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Kelten-Hi-Tech: Glänzende Vergangenheit  
  Für Archäologen ist Metallverarbeitung ein Indiz einer komplexe Gesellschaftsstruktur. Sie markiert eine frühe Hochkultur, selbst dann, wenn noch keine schriftlichen Zeugnisse das soziale und geistige Leben der Menschen dokumentieren. Österreichische Archäologen rekonstruieren jetzt die "Hi-Tech"-Verfahren der Kelten vor über 2000 Jahren zur Gewinnung hochwertigen Eisens.  
1997 entdeckten die beiden Archäologen Helmut Urban und Erwin Ruprechtsberger am Fuß einer Keltischen Wallanlage am Linzer Gründberg vier Eisendepots. Sie waren in regelmäßigen Abständen am Befestigungswall deponiert worden.

Die 43 Werkstücke: Werkzeuge, Waffen, Haushaltsgeräte und Eisenbarren haben ein Gesamtgewicht von 61 Kg. Sie wurden dem Archäometallurgen Hubert Presslinger von der Montanuniversität Leoben zu Analyse vorgelegt.
Das phosphorarme Eisen der Kelten
"Die Untersuchungen des Keltenschatz von Linz haben gezeigt, dass die Erze nördlich der Donau abgebaut wurden. Es sind sogenannte Raseneisenerze. Die keltischen Hüttenleute haben gezielt verschiedene Erzarten zusammengeschmolzen, um phosphorarmes Eisen zu bekommen. Zu viel Phosphor macht den Werkstoff spröde", so Hubert Presslinger.

Die Keltischen Metallurgen benutzten Verfahren, mit denen sie den Kohlestoffgehalt des Eisens geringer als zwei Masseprozent halten konnten. Sie produzierten selbst nach heutiger Definition hochwertigen Stahl. Europaweit waren sie begehrte Spezialisten. Dies bestätigte sich in der Qualität des Depotfundes vom Gründberg.
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Die Kelten
Unter dem Begriff Kelten, darf man sich kein bestimmtes Volk vorstellen. Vielmehr waren die Kelten die Angehörigen einer bestimmten Kultur. In mehreren Völkerwanderungen breiteten sich die Stämme über Mitteleuropa und bis zu den britischen Inseln aus. Den ersten Höhepunkt erreichte das Keltentum ca. 500 v.Ch. in der La-Tène-Kultur, welche nach einer Ausgrabungsstätte am Neuenburgersee in der Schweiz benannt wurde. Eine bäuerliche, in der Metallbearbeitung sehr bewanderte keltische Kultur breitete sich seit 1200 v. Chr. über ganz Europa aus und vereinigte sich friedlich mit den existierenden Megalith-Kulturen. Diese keltische 'Welle' erreichte bereits früh auch die westlichen Inseln Europas.
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Repräsentation aller Bevölkerungsschichten
Für den Linzer Stadtarchäologen Erwin Ruprechtsberger aber stellte sich die Frage, warum diese vier Eisendepots angelegt worden sind. Erwin Ruprechtsberger dazu: "Die Zusammensetzung der Depots repräsentiert alle Bevölkerungsschichten. Es sind die Handwerker und Bauern ebenso vertreten wie die Kriegerkaste."

Die regelmäßige Anordnung der Fundplätze weist darauf hin, dass es sich um Weihedepots handelt. Offensichtlich hatte jede Berufsgruppe einen Obolus entrichtet. Der Anlass war vermutlich die Fertigstellung der Wallanlage. Die drei Meter hohe Bruchsteinmauer war durch eine Holzkonstruktion gestützt und umschloss ein Siedlungsareal von mehreren Hektar. Dieser Bau war eine außerordentliche Gemeinschaftsleistung, deren erfolgreicher Abschluss rituell gefeiert wurde.
Gebrauchs - oder Weihegegenstände
Grundsätzlich kann der Metallurg durch die Analyse der Fundstücke feststellen, ob es sich um Gebrauchs - oder um Weihegegenstände handelt.

"Weihegegenstände sind meistens gegossen. Ihre mechanische Beanspruchung ist gering. Gebrauchsgegenstände dagegen müssen mehr Spannungen aushalten. Dies haben die vorzeitlichen Metallurgen durch Legierungsfeineinstellungen erreicht", erklärt Presslinger.
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Erzabbau vor 4000 Jahren
In den Alpen wurden bereits vor 4000 Jahren Erze abgebaut. Das begehrteste Metall war das Kupfer. Es wurde bis nach Böhmen und Mitteldeutschland gehandelt. Im Steirischen Liesingtal und Ennstal haben die Archäologen mehr als 100 Verhüttungsstätten gefunden. Das Kupfer war hier in einer vorindustriellen Perfektion verarbeitet worden. Im Salzachtal zwischen Bischofshofen und Mühlbach war ein weiteres Bergbaugebiet der Kupfer - und Bronzezeit. Sein Zentrum war der Arthurstollen.
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Schlacken weisen auf Schmelzvorgänge hin
Der Metallurg kann aus den Schlackenfunden auf die Schmelzvorgänge der bronzezeitlichen Hüttenleute schließen.

Hubert Presslinger: "Plattenschlacken sind deutlich zu unterscheiden von Laufschlacken. Plattenschlacken haben einen Schmelzpunkt von 1600 Grad und zeigen, dass das Rohprodukt umgeschmolzen worden ist. Die Laufschlacken zeigen, das hier das Metall aus dem Stein geschmolzen worden ist. Dafür benötigt man eine Temperatur von 1400 Grad."
Mehrere Schmelzvorgänge notwendig
Mehrere Schmelzvorgänge waren notwendig, um Stein und Metall voneinander zu trennen. Das Erz wurde zerkleinert und mit Holzkohle vermischt in den gemauerten Schmelzöfen erhitzt. Die gewünschte Temperatur wurde durch Luftzufuhr erreicht. Die Tondüsen der bronzezeitlichen Blasebalge haben die Qualität von moderner Industriekeramik.

Die wichtigste Ressource für den vorzeitlichen Bergbau war das Holz. Ganze Wälder mussten abgeholzt werden, um die erforderliche Menge an Holzkohle zu produzieren. Waren die ältesten Schmelzplätze noch in unmittelbarer Nähe der Stollen, wurden sie im Laufe der Jahrzehnte immer weiter weg verlegt. Die Hüttenleute wanderten dem Holz nach. Mit Körben wurde das Kupfererz mehrere Kilometer zu den Schmelzplätzen transportiert.
Legierungen mit Zinn und Arsen
In Verbindung mit Arsen, später mit Zinn legierten die bronzezeitlichen Hüttenleute einen Werkstoff, der hart genug war, Werkzeuge und Waffen herzustellen. Die Präzision ihrer Liegerungen lässt sich nicht nur aus den Werkstücken selbst, sondern auch aus den Schlacken ablesen. "Die chemische Zusammensetzung der Erze darf nur um 1 Prozent abweichen," meint Hubert Presslinger, "sonst 'friert' der Schmelzvorgang ein."

Aus den Metallproben, die der Metallurg dem Fundstücken entnimmt, ermittelt er die Herkunft des Erzes. Er rekonstruiert die Arbeitsprozesse der Bergleute. Aus der Zusammensetzung der Legierungen erkennt er das technisches Know How der vorzeitlichen Schmiede. Das hilft ihm, die Metallprobe konkreten Kulturkreisen zuzuordnen. Schwierig wird es erst dann, wenn die Fundstücke aus recyceltem Metall bestehen. Und das war bereits vor 4000 Jahren üblich.

Ein Beitrag von Margarethe Engelhardt-Krajanek für die Ö1-Dimensionen, Mi 19.00, 14.11.2001.
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01.01.2010