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Doping: Neues "Wundermittel" entdeckt?  
  Das Blut-Dopingmittel Darbepoetin alfa (auch "Nesp" genannt), das nun bei den Langläufern in Salt Lake City nachgewiesen wurde, ist spätestens seit dem vergangenen November bekannt. Darbepoetin alfa regt die Vermehrung roter Blutkörperchen im Blut an und wurde eigentlich für Patienten mit Nierenschäden entwickelt.  
Dies berichtete die "Gazzetta dello Sport" unter Berufung auf Recherchen des italienischen Fernsehsenders "Canale 5" schon im November 2001.
Neues Wundermittel?
EPO gilt seit einigen Jahren als Wundermittel im Spitzensport. Es ist ein Glycoprotein, das in der Niere gebildet wird und die Bildungsrate roter Blutkörperchen (Erythrozyten) erhöht. Athleten nehmen künstliches, gentechnisch produziertes EPO ein und erhoffen durch die Zunahme der Erythrozytenzahl im Blut einen verbesserten Sauerstofftransport und damit verbunden eine erhöhte Ausdauerleistung.

"Nesp" (Novel Erythropoiesis Stimulating Protein) soll 20 Mal stärker sein und drei Mal länger wirken als EPO, erklärte der Chefarzt des Mailänder "Maggiore"-Krankenhauses Giorgio Lambertenghi gegenüber "Canale 5".

Klaus Müller, der Leiter des Instituts für Dopinganalytik und Sportbiochemie in Kreischa/Deutschland, hält auf Anfrage von science.ORF.at das neue Mittel aber nicht für eine Wunderdroge: "Es ist vergleichbar mit EPO und vermutlich genauso nachweisbar."
Bald nachweisbar?
Nach Ansicht des Kölner Biochemikers Wilhelm Schänzer wird man bereits bei den Olympischen Winterspielen in Salt Lake City (8. bis 24. 2. 2002) das Erythropoetin (EPO) ähnliche Präparat analysieren können. "Es gehört zur gleichen Substanzgruppe wie EPO, ist aber durch die zusätzliche Einfügung weiterer Aminosäuren und einer zusätzlichen Zuckerkette in das Molekül noch leichter vom körpereigenen EPO zu unterscheiden", erläuterte Schänzer gegenüber der dpa.
->   Medizinische Dopingstudien
In den USA produziert
In den USA ist "Nesp" unter dem Namen "Aranesp (Darbepoetin alfa)" seit September im Handel. Es handelt sich um eine Substanz, die gezielt die Erythropoese, die Bildung roter Blutkörperchen stimuliert. Es wird gentechnisch von der Firma "Amgen" produziert.
->   Aranesp
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Amgen
Amgen ist nach eigenen Angaben das größte Biotechnologie-Unternehmen der Welt. Es entwickelt, produziert und vertreibt biopharmazeutische Produkte, die mit Hilfe rekombinanter DNA-Technologie hergestellt werden. Die in Thousand Oaks, im Bundesstaat Kalifornien, beheimatete Firma wurde 1980 als Applied Molecular Genetics Inc. gegründet.
->   Amgen
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->   Klinische Studien zu Aranesp
Gedacht für Anämie- und Dialysepatienten

Aranesp
Die medizinische Anwendung von EPO (oder Nesp) erfolgt bei Patienten, die selber nicht mehr genügend EPO produzieren und somit zu wenig rote Blutkörperchen aufweisen, z.B. bei renaler Anämie oder bei Dialysepatienten.

Seit 1988 wird EPO gentechnisch hergestellt, wobei gentechnisch veränderte Säugetierzellen (Ovarienzellen chinesischer Hamster) verwendet werden. Das so produzierte EPO ist 100prozentig identisch mit dem menschlichen EPO bezüglich der Aminosäuresequenz der Eiweißkette.

Geringfügige Unterschiede bestehen aber in den Kohlenhydratanteilen, so dass hier eine Möglichkeit zur Differenzierung zum menschlichen EPO gesehen wird.
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Unerwünschte Nebenwirkungen
Nebenwirkungen nach EPO Applikation können auftreten, wenn die Anzahl der roten Blutkörperchen zu groß wird. Der Hämatokritwert, der prozentuale Anteil der Blutkörperchen zur gesamten Blutflüssigkeit, steigt an, womit die Thrombosegefahr mit Ausbildung eines Bluthochdrucks zunimmt. Darüber hinaus wurden vereinzelt in klinischen Prüfungen festgestellt: Akne-ähnliche Hautveränderungen, Herzinfarkt und eine anaphylaktische Reaktion.
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Nesp: Schwerer und ...
"Nesp" unterscheidet sich laut dem Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln von EPO dadurch, dass weitere Aminosäuren und zusätzliche Zuckerketten in das Molekül eingefügt worden sind. Damit erhöht sich die relative Molekülmasse von 30.400 auf 38.500 und der Zuckeranteil des bisherigen EPO von 40 auf 52 Prozent des gesamten Molekulargewichtes.
->   Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln
... länger nachweisbar
Die Halbwertszeit von "Nesp" liegt bei ca. 25,3 Stunden nach subkutaner Injektion während Erythropoietin eine Halbwertszeit von 8,5 Stunden aufweist. Für Gedopte bedeutet dies mehr Unsicherheit, da die Einnahme der Substanz über einen längeren Zeitraum nachgewiesen werden kann.

Klaus Müller, der "Doping-Jäger" aus Kreischa, gibt sich so auch optimistisch, was die Frage der Nachweisbarkeit der neuen Substanz betrifft.
Olympia: Kombinierte Blut- und Urintests
Bei den Olympischen Winterspielen in Salt Lake City 2002 müssen sich die Athletinnen und Athleten bei EPO-Kontrollen auf einen kombinierten Blut- und Urintest einstellen.

Von einem positiven EPO-Befund wird nur dann gesprochen, wenn in beiden Analysen die jeweils erlaubten Richtwerte deutlich überschritten werden. Neu müssen sich sämtliche 800 bis 900 Sportler in den Ausdauer-Disziplinen vor ihren Wettkämpfen einem Bluttest unterziehen. Bei Auffälligkeiten wird ein Urintest und ein weiterer Bluttest vorgenommen.
->   Welt-Antidoping-Agentur (WADA)
->   Institut für medizinische und sportwissenschaftliche Beratung
Mehr über Doping in science.orf.at:
->   Gentechnik: Herausforderung für Dopingjäger
->   Doping und Dopingjäger: Wie Igel und Hase
->   Hormonzusätze in der Nahrung - das IOC ermittelt
 
 
 
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01.01.2010