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Wie Elemente in Sternen entstehen  
  Über die Entstehung der chemischen Elemente in Sternen und über die Lebensgeschichte von Sternen im allgemeinen können Astronomen schon einiges erzählen. Doch neue Untersuchungen erlauben jetzt einen tieferen Einblick in die Wiege der Sterne und die "Geburt" ihrer Elemente.  
Dies berichten mit zwei Publikationen Stuttgarter Astrophysiker in den "Physical Review Letters". Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse aufwendiger experimenteller Messungen legen nahe, dass die Kapitel über die Entstehung der Elemente in den Sternen und über die Lebensgeschichte von Sternen neu konzipiert werden müssen.
->   Artikel in den "Physical Review Letters" (kostenpflichtig)
Wichtige Kernreaktionen
Einer internationalen Arbeitsgruppe am Institut für Strahlenphysik der Universität Stuttgart (IfS) ist es in Zusammenarbeit mit Forschern aus Athen, Mainz und Tübingen gelungen, mit verbesserten Messmethoden die beiden "wichtigsten" Kernreaktionen in Sternen neu zu vermessen.
Schlüssel zur Entstehung der Elemente
Bei der ersten der beiden Untersuchungen handelt es sich um die Fusion von Kohlenstoff mit Helium zu Sauerstoff (Physical Review Letters (Vol. 86, Nr. 15, 9. April 2001).

Die Stärke dieser Reaktion bestimmt maßgeblich die Häufigkeit und das Verhältnis der Elemente Kohlenstoff und Sauerstoff im Universum und damit auch auf unserem Planeten. Beiden Elementen kommt eine zentrale Rolle bei der Entstehung und der Existenz organischen Lebens zu.

Innerhalb eines Sternes wie unserer Sonne findet eine Kernfusion statt, bei der Wasserstoff-Kerne (Protonen) zu einem Heliumkern fusioniert werde. Deshalb strahlt ein Stern überhaupt.
->   Physical Review Letters (Vol. 86, Nr. 15, 9. April 2001 (kostenpflichtig)
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Wie Sterne entstehen
Sternbildungsprozesse beginnen in interstellaren Gaswolken aus einigen hundert oder tausend Sonnenmassen. Diese Wolken kontrahieren sich, wobei die Temperatur zunächst nicht ansteigt, da die freiwerdende Energie durch Strahlung abgeführt wird. Mit steigender Dichte wird die so genannte "Jeans-Masse" kleiner. Dadurch können sich in der Gaswolke getrennte Kondensationskeime bilden, die unabhängig voneinander kontrahieren. Mit zunehmender Kontraktion und Fragmentation werden die einzelnen Fragmente optisch dicht, die freiwerdende Energie kann nicht mehr entweichen und lässt die Temperatur steigen, wodurch die Kontraktion zum Stillstand kommt. Aus der Gaswolke entsteht ein Sternhaufen oder eine Assoziation von einigen hundert Sternen. Junge Sterne werden vor allem in den Spiralarmen der Milchstraße und von Galaxien gebildet.
->   Mehr zum Lebenslauf von Sternen
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Fusionsreaktion wichtig für schwere Elemente
Die Fusionsreaktion wirkt sich jedoch auch ganz entscheidend auf die Produktion der schweren Elemente in Sternen aus, da der überwiegende Teil der chemischen Elemente in Sternen über ein sehr komplexes Netzwerk von Kernreaktionen aus den leichtesten Bausteinen Wasserstoff und Helium gebildet wird.

Mit anderen Worten: Das "Baumaterial" für die schweren Elemente durchläuft in einer frühen Phase das Kohlenstoff- und Sauerstoffstadium, deshalb betrachtet man diese Reaktion als die Schlüsselreaktion der Nukleosynthese (Erzeugung größerer Atomkerne aus Protonen und Neutronen; Anm.).
Rote Riesen als Neutronenfabrik
Bei der zweiten fundamentalen Reaktion, die von der Stuttgarter Arbeitsgruppe untersucht wurde, handelt es sich um die wichtigste neutronenliefernde Reaktion, wie sie in den massereichen Sternen des Universums abläuft.

Bei ihr fängt ein Neon-22-Kern einen Heliumkern ein und daraus entsteht das für die weitere Elemententstehung so wichtige Neutron und ein Magnesium-25-Kern.

Die Neutronen sind für den Aufbau der schweren Elemente entscheidend, denn als ungeladene Teilchen können sie noch von Kernen schwerer als Eisen (Masse 56) eingefangen werden. Der Hauptteil der Elemente bis zur Masse 100 wird in den so genannten "Roten Riesen" erzeugt.
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Rote Riesen als Sternen-Endstadium
Diese Sterne sind in der Regel etwa 15 bis 50 mal schwerer als unsere Sonne und in ihrem Innern herrschen Temperaturen von etwa 200 Millionen Grad. Die extrem hohen Temperaturen blähen die Riesensterne immer weiter auf; unsere Sonne wird in ihrem Endstadium als Roter Riese bis etwa zur Marsbahn reichen. Als Brennstoff haben die Roten Riesen ihren Vorrat an Wasserstoff verbraucht und nur noch Helium zurückbehalten. Die Temperaturen sind nun jedoch so hoch, dass Reaktionen mit Helium einsetzen können, in deren Verlauf auch immer mehr Neutronen für die schweren Elemente erzeugt werden.
->   Mehr zu Roten Riesen
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Kohlenstoff-Helium-Fusion
Um astrophysikalische Reaktionen wie die Kohlenstoff-Helium-Fusion oder die Neutronenproduktion, innerhalb einer erträglichen Zeitspanne von Wochen oder Monaten messen zu können, obwohl sie doch in den Sternen während Jahrmillionen bis -milliarden ablaufen, braucht man geeignete experimentelle Bedingungen.

Trotz der hohen Temperaturen im Sterninnern verlaufen die allermeisten Kernreaktionen sehr langsam. Und die messbare Strahlung der experimentell im Labor erzeugten Reaktionen ist so schwach, dass man sehr viel an Technik aufbieten muss, um sie aus allen Störfaktoren wie der allgegenwärtigen Untergrundstrahlung und der kosmischen Höhenstrahlung herausfiltern zu können.
Dynamitron schießt auf Rhinoceros
Die Stuttgarter Forscher profitierten dabei zunächst von der hohen Teilchenintensität, die der DYNAMITRON-Beschleuniger des Instituts für Strahlenphysik der Universität Stuttgart leistet und der sich daher für astrophysikalische Experimente besonders eignet.

Zur Untersuchung der Reaktionen von Gasatomen mit Ionenstrahlen haben die Stuttgarter Physiker speziell eine wandlose Gastargetanlage entwickelt - zunächst zur Erforschung nuklear gepumpter Laser, die wegen ihrer Masse "RHINOCEROS" genannt wird.
Neu entwickelter Neutronendetektor
Damit ist es möglich, einen Projektilstrahl direkt aus dem Hochvakuum in ein Gasvolumen zu schießen, ohne dass dieser Strahl irgendeine störanfällige und hemmende Trennfolie durchdringen muss.

Ein neu entwickelter Neutronendetektor weist von den gesuchten Neutronen jedes zweite nach, was dem bislang technisch Erreichbaren so nahe kommt, dass die Messungen zur Neutronenentstehung mit hoher Empfindlichkeit durchgeführt werden konnten.
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Neue Reaktionsrate aufgestellt
In beiden Experimenten ist die Wahrscheinlichkeit der Reaktion äußerst gering und der Ablauf gleichzeitig hochkomplex. Dennoch benötigt man eine Menge an Experimentaldaten, die auch für die Extrapolation in zeitlich nicht mehr messbare Bereiche verwendet werden können. Die Reaktionsraten der Stuttgarter Gruppe, das Endprodukt aller Experimente, Messungen und Interpolationen, unterscheiden sich im Absolutwert von derjenigen anderer Forschungsgruppen. Ganz entscheidend ist jedoch, dass die Fehlergrenzen, also der Bereich der Unsicherheit, bei den neuen Reaktionsraten deutlich reduziert werden konnte. Denn die gesteigerte Empfindlichkeit hat große Auswirkungen auf die Fehlerquote bei der Umsetzung der Daten in die daraus abgeleitete Erklärung der Sternentwicklung.
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Akzeptable Unsicherheit
Mit den Stuttgarter Messungen konnte bei der Neon-Reaktion die Unsicherheit von einem Faktor 500 auf lediglich 5, also um das Hundertfache gesenkt werden.

Eine weitere Steigerung wäre nur denkbar, wenn man die Experimente, also die gesamte Laboranlage, einen Kilometer tief unter die Erdoberfläche verlegt, um der störenden Höhenstrahlung zu entgehen.

"Die in unseren Messungen gewonnenen neuen Daten werden neue Berechnungen zur Nukleosynthese und zu den Sternmodellen möglich, aber auch erforderlich machen", sagt Dr. Wolfgang Hammer, Leiter der Astrophysik-Arbeitsgruppe am IfS.
->   Institut für Strahlenphysik, Universität Stuttgart
->   Physikalisches Institut der Universität Tübingen
->   Institut für Kernchemie, Universität Mainz
 
 
 
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01.01.2010