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Deutschland: Kommission geg. Stammzellen-Import  
  In der deutschen Bundestags-Enquetekommission "Recht und Ethik der modernen Medizin" hat sich überraschend eine deutliche Mehrheit gegen den Import von menschlichen embryonalen Stammzellen zu Forschungszwecken ausgesprochen.  
Mit 17 zu sieben Stimmten sprach sich die Kommission gegen den Import aus. Gleichwohl will sie aber dem Bundestag für die weitere Debatte keine bestimmte Empfehlung geben.
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Das deutsche Embryonenschutzgesetz
Im Augenblick gilt in Deutschland das mittlerweile zehn Jahre alte Embryonenschutzgesetz, das zwar die Forschung an Embryonen dezidiert verbietet, allerdings nicht den Import embryonaler Stammzellen.
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"Gewissensentscheidung" der Abgeordneten
Vielmehr müsse jeder Abgeordnete "seine eigene Gewissensentscheidung treffen", sagte die Vorsitzende der Kommission, die SPD-Politikerin Margot von Renesse, am Montagabend vor Journalisten in Berlin.
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Die Enquete-Kommission
Die Kommission, vom deutschen Bundestag im März 2000 eingesetzt, besteht aus 26 Mitgliedern: 13 davon sind deutsche Bundestagsabgeordnete, die übrigen sind Experten aus verschiedenen Bereichen.

Nach der Geschäftsordnung des deutschen Bundestags hat eine Enquete-Kommission die Aufgabe, die Entscheidungen des Gesetzgebers "über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe" vorzubereiten, indem sie den thematischen Sachstand erfasst, sich abzeichnende Entwicklungen beobachtet, die relevanten Argumente sammelt und gegebenenfalls Ziele sowie Instrumente staatlichen Handelns definiert.

Im Fall der Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" kommt noch hinzu, dass diese für eine möglichst breite Mitwirkung der Bevölkerung sorgen soll.
->   Enquete-Kommission "Recht und Ethik der modernen Medizin"
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Gegner: Forschung an Embryonen "unverhältnismäßig"
In der Enquetekommission wurde ein Meinungsbild zu zwei Kernpositionen erstellt. Dabei halten die Gegner der Embryonenforschung in ihrem Argumentationspapier "die Verwendung von menschlichen Embryonen zu Forschungszwecken, auch wenn diese im Ausland stattfindet, für unverhältnismäßig und wissenschaftlich nicht ausreichend begründet".

Die Bundesregierung sollte alle Möglichkeiten ausschöpfen, um den Import von menschlichen embryonalen Stammzellen nach Deutschland zu verhindern.
Minderheit ist für Forschung
Die Minderheiten-Position in der Enquetekommission spricht sich dagegen für eine Tolerierung der Forschung und auch des Imports von Stammzellen unter strengsten Auflagen aus.
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Argumente Pro Forschung
So soll eine staatliche Kontrollinstanz eingerichtet werden. Zugleich dürften die Stammzellen nur aus gefrorenen, überzähligen Embryonen gewonnen werden, die bei der künstlichen Befruchtung anfallen und die ansonsten vernichtet würden.

Verlangt wird auch das Einverständnis der Mutter und der Nachweis, dass das Forschungsprojekt sich nicht mit anderen Stammzellmaterial realisieren lässt. Das Forschungsziel müsse "hochrangig" sein.

Die "Tolerierer" dieser Forschung wollen zudem eine strikte Fristregelung, wie sie auch von US-Präsident George W. Bush eingeführt wurde. Wie in den USA sollen nur Zellen verwendet werden dürfen, die vor dem 9. August 2001 entstanden sind. Es soll kein neuer Embryo "eigens für deutsche Forschung" produziert werden, sagte der SPD-Politiker Wolfgang Wodarg zur Begründung.
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Klares Meinungsbild: 17 zu sieben
Das Meinungsbild fiel mit 17 zu sieben Stimmen unerwartet hoch zu Gunsten der Gegner der Stammzellen-Forschung aus, wobei für die Parlamentarierer bei der Abstimmung auch Doppelvoten möglich waren.

Die Abgeordnete Ulrike Höfken von den Grünen, die davon Gebrauch machte, sagte, die Güterabwertung sei außerordentlich schwer. Zum einen müsse der strenge deutsche Embryonenschutz weiter gesichert werden.

Zum anderen sei es aber äußerst schwierig, ein vollständiges Verbot des Imports auf Dauer verfassungs- und europarechtlich zu begründen.
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Stammzellen: Was sie können sollen
Stammzellen sind so genannte Vorläuferzellen, aus ihnen kann sich noch jedes beliebige Organ oder Gewebe entwickeln, je nachdem, welchen Umwelteinflüssen oder Signalen von Nachbarzellen sie ausgesetzt werden. Wenn man die genauen Signale kennt, die dazu führen, dass sich Nervenzellen, Muskelzellen oder Herzzellen bilden, so könnte man diese Entwicklung im Labor gezielt steuern, und die so gezüchteten Zellen dann für Transplantationen verwenden. Speziell in der Behandlung von Alzheimer oder Parkinson erhofft man sich durch diese Forschung wesentliche Fortschritte.

Was diese Technik so heiß umstritten macht, ist der Ursprung der Stammzellen: Sie werden aus Embryonen in einem sehr frühen Entwicklungsstadium entnommen - die Embryonen selbst werden dadurch vernichtet, was dem österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetz gemäß verboten ist.
->   Stammzellen: Die Diskussion im Überblick
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SPD: Vorerst kein klares Votum
Die SPD will vorerst kein klares Votum für oder gegen den Import von embryonalen Stammzellen zu Forschungszwecken abgeben.

In dem vom SPD-Parteivorstand gebilligten Initiativantrag zur Gentechnik, der nächste Woche auf dem Parteitag in Nürnberg beschlossen werden soll, kündigt die SPD eine nachdrückliche Unterstützung der Stammzellenforschung zur Bekämpfung schwerer Krankheiten an.

Gleichzeitig verlangt sie "eine breite gesellschaftliche Diskussion" über die ethischen Grenzen. Die SPD will "innovative Unternehmen" der Biomedizin erheblich fördern und sieht darin auch die Chance für neue, qualifizierte Arbeitsplätze. Gesetze und Rechtsnormen müssten vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse überprüft werden.
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"Internationaler Streit"
Der "Streit" um die Forschung an embryonalen Stammzellen ist dieses Jahr sozusagen international ausgetragen worden: Ende Jänner erst stimmte das Britische Oberhaus dem Gesetz über das Klonen von Embryonen für therapeutische Zwecke zu. England war damit das erste Land in Europa, in dem Embryonen (im Alter von bis zu 14 Tagen) geklont werden dürfen, um an ihren Stammzellen zu forschen.

Die USA bzw. Präsident George Bush hielten sich dagegen an eine konservativere Linie, im August gab Bush seine Entscheidung bekannt: Die Forschung an vorhandenen embryonalen Stammzellen wird demnach in den USA mit öffentlichen Geldern gefördert. Die Herstellung neuer Stammzelllinien aber bleibt verboten.
Bush zur Stammzellenforschung: Ja, aber

Auch in Österreich nahm man sich des Themas an: Anfang Juli fand die konstituierende Sitzung der österreichischen Bioethik-Kommission statt. 18 Experten aus den Fachgebieten Medizin, Gentechnologie, Rechtswissenschaft, Philosophie, Theologie und Soziologie sollen die Bundesregierung bei umstrittenen Themen wie Stammzellentherapie oder Präimplantationsdiagnostik beraten.
Bioethik-Kommission hat sich konstituiert
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Deutsche Bundestagsdebatte im Jänner
Die Bundestagsdebatte über den Bericht der Enquetekommission soll am 24. oder 25. Jänner stattfinden. Bis dahin wird auch ein erstes Votum des vom Kanzler eingesetzten Nationalen Ethikrats erwartet.
Mehr zum Thema "Forschung an embryonalen Stammzellen":
->   Erich H. Loewy: Stammzellen und Bioethik
->   Ulrich Körtner: Stammzellenforschung - Plädoyer für eine seriöse Debatte
->   Europäische Ethik-Gruppe über Stammzellenforschung
->   Franz Seifert: Stammzellen - Warum die Tabus fallen müssen
 
 
 
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01.01.2010