jedoch nicht von der DNA des Moostierchens prodzuiert, sondern von dem Bakterium "Candidatus Endobugula sertula", das mit dem Moostierchen in Symbiose lebt

Diese lang gehegte Vermutung wurde durch eine Behandlung der Moostierchen mit Antibiotika bestätigt. Wurden die kleinen Meerestierchen dem Medikament ausgesetzt, sank die Zahl der bakteriellen Symbionten während gleichzeitig die Produktion von Bryostatinen zurück ging.
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Moostierchen (Bryozoen)
Moostierchen (Bryozoen) sind winzige, einfach gebaute Meeres oder- Süßwassertierchen, die meist festsitzende moosartige Kolonien bilden. Mit Hilfe einer Tentakelkrone (Lophophor) strudeln diese Lebewesen Nahrung herbei.

Es gibt verschiedene Auffassungen von Biologen über ihre systematische Stellung, die Meinungen gehen hierbei weit auseinander, weil z.B. bis heute die Verwandtschaftsverhältnisse zu den äußerlich sehr ähnlichen Kelchwürmern noch nicht geklärt sind. Wissenschaftler und Experten, die diese beiden fast identischen Arten auf die gleichen Vorfahren zurückführen, behalten sowohl für Kelchwürmer als auch für Moostierchen den Namen Bryozva bei. Andere Forscher benennen nur die Moostierchen Bryozva und wieder andere Forscher glauben, dass die Moostierchen mit den Tentaculata und die Kelchwürmer mit den Nemathelminthes verwandt sind.
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Startschuss zur künstlichen Produktion
Aufgrund dieser Entdeckung rückt jetzt die biotechnologische Produktion von Bryostatinen in greifbare Nähe. Denn bakterielle Gene lassen sich viel leichter manipulieren, als die höherer Organismen.

So wollen die Wissenschaftler jetzt die bryostatinproduzierenden Gene klonen und diese dann in anspruchslose Organismen einbringen.
Mehrere Probleme auf einen Schlag vermieden
Damit könnten gleich mehrere Probleme beseitigt werden. Zum einen könnte man eine Ernte des biologischen Materials in freier Natur vermeiden; bei diesen Versuchen würde das Ökosystem, in dem die Moostierchen leben, massiv geschädigt.

Außerdem könnte man sich den äußerst schwierigen Versuch einer Kultivierung der Moostierchen außerhalb ihres Ökosystems ersparen. Denn wegen der geringen Menge an Bryostatinen, die ein einziges Moostierchen hervorbringt, müssten sie in großer Zahl gezüchtet werden.
Rohstoffquellen unterhalb des Meeresspiegels
Das Moostierchen Bugula neritina ist allerdings nur ein Beispiel: denn marine Lebensformen gehören allgemein zu den bedeutendsten und produktivsten Quellen neuer Naturstoffe.

Doch die Erforschung des marinen Lebensraum steht erst am Anfang und nicht einmal zehn Prozent aller derzeit bekannten Naturstoffe stammen aus dem Meer.

In den letzten 30 Jahren wurden mehrere tausend Metabolite aus Schwämmen, Algen und höheren Lebensformen isoliert. Einige davon, zum Beispiel die Bryostatine, Didemnine oder das Eleutherobin, zeigen faszinierende medizinische Eigenschaften.

Marine Naturstoffe haben sich auch als aktiv gegen eine Reihe von Krankheiten erwiesen. So enthalten Meerschwämme Wirkstoffe gegen Aids, Herpes und Krebs. Andere Substanzen wie Tetrodotoxin oder die Dinoflagellaten-Toxine sind dagegen gefährliche Gifte.
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Wirkstoffe der Meeresschwämme
Die Heilkraft der Schwämme ist erstaunlich: So enthalten Schwefelschwämme Stoffe, die das Wachstum von Krebszellen hemmen. Extrakte aus Höhlenwächterschwämmen stoppen die Vermehrung von HI-Viren, und Produkte des Zitronenschwammes lindern den lästigen Herpes.
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EU-Projekt: Umweltfreundliche Nutzung mariner Rohstoffe
Die Wissenschaft hat allerdings mittlerweile den Wert der "Wirkstoff-Quelle" Meer erkannt: Ziel eines neuen EU-Projektes unter der Leitung deutscher Meeresbiologen von der Universität Essen ist die Entwicklung und Erprobung neuartiger Technologien zur nachhaltigen, umweltfreundlichen Nutzung mariner Rohstoffe.

Die Biologen wollen ein Verfahren zur Zucht von Schwämmen im Meer entwickeln. Bei Erfolg könnte man bestimmte Schwämme für die medizinische Nutzung züchten und wäre nicht auf das Sammeln dieser am Meeresboden weit verstreut lebenden Organismen angewiesen.

Die Schwammzuchtanlage wird mit Hilfe des "ERCON"-Verfahrens - nach Electrochemical Reef Construction - gebaut, welches die Meeresbiologen seit vielen Jahren erforschen und weiterentwickeln.
->   Scripps Institution of Oceanography: Center for Marine Biotechnology and Biomedicine
->   Universität Essen: Meeresbiologie
 
 
 
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01.01.2010