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Wie Hochtechnologie den Stephansdom verschönert  
  Jahrelang war und ist der Stephansdom in ein Baugerüst eingekleidet. Das soll sich jetzt mittels modernster Technologie ändern. Denn zunehmend wird die mittelalterliche Handwerkstradition des Steinmetz durch Lasertechnologie ersetzt.  
Der Dom im Computer
Die Dombauhütte zu St. Stephan, verantwortlich für die Restaurierung und Erhaltung des Doms, geht jetzt neue, computergesteuerte Wege.

Befremdende Optik im Büro der Dombauhütte am Stephansplatz: wo bisher mühsam mit den bis zu fünf Meter langen Originalplänen, einzigartigen Dokumenten mittelalterlicher Baukunst, hantiert werden musste, sitzen die Ingenieure jetzt vor Hochleistungscomputern.

Schäden und Erhaltungsarbeiten werden am 3D-Modell des Doms Stein für Stein kartiert. In gemeinsamer Arbeit mit Partnern im italienischen Urbino und im deutschen Regensburg entstand mit CATHEDRAL.IT ein einzigartiges Datenbankprogramm für historische Bauwerke.

Ursprüngliches Ziel war die Dokumentation der Restaurierungsarbeiten am Dom. In der Entwicklung des Programms haben sich neue Aspekte ergeben. So sollen sich am PC-Modell künftig auch Umweltbelastungen und Witterungseinflüsse simulieren lassen.

Damit wird ein Vorsorgeprogramm für den Dom möglich. Bisher wurde nur dort gearbeitet, wo auch akute Schäden auftraten. Gearbeitet wird mit Lasertechnologie.
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3D-Laserscan zur Datenerfassung
Als größtes Problem stellte sich anfangs die Erfassung der Architekturdaten dieser komplexen Bauwerke dar. Basis waren die mittelalterlichen Pläne, soweit sie noch vorhanden sind. Mehr als ein Gerüst war damit freilich nicht gegebenen. Im Projekt CATHEDRAL. IT mussten also neue Technologien zur Erfassung von Architekturdaten erforscht und getestet werden. Als optimal hat sich die 3D-Lasertechnologie erwiesen. Damit können Architekturdaten mit einer Genauigkeit im Millimeterbereich erfasst werden. Der in Wien getestete Laser erlaubt diese Messungen aus Distanzen bis zu 60 Metern, wobei die Aufnahmezeit für die volle Auflösung von 1200x8000 Punkten bei rund 2 Minuten liegt. Dieses System garantiert sogar eine Genauigkeit im Bereich von wenigen Zehntelmillimetern - für den Dom zuviel des Guten.
->   octocom.de
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Vom Pixelchaos zum 3D-Modell
Das größte Problem ist die Nachbearbeitung der vom Laser gelieferten Datenmenge. Der Scanner produziert
dreidimensionale Pixelwolken mit gewaltigen Datenmengen, ein kaum überschaubares Chaos.

Diese Daten werden mit einer speziellen Software zu so genannten "Dreiecks-Vermaschungen" umgerechnet. Dann wird der Scan bereinigt: störende Elemente, wie zum Beispiel die Baugerüste am Dom, oder der Pflanzenbewuchs werden herausgerechnet.

Der nächste Schritt ist das Zusammenfügen der von verschiedenen Positionen aus aufgenommenen Bilder zum 3D-Modell.

Allerdings hat auch der Laser seine Defizite. Wo das Gerät nicht "hinsehen" kann, z.B. in tote Winkel, braucht es ergänzendes Material. Am Stephansdom behilft man sich mit hochauflösenden Rasterkameras und konventionellen Vermessungsmethoden.
Der Stephansdom als virtueller Baukasten
Mit dem Laserscan wurden, zwar nicht in Wien, wohl aber im Partnerdom Regensburg, auch komplexe Gewölbestrukturen vermessen. Das soll in weitere Folge auch in Wien geschehen. Endziel ist eine Art von "Explosionsmodell" des Doms - die Zerlegung in einzelne Konstruktionselemente und letztlich in einzelnen Steine.

Was technisch bereits zu realisieren wäre, scheitert - noch - an den zu hohen Kosten. Die entsprechende Software ist zwar verfügbar, aber zu teuer. Verwendung finden derartige Programme z.B. in der Filmindustrie bei der Konstruktion virtueller Filmkulissen.
Orientierung und Ergänzung
3D-Modelle des Doms dienen also vorläufig nur der Orientierung und ergänzen das 2D-Programm, mit dem schon länger gearbeitet wird.

Eine abgespeckte Variante des virtuellen Doms wird demnächst übers Internet abrufbar sein. Das derzeit erarbeitete Modell ist mit seiner Fülle an Details einfach zu umfangreich, um ins Netz gestellt zu werden.

Das 3D-Modell bietet im Übrigen ein Bild des Stephansdoms, das seit Baubeginn im Mittelalter noch nicht zu sehen war: Der Dom in vollendeter Schönheit und erstmals in seiner 900-jährigen Geschichte ohne Baugerüst.

Gerhard Roth, Modern Times
->   Modern Times
 
 
 
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01.01.2010