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Geheimnisvoll: Die Pyramiden von Teotihuacan  
  Die Pyramiden von Teotihuacan sind seit Jahren ein archäologischer Ausgrabungsort. Die dort arbeitenden Forscher entlocken den Bauwerken allerdings nur nach und nach ihre Geheimnisse. Viele Aspekte der dort einst lebenden Kultur sind immer noch ungeklärt.  
Knapp 50 Kilometer nordöstlich von Mexiko-Stadt erheben sich zwischen Kakteenfeldern in der Hochebene die beiden gewaltigen Bauwerke als stumme Zeugen einer vor 1.500 Jahren blühenden Kultur.
Blühende Metropole mitten in Mexiko
Zu dieser Zeit war Teotihuacan eine der größten Städte der Welt. Als in Westeuropa das Römische Reich unter den Schlägen von Goten und Vandalen zusammenbrach, Fernstraßen verrotteten und Städte sich entvölkerten, blühte mitten in Mexiko eine Metropole mit Villen und Palästen, mit Wasserleitungen und Kanalisation und mit kilometerlangen Avenidas.
Sonnen- und Mondpyramide nebeneinander
In der heutigen Ruinenstadt verbindet eine rekonstruierte Prachtstraße die 63 Meter hohe Sonnenpyramide mit der 46 Meter hohen Mondpyramide.
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Teotihuacan
Zu ihrer Blütezeit um das Jahr 500 nach Christus war Teotihuacan mit schätzungsweise 150.000 bis 175.000 Einwohnern eine der größten Städte der Welt. Der Einfluss der Kultur reichte weit bis ins tropische Tiefland Mittelamerikas, wo sie in einigen Mayastädten Spuren hinterließ. Ein ausgefeiltes Bewässerungssystem war die Grundlage einer produktiven Landwirtschaft. Um das Jahr 750 wurde Teotihuacan aufgegeben, möglicherweise nach einer Invasion kriegerischer Stämme aus dem Norden. Als die Spanier 1519 in Mexiko landeten, standen an der Stelle der einstigen Großstadt nur noch überwucherte Ruinen. 1998 erklärte die UNESCO die Pyramiden zu besonders schützenswerten Kulturgütern der Menschheit.
->   Mehr zu Teotihuacan
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Archäologen untertunneln Pyramide
Von den Tausenden von Besuchern, die sich bei sengender Sonne die fast kniehohen Stufen der Mondpyramide hinaufquälen, ahnen wohl nur wenige, dass tief unter ihren Sohlen Archäologen ungestört ihrer Arbeit nachgehen.

Durch einen Bauzaun geschützt, hat ein Trupp von Wissenschaftlern unter Leitung des Japaners Saburo Sugiyama die Mondpyramide von Westen her untertunnelt.

Die von Institutionen aus den USA und Japan finanzierten Ausgrabungen sollen helfen, einige offene Fragen über die Teotihuacan-Kultur zu beantworten.

 
Bild: AFP

Die Mondpyramide von Teotihuacan
Monumentalbau besteht aus sieben Pyramiden
Wie die mexikanische Archäologin Sandra Lopez Varela erläutert, haben die seit Ende 1998 unter der Mondpyramide laufenden Grabungen ergeben, dass der Monumentalbau eigentlich aus sieben in recht kurzer Zeitfolge übereinander gebauten Pyramiden besteht.
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Details zu den verschiedenen Bauten
Die älteste mit einer bescheidenen Seitenlänge von 30 Metern stamme aus dem Jahr 150, die äußerste sei um 450 fertig gestellt worden. Einige Bauteile der ersten Pyramide sind auf das Jahr 450 vor Christus datiert worden. Alle Pyramiden sind den Angaben zufolge einheitlich in nahezu nördliche Richtung ausgerichtet, nur die innerste weicht davon um vier Grad nach Osten ab.
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Spektakuläre Funde der Archäologen
Bild: AFP
Diese 1.850 Jahre alte Statue wurde 1998 in einer Grabkammer der Mondpyramide entdeckt.
Entlang der Tunnel machten die Archäologen zum Teil spektakuläre Funde. Lopez Varela nennt das Skelett eines jungen Mannes, der vermutlich einen Opfertod starb.

Neben ihm lagen die Gerippe von zwei Pumas und von anderem Getier. Sie hatten den Geopferten vermutlich lebend ins Grab begleitet, denn man fand auch Überreste von Exkrementen und Spuren eines Käfigs.

An einer anderen Stelle entdeckten die Ausgräber 18 in einem Kreis angeordnete Schädel - ohne Körper. Regionaltypische Merkmale an Köpfen und Zähnen ließen erkennen, dass die Geköpften aus verschiedenen Teilen des alten Mesoamerika stammten.

"Die Teotihuacaner waren wohl doch nicht so friedliebend, wie man früher einmal dachte", sagt Lopez Varela.
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Welche Regierungsform hatte Teotihuacan?
"Eines der Ziele des Projektes Mondpyramide ist es, Genaueres über die Regierungsform von Teotihuacan herauszufinden", erklärte der mexikanische Grabungsleiter Ruben Cabrera vor einigen Monaten im Interview. Es geht dabei um die Frage, ob das Gemeinwesen von einer Gruppe von Priestern oder von einem einzelnen Herrscher regiert wurde. Erstaunlicherweise hat man, obwohl Teotihuacan seit 1885 erforscht wird, dort noch kein einziges Königsgrab aufspüren können.
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Bisher keine Schrift gefunden
Nicht gefunden wurde in Teotihuacan bisher eine eigene Schrift. Es ist auch nicht bekannt, welche Sprache die Bewohner sprachen.

Der Name Teotihuacan - "der Ort, wo man zum Gott wird" - stammt von den Azteken, die Jahrhunderte später die Ruinen ehrfurchtsvoll bestaunten.

Dass das aztekische Wort für Gott - teotl - dem griechischen "theos" so verblüffend ähnelt, gilt als Zufall der Sprachgeschichte.
2.000 Gebäude warten noch auf Ausgrabung
Auf jeden Fall bleibt für die Archäologen in Teotihuacan noch viel zu tun. "Es gibt Spuren von 2.000 Gebäuden, die noch nicht ausgegraben wurden", sagt Lopez Varela.

Der heute sichtbare Pyramiden- und Tempelkomplex macht nur etwa zehn Prozent der Gesamtfläche der Stadt von 22 Quadratkilometern aus. Der größte Teil Teotihuacans ist also noch gar nicht freigelegt.
Mehr zu Zentralamerikas Pyramiden und Völkern in science.orf.at:
->   Die Sonnenschlange von Chichen Itza
->   Sonne verursachte Untergang der Maya?
 
 
 
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01.01.2010