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Spray gegen Anthrax-Bakterien entwickelt  
  Die Aufregung um das am Wiener AKH entwickelte Spray gegen Anthrax-Bakterien wird von den Verantwortlichen mittlerweile etwas abgeschwächt: Nach eigenen Angaben war es den Forschern gelungen, einen Spray zu entwickeln, der die Erreger sofort tötet und keine Nebenwirkungen hat. Allerdings ist das Mittel offenbar erst in einem einzigen Anthrax-Test überprüft worden. Auch Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck, der sich zunächst sehr optimistisch gab, warnte später in einer Aussendung vor überhöhten Erwartungen.  
Seitens der Experten des Allgemeinen Krankenhauses und des Staatssekretariats werde "bedauert", dass hier eine Erwartungshaltung entstanden sei, die noch nicht verifiziert werden konnte, heißt es in der Aussendung.
Kein endgültiger Beweis
Es gebe "vielversprechende Ergebnisse", ein endgültiger Beweis der Wirksamkeit liege aber noch nicht vor, so Waneck.
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Waneck zunächst sehr optimistisch
Zunächst hatte sich Waneck im ORF Radio sehr optimistisch gegeben: "Wenn sich hier unsere Hoffungen bestätigen, und es besteht begründeter Anlass dazu, ist das ein epochale Erfindung in der gegenwärtigen Situation." Er hatte auch bereits davon gesprochen, das Mittel den USA anzubieten.
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Erst ein einziger Test zur Wirksamkeit
Zudem meldete die APA heute, die Aussagen des Mikrobiologen Apostolos Georgopoulos vom AKH über die Wirksamkeit des Sprays würden sich laut dessen Informationen auf einen einzigen Test beziehen.

"Es ist das erste Experiment. Natürlich muss das noch bestätigt werden. Wir gehen davon aus, dass da was dran ist", zitiert die Nachrichtenagentur den Forscher. Es handle sich um den ersten Nachweis, dass das Desinfektionsmittel "wirken könne", so Georgopoulos.
Labortest: Alle Sporen abgetötet
Die Ergebnisse dieses ersten Tests sind nach Aussage der beteiligten Forscher allerdings tatsächlich vielversprechend: Im Labor habe sich gezeigt, dass das Bakterium eine halbe Stunde nach dem Besprühen nicht mehr virulent war.

Laut dem Grazer Primar Athanasios Bogiatzis wurden die Sporen 48 Stunden später noch einmal kontrolliert. Das Ergebnis: es seien tatsächlich alle abgetötet worden.
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Getestet an Briefumschlag mit Anthrax-Sporen
"In zwei Briefkuverts kamen je zehn Millionen Sporen hinein", erläutert Georgopoulos laut APA den Test-Vorgang. Eines der Briefkuverts (gekennzeichnet) wurde vor und nach Einfügen der Sporen mit dem Desinfektionsmittel behandelt. Das Ergebnis: Aus dem behandelten Kuvert konnten keine Erreger gezüchtet werden, aus dem unbehandelten jedoch sehr wohl. Gegenüber dem ORF Radio hatte der Experte erklärt, der Spray vernichte innerhalb weniger Sekunden den gefährlichen Erreger.
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Spray für die Ölindustrie entwickelt
Der Spray wurde ursprünglich für die Ölindustrie entwickelt, um Bohrrohre vor mikrobiellem Wachstum zu schützen. Im Wiener Allgemeinen Krankenhaus wird er angeblich bereits seit einigen Monaten zur Vernichtung von Bakterien eingesetzt.

Hersteller des Mittels ist das Unternehmen POC mit Sitz in Wien. Es arbeitet normalerweise im Bereich der Herstellung, Entwicklung und Forschung für die Erdölindustrie.

Allerdings hüllen sich alle Beteiligten in Schweigen, wenn es um die Frage nach dem Wirkstoff geht, den das Mittel enthält. Es handelt sich jedoch nicht um ein Medikament, sondern um ein Desinfektionsmittel.
Spray wirkt als Desinfektionsmittel
"Hier handelt es sich um kein Antibiotikum. Es ist ein Polymer, das entweder alles oder nichts tötet an Bakterien. Es ist also kein Antibiotikum, sondern ein Desinfektionsmittel", erklärte Georgopoulos.
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Bacillus anthracis unter dem Mikroskop
Bacillus anthracis
Der Milzbrand-Erreger Bacillus anthracis ist ein Sporen bildendes Bakterium, das sehr widerstandsfähig ist. Die Fähigkeit, Sporen zu bilden, und deren Resistenz gegenüber Umwelteinflüssen tragen dazu bei, dass der Erreger sehr lange überdauern kann. Bis heute darf zum Beispiel die schottische Insel Guida nicht betreten werden: Während des Zweiten Weltkrieges wurden dort von britischen Soldaten erste Versuche mit dem Erreger zur Entwicklung biologischer Waffen vorgenommen. Die Insel ist nach wie vor militärisches Sperrgebiet. Milzbrand-Erreger können über Hautwunden, durch das Einatmen von Sporen und durch die Aufnahme über Nahrungsmittel krank machen.
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Keine Nebenwirkungen des Mittels
Der Unterschied zu den bisherigen Desinfektionsmitteln gegen Anthrax ist, dass dieses Mittel nicht giftig und rasch
wirksam ist.

Der Spray ist ein Desinfektionsmittel ohne Nebenwirkungen. Er kann ohne schädliche Folgen auf die Haut gesprüht werden und die gefährlichen Sporen des Anthrax-Bakteriums werden vernichtet, erläuterte Georgopoulos am Dienstag im Ö1-Abendjournal.

Die Tests haben ergeben, dass die Sporen auch 48 Stunden nach dem Besprühen nicht mehr existierten. Langzeittests und Tests in Räumen werden noch gemacht. Denn zur Flächendesinfektion muss noch erwiesen werden, ob die Sporen nicht an Stellen überleben, wo sei schwer erreichbar sind - etwa in Teppichböden oder Klimaanlagen.

Auch amerikanische Forscher testen zur Zeit neue Mittel. Etwa Seifen - und Bleichlösungen kombiniert mit neuen Technologien um verseuchte Gebäude zu desinfizieren. Wenn sich aber jemand mit dem Anthrax-Bakterium infiziert hat, müssen weiterhin Antibiotika eingesetzt werden, hier hilft der Spray nicht. Der Spray soll schon bald zur Flächendesinfektion zugelassen werden.
Eine halbe Stunde einwirken lassen
"Wir nehmen es an, dass, wenn dieses Mittel mit den Sporen oder den Bakterien in Kontakt kommt, die Bakterien und Sporen einfach platzen und nicht mehr überlebensfähig sind. Ich bin überzeugt, dass wir etwas in der Hand haben, mit dem wir die ganzen Ängste zur Seite stellen können", so Apostolos Georgopoulos gegenüber dem ORF Radio.

"Wenn man besprüht, muss man eine halbe Stunde warten und dann ist meiner Meinung nach - wie die ersten Experimente gezeigt haben - sichtergestellt, dass alles weg ist: dass die Bakterien abgetötet sind, schließt der Wissenschaftler des AKH Wien.
Verfahrensdauer noch nicht ansehbar
Die therapeutische Anwendung bedarf jetzt allerdings noch eines Zulassungsverfahrens nach dem Arzneimittelgesetz. Auch der Name des Anti-Anthrax-Sprays steht noch nicht fest. Laborname derzeit: +g1. Wie lange die Tests im Rahmen eines solchen Verfahrens dauern, ist ungewiss. Gesundheitsstaatsekretär Reinhart Waneck hatte zunächst im ORF Radio ein beschleunigtes Verfahren zugesichert.

In der Aussendung erklärte er später, man hoffe, "dass sich die Vermutungen bestätigen und ein Mittel gefunden wurde, mit dem Milzbrandbakterien wirksam bekämpft werden können." Bis zur endgültigen Bestätigung werde man allerdings noch einige Zeit warten müssen.
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Milzbrand
Milzbrand ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die vor allem in warmen Gegenden auftritt und meist Huftiere wie Schweine, Rinder und Ziegen befällt. Die Krankheit überträgt sich üblicherweise nur auf Menschen, die sehr engen Kontakt mit Tieren oder Tierprodukten wie Häuten, Fleisch, Wolle oder Milch haben.
Man kennt drei Formen:
1. Hautmilzbrand: Ein bis drei Tage nach der Ansteckung entwickelt sich an der Eintrittstelle des Keimes eine Pustel, die unter Narbenbildung abheilt.
2. Durch Einatmen des Erregers entsteht der Lungenmilzbrand, der wie eine Lungenentzündung verläuft.
3. Beim Darmmilzbrand gelangt der Bazillus über die Nahrung in den Körper.
Bei allen drei Formen kann sich die Infektion unbehandelt auf die Lymphbahnen ausbreiten und Fieber, Schwellung und eine brandige Verfärbung der Milz hervorrufen. Diese Milzbrandsepsis führt oft zum Tod. Behandlung mit Antibiotika ist nötig.
->   Mehr zu Anthrax
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Spray für das österreichische Bundesheer?
Im Radio hatte der Statssekretär zuvor noch angekündigt, das österreichische Bundesheer solle den Spray schon nächste Woche für Einsätze zur Verfügung haben.
Tests in Hochsicherheitslabors laufen noch
Der Spray wird derzeit noch in Hochsicherheitslabors getestet. Laut Aussendung werden die Untersuchungsreihen in Zusammenarbeit zwischen dem Klinischen Institut für Hygiene der Universität Wien, der Klinischen Abteilung für Infektionen und Chemotherapie und externen Partnern durchgeführt.
Produktion vermutlich schon angekurbelt
Die Produktion des Mittels läuft vermutlich schon: Die Herstellerfirma, das Unternehmen POC mit Sitz in Wien, hält sich allerdings im Augenblick noch bedeckt.

Offenbar ist das Patentrechtsverfahren noch nicht abgeschlossen, daher geht die Firma aus Wettbewerbsgründen sparsam mit Informationen an die Öffentlichkeit um. Angekündigt ist allerdings eine Pressekonferenz Mitte nächster Woche.
->   AKH Wien
->   ORF ON Österreich: G1 macht Anthrax-Bakterien unschädlich
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->   Anthrax: Antibiotika-Prophylaxe nur bei Verdacht
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01.01.2010