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Männer ignorieren Doppelbelastung ihrer Frauen  
  Frauen müssen Familie und Beruf unter einen Hut kriegen - ihre Männer denken dagegen vor allem an die eigene Karriere. So lässt sich - zugespitzt - eine neue weltweite Studie zusammenfassen.  
Vorgelegt hat sie jetzt im Auftrag der Universität Bremen der Bielefelder Soziologie-Professor Hans-Peter Blossfeld gemeinsam mit seiner Bremer Kollegin Sonja Drobnic.

Die Wissenschafter untersuchten drei Jahre lang knapp 2.000 Paare in zehn verschiedenen Ländern unterschiedlicher Gesellschaftsformen.

"Der Emanzipationsgedanke hat sich nur auf das Verhalten der Frau ausgewirkt. Der Mann lebt weiterhin nach dem traditionellen Grundsatz: Ein erfolgreicher Ernährer ist auch ein guter Ehemann und Vater", beschreibt Blossfeld das recht eindeutige Ergebnis seiner Studie.
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"Careers of Couples in Contemporary Society"
Veröffentlicht wurde die Studie in dem Buch "Careers of Couples in Contemporary Society: From Male Breadwinner to Dual Earner Families" (Oxford, Oxford University Press, 2001).
->   OUP - "Careers of Couples"
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Bessere Ausbildung und Karrierechancen ändern nichts
Trotz deutlich verbesserter Ausbildung von Frauen und ihrer wachsenden Karrierechancen habe sich in allen untersuchten Ländern innerhalb der Paare nichts Grundsätzliches geändert.

Hausarbeit und Kinderbetreuung bleibe die zentrale Aufgabe der Frau, der Mann unterstützt sie dabei nur wenig. Will die Frau beruflich vorwärts kommen, kommt ihr der Mann kaum entgegen.
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Details zur Studie
In zehn Ländern haben Blossfeld und Drobnic - unterstützt von ortsansässigen Wissenschaftlern - drei Jahre lang Paare verschiedenster sozialer Herkunft im Alter zwischen 25 und 60 Jahren befragt. Wie haben sie ihre beruflichen Karrieren aufeinander abgestimmt? Wie hat sich der Beruf der Frau auf die Arbeitsteilung in der Familie ausgewirkt? Wie hat sich das Leben durch gemeinsame Kinder verändert?

Ausgesucht wurden Länder mit unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Vorgaben: Deutschland, die Niederlande, der flämische Teil von Belgien, Italien, Spanien, Großbritannien, die Vereinigten Staaten, Schweden, Dänemark, Polen, Ungarn und China.
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Beispiele von Köln über Stockholm bis Florenz
Blossfeld nennt Beispiele: Angela aus Köln, verheiratet, zwei schulpflichtige Kinder, hat vor kurzem wieder einen Teilzeitjob als Sekretärin angenommen. Ihr Mann, leitender Angestellter, sieht dies mit gemischten Gefühlen.

Dörte und Jan aus Stockholm: Beide sind vollzeitbeschäftigt, und Jan ist sehr stolz auf den beruflichen Erfolg seiner Partnerin. Aber die Hausarbeit erledigt sie allein. Wenn das Kind krank ist, bleibt sie zu Hause.

Oder Elisabetta aus Florenz: Sie arbeitet als Apothekerin, ist schwanger und erledigt die Hausarbeit. Ihr Mann, der Zahnarzt Fabrizio, möchte nicht, dass sie nach der Geburt des Kindes wieder arbeitet.
Männerrolle: Haupternährer der Familie
Alle diese Fälle zeigen nach Überzeugung der Familienforscher: Der Mann sieht sich weiterhin in der Rolle des Haupternährers der Familie - auch dann noch, wenn die Frau mehr Geld zur Haushaltskasse beisteuert als ihr Partner.

Und dies, so Blossfeld, sei weitgehend unabhängig davon, ob das Land seit Jahrhunderten kapitalistisch ist, eine sozialistische Vergangenheit hat oder ob es konservativ, liberal oder sozialdemokratisch regiert wird.
Haltung des Mannes wenig flexibel
Wer der Frau politisch helfen wolle, dürfe eben nicht nur darauf schauen, wie Ausbildung, Berufssituation und Arbeitsmarktstrukturen zu verbessern sind, sondern müsse auch die Haltung des Mannes im Blick haben. Und die ist - laut Studie - nun einmal reichlich wenig flexibel.
Gestützt durch Vorgaben der Gesellschaft
Gestützt wird dies offenbar durch verkrustete Vorgaben der Gesellschaft. In vielen Staaten wie Deutschland, die Niederlande, Italien oder Spanien steige mit der beruflichen Position des Mannes der Druck auf die Partnerin systematisch an, ihre Karriere zu Gunsten der Familie zu opfern.

Derartige Tendenzen würden noch gestützt, wenn der Staat die Familie mit einem männlichen Alleinernährer als Idealbild ansehe.

(Thomas Wöstmann, dpa)
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01.01.2010