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Neue Gentherapie: Hautsalbe mit Erbinformation  
  Deutsche Hautärzte haben eine neue Art von Gentherapie entwickelt: Eine Creme, die Erbinformationen in den Körper transportieren kann. Diese "Gen-Salbe" soll es möglich machen, Eiweißstoffe wie Kollagen direkt in der Haut herzustellen.  
Wie der Dermatologe Ulrich Hengge von der Universitäts-Hautklinik Essen, der die Creme entwickelt hat, erklärt, könnte man die Gen-Creme in Zukunft für die Schönheit nutzen.
Creme gegen Hautalterung
"Es ist vorstellbar, dass es in mehreren Jahren zu einer Gen-Creme kommen wird, die in der Haut, z.B. im Gesicht notwendige Proteine wie Collagene oder verschiedene Elastin-Bestandteile herstellen kann, so dass die Hautalterung und die Faltenbildung dadurch positiv beeinflusst werden kann", so Hengge.

Doch die Methode könnte nicht nur der Schönheit dienen. Als Medikament könnte eine solche Creme nämlich auch in der Behandlung von Hautkrankheiten eingesetzt werden.
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Die Haut - größtes Organ des Menschen
Die Haut ist das größte Organ des Menschen. Abhängig von der Körpergröße und vom Körpergewicht beträgt ihre Oberfläche 1,5-2 m2 und sie besitzt eine Masse von 3,5-10 kg. Die Aufgaben dieses Organs sind vielfältig. Als mechanische und chemische Barriere schirmt sie die inneren Organe von der Umwelt ab. Sie ist Teil des Immunsystems, hält die Wärmeregulation aufrecht und stellt ein Sinnesorgan dar. Den vielfältigen Funktionen der Haut entspricht ihr Aufbau in verschiedenen Schichten. Man unterscheideit die Oberhaut, die Lederhaut und das Unterhautfettgewebe.
->   Mehr zum Aufbau der Haut
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Neue Art von Gentherapie
Die Creme ist allerdings keine übliche Antifalten-Tinktur, auch nicht das langersehnte Wundermittel für die ewige Jugend, sondern eine völlig neue Art der Gentherapie.

Seit einigen Jahren weiß man bereits, dass die Zellen der Oberhaut die Fähigkeit haben, DNA aufzunehmen und nach diesem Bauplan entsprechende Proteine herzustellen. Bisher wurde das Erbgut in die Haut gespritzt. Das ist mit der Gen-Creme nicht mehr nötig.
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So funktioniert die Gen-Creme:
Der Trick der neuen Gen-Creme: die Erbinformation wird in spezielle Fettkügelchen, so genannte Liposomen verpackt. Die Fettkügelchen verschmelzen mit der Hautoberfläche und geben die genetische Information für die Herstellung von Proteinen an die Oberhautzellen ab. Nach dieser "Bauanleitung" produzieren dann die Hautzellen die gewünschten Eiweißstoffe, zum Beispiel Kollagen und Elastin. Die Hautzellen werden zu "Mini-Bioreaktoren". Die Jugend aus der Tube rückt in greifbare Nähe. Eine solche Schönheitscreme wäre allerdings kein Kosmetikum, sondern ein Medikament und müsste vom Arzt verschrieben werden.
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Nachweis im Tierexperiment geglückt
Dass die Gen-Creme tatsächlich funktioniert, das haben die Wissenschaftler in Essen zunächst an Mäusen nachgewiesen. Danach auch an Tieren, die eine Haut haben, die der des Menschen sehr ähnlich ist: an Schweinen. Und zwar an einer Schweinerasse, die speziell für die Forschung gezüchtet wird, "Mini-Pig" genannt.

Die Creme wird auf die Haut der Schweine aufgetragen und nach einigen Stunden entnehmen die Forscher eine kleine Hautprobe. Drei bis sechs Stunden nach dem Eincremen lässt sich das gewünschte Protein in den Hautzellen nachweisen und wird dort noch drei bis sieben Tage weitergebildet.
Vorteile der Gen-Creme

Die Gen-Salbe hat viele Vorteile gegenüber dem direkten Zuführen von Proteinen: Diese lösen nämlich häufig unerwünschte Abwehrreaktionen aus. Biotechnologisch hergestellte Eiweißstoffe sind zudem oft nicht gut haltbar und werden rasch wieder abgebaut.

Dagegen zeigen die mikroskopischen Untersuchungen der Hautproben, dass die über die Creme eingeschleuste DNA (auf dem Bild blau eingefärbt) in den Hautzellen tatsächlich die gewünschten Proteine herstellt.
Sichere Methode
Zudem soll die Methode völlig sicher sein: die Eiweißstoffe werden nur in der Oberhaut gebildet. Die Gen-Veränderung kann also nicht weitervererbt werden, da die Erbinformation nicht in andere Zellen bzw. Zellkerne eindringt.
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Milliardengeschäft Kosmetik
14 Milliarden Schilling gaben die Österreicher im vergangenen Jahr für Kosmetika aus, mehr als ein Fünftel davon für die Gesichtspflege. Die Werbung suggeriert: die neuen Generationen von High-Tech-Cremen können nicht nur die Haut schützen, sondern auch Falten glätten, Sonnenschäden reparieren und die Hautalterung aufhalten. Glaubt man den Versprechungen der Kosmetikindustrie, so scheinen ihre Forschungslabors den Schlüssel für glatte, jugendliche Haut bereits gefunden zu haben. Raffinierte Untersuchungsmethoden liefern den wissenschaftlichen Nachweis, dass die Faltentiefe abnimmt. Obwohl die Wirkung der teuren Cremen mit freiem Auge nicht zu sehen ist. Auch viele Hautärzte bezweifeln, dass die teuren Mittelchen ausreichend Wirkstoffe tief genug in die Haut einschleusen, um tatsächlich der Hautalterung entgegenzuwirken. Die ewige Suche nach dem Jungbrunnen geht also weiter.
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Für eine schmerzfreie Impfung
Die Forscher in Essen wollen ihre Gen-Creme nicht nur gegen Falten einsetzen, sondern zum Beispiel auch für schmerzfreie Impfungen. Denn mit Hilfe der Creme kann auch Erbgut in die Haut eingeschleust werden, das eine Abwehrreaktion gegen gefährliche Krankheitserreger auslöst.

In der Haut sitzen die Langerhans-Zellen, Außenposten des Immunsystems. Sie nehmen die fremden Proteine aus der Gen-Salbe auf, wandern zu den Lymphknoten und stimulieren so das Abwehrsystem im ganzen Körper.

"So kann man Kindern den schmerzhaften Einstich der Nadel vorenthalten," beschreibt Hengge den Vorteil seiner Entwicklung.
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Vorsicht bei Kosmetika
Vorsicht ist angebracht bei der Verwendung von Gesichtscremes: Wie das Verbrauchermagazin "Öko-Test" in seiner Oktober-Ausgabe berichtete, enthalten zahlreiche Gesichtscremes für strapazierte Haut nach Angaben des schädliche und zum Teil Krebs erregende Stoffe.
->   Mehr dazu in science.orf.at
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Neue Behandlung von Hautkrankheiten
Die Gen-Creme kann neben den erwähnten Proteinen aber auch die Produktion anderer Stoffe anregen wie etwa Gerinnungsfaktoren für das Blut oder Insulin, das Zuckerkranken fehlt.

Auch Patienten mit Hautkrankheiten wie Neurodermitis oder Schuppenflechte könnten von dieser neuen Gen-Therapie profitieren. Und nicht zuletzt könnte die Creme in Zukunft in der Behandlung von Hautkrebs eingesetzt werden: Sie könnte dem Körper helfen, Abwehrstoffe gegen Hautkrebs herzustellen.

Sylvia Unterdorfer, Modern Times
->   Modern Times
->   Universitäts-Hautklinik Essen
 
 
 
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01.01.2010