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Wie das Gehirn lügt und Wahrheit spricht  
  Was passiert im Gehirn eines Lügners? Und wie unterscheiden die neuronalen Netzwerke des Menschen zwischen Lüge und Wahrheit? Jetzt haben Forscher entdeckt, dass unser Gehirn beim Verkünden von Lügen und Wahrheiten gänzlich unterschiedliche Aktivitäten in Gang setzt.  
Dieses Ergebnis präsentierten Wissenschaftler der "University of Pennsylvania School of Medicine" am Dienstag den 13. November 2001 auf dem "National Meeting of the Society for Neuroscience" in San Diego, Kalifornien.
->   31. National Meeting of the Society for Neuroscience
Bessere Lügendetektoren ...
Durch Identifizierung der Gehirnaktivitäten, die mit Täuschung und Verleugnung verknüpft sind, liefern die neuen Daten auch eine Basis für die Verbesserung von Lügendetektoren, glauben die Forscher.

"Darüber hinaus sollen die neuen Ergebnisse auch das Feld der Psychotherapie durch eine erweitertes Verständnis, was im Gehirn bei jenen psychologischen Prozessen passiert, bereichern", erklärt Daniel Langleben, Leiter der Studie und Assistant Professor im "Department of Psychiatry" der "Pennsylvania School of Medicine".
Befragung per "Guilty-Knowledge"-Test
In der nun vorliegenden Studie verwendeten Langleben und seine Kollegen die funktionelle Magnetresonanz-Tomographie, um die Gehirnaktivität von 18 Versuchspersonen aufzuspüren, die mit einer Befragung in Form des so genannten "Guilty-Knowledge"-Tests konfrontiert wurden.

Den Teilnehmern wurde ein Umschlag mit einer bestimmten Spielkarte gegeben, den sie ohne die Karte zu verraten, in die Tasche stecken mussten.

Daraufhin wurden sie an einen MRI-Scanner zur Messung ihrer Gehirnaktivität angeschlossen und sollten jedes mal bei Befragung durch einen Computer, der ihnen eine Reihe von Karten zeigte und sich nach dem Vorhandensein der jeweiligen Karte erkundigte, den Besitz dieser leugnen.
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Funktionelle Magnetresonanz-Tomographie
Der Körper wird einem Magnetfeld ausgesetzt, dabei wird festgestellt, wie sich die Körpergewebe in diesem Magnetfeld verhalten. Atomkerne mit einer ungeraden Ordnungszahl verfügen über eine Eigenrotation und befinden sich in einem natürlichen Magnetfeld. Dieser Kernspin kann durch ein künstliches Magnetfeld angeregt werden. Dabei tritt durch den vermehrten Kernspin elektromagnetische Energie aus dem Körper aus, die gemessen und in ein Schichtbild umgewandelt wird. Entscheidend ist der unterschiedliche Wassergehalt in den verschiedenen Körpergeweben. Erkrankte Gewebe enthalten häufig mehr Wasser als gesunde Gewebe. Wegen der größeren Anzahl an Wasserstoffkernen im erkrankten Gewebe kann man diese dann von den gesunden Geweben unterscheiden.
->   Mehr zu Magnetresonanz-Tomographie
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Aufmerksamkeitsregionen beim Lügen aktiver
"Bestimmte Gehirnregionen, die eine signifikante Rolle bei der Aufmerksamkeit wie auch im Monitoring und der Fehlerkontrolle spielen, waren bei den Versuchspersonen durchschnittlich wesentlich aktiver, wenn diese logen, als wenn sie die Wahrheit sagten", schildert Langleben.

"Wenn die Wahrheit sagen die 'Standardvoreinstellung' unseres Gehirns ist, dann würden die neuen Ergebnisse bedeuten, dass 'Lügen' mit einer gesteigerten Aktivität in Gehirnregionen einhergeht, die normalerweise Prozesse wie Kontrolle und Verhinderung steuern und beeinflussen", präzisiert Langleben seine Ergebnisse.
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Gehirn und Aufmerksamkeit
Es gibt ein Zentrum, das aktiviert sein muss, damit das Gehirn in einen Zustand kommt, in dem es Phänomene wie Aufmerksamkeit generieren kann. Die entsprechenden Areale liegen im Hirnstamm und lassen sich in vier Untersysteme mit vier verschiedenen Neurotransmittern gliedern: Acetylcholin, Noradrenalin, Dopamin und Serotonin. Diese Systeme erreichen mit ihren Axonprojektionen riesige Bereiche im Großhirn, sodass ein Hirnstammneuron ein ganzes Hirnrindenareal versorgt. Wichtig ist dabei das so genannte cholinerge System, das den Thalamus versorgt und die Übertragung von Sinnesinformation begünstigen. Ein wichtiges Gebiet im basalen Vorderhirn, das auch mit cholinergen Zellen besetzt ist projiziert auch zur Großhirnrinde. Das cholinerge System des Hirnstamms projiziert bei höheren Tieren nämlich nur in subkortikale Bereiche, aber es aktiviert auch die Kerngebiete im Vorderhirn. Von dort wird die gesamte Großhirnrinde mit Acetylcholin versorgt.
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Magnetresonanz besser als Lügendetektor
Für Langleben und seine Kollegen bedeuten die Ergebnisse auch, dass der Einsatz der funktionellen MRI eine offensichtlich bessere und effizientere Methode zur Überprüfung neuronaler Aktivitäten während des Lügens darstellt, als der bislang als Lügendetektor eingesetzte Polygraph.

Die Neurowissenschaftler möchten jetzt in weiteren Studien die Anzahl der Probanden erhöhen und auch demografische wie sprachliche Faktoren in neue Untersuchungen miteinbeziehen.
->   Department of Psychiatry, der Pennsylvania School of Medicine
->   Über den 'Guilty-Knowledge'-Test
 
 
 
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01.01.2010