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Leoniden 2001, möglicherweise eine Sensation?  
  Es gibt eine ganze Reihe von Meteorströmen, die jedes Jahr zu recht genau wiederkehrenden Terminen zu sehen sind. Die meist ergiebigsten darunter sind die Perseiden um den 12. August und zum jetzigen Zeitpunkt die Leoniden um den 18. November. Genannt werden diese Meteorströme oder -schauer nach den Sternbildern, aus deren Richtung sie zu kommen scheinen - ein rein optischer Effekt, vergleichbar etwa dichtem Schneegestöber im Licht der Autoscheinwerfer.  
Meteore sind kosmische Staubkörner - oft nur wenige Millimeter, manchmal groß wie eine Faust oder noch größer - Material, das Kometen bei Annäherung an das innere Sonnensystem und besonders beim Vorbeiflug in Sonnenähe verloren haben.

Es verteilt sich allmählich entlang der Kometenbahn als längliche Wolke, die von der Erde auf ihrem Jahresumlauf mehr oder weniger genau gekreuzt wird. Die Atmosphäre nimmt diese Partikel quasi wie ein Staubtuch auf und lässt sie infolge der Reibung verglühen.
Genauere Berechnungen
In den letzten Jahren wurden die Berechnungen immer genauer, sodass man heute fast auf die Minute vorhersagen kann, wann die höchsten Fallraten (Meteore pro Stunde) zu erwarten sind.

Tatsächlich liegen diese Maxima in der Realität bisweilen etwas anders - eine Folge des Umstandes, dass die unsichtbaren Staubwolken noch immer nicht so genau zu lokalisieren sind, als man dies möchte.

Auch treffen die ziffernmäßig prognostizierten Fallraten nicht immer genau zu, und des öfteren werden Interessierte nach weit übertriebenen Medienberichten enttäuscht.
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Aus dem Sternbild des Löwen
Im jetzt auftretenden Fall der Leoniden, der Sternschnuppen, die aus dem Sternbild Löwe zu kommen scheinen und mit mehr als 70 km pro Sekunde auf unsere Atmosphäre treffen, handelt es sich um Material des periodischen Kometen "55P/Tempel-Tuttle, der alle 33 Jahre seinen sonnennächsten Punkt (Perihel) passiert und hier besonders viel Substanz einbüßt. Das letzte Mal war das im Jahr 1998 der Fall, und seit damals hat sich die Anzahl der beobachteten Leoniden merklich erhöht, besonders im November 1999.
->   Mehr zum Leoniden-Schauer 2001
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Eindeutige Prognose
Für heuer wurden zwar verschiedene Rechenmodelle angewandt, die Vorhersage ist dennoch ziemlich eindeutig: 2 Maxima sind zu erwarten: das erste am 18. November um 11 h MEZ, das zweite, viel höhere, etwa 8 Stunden später um 19 h.

Diese Häufigkeitsanstiege sind extrem spitz, also ist nur bis etwa eine Stunde vorher oder nachher kaum etwas zu sehen.
2500 Meteore pro Stunde?
Um 11 h könnten es 2500 Meteore pro Stunde sein, um 19 h sogar bis zu 15000. Aber diese Zahlen sollten nicht allzu große Euphorie wecken, denn erstens können sie erheblich unterschritten werden, und zweitens liegen die beiden Termine für Mitteleuropa denkbar ungünstig.

Um 11 h erlaubt die Tageshelligkeit keine Beobachtungen, und um 19 h ist es zwar längst dunkel, doch befindet sich das Sternbild Löwe noch so tief unter dem östlichen Horizont, dass nur wenige Meteore im Horizontdunst zu sehen sein dürften.

Aber die Maxima können etwas verschoben und auch weniger spitz sein, soll heißen, dass in Mitteleuropa sowohl vor der Morgendämmerung des 18.11. als auch vom Abend bis etwa Mitternacht Meteorschauer nicht ausgeschlossen sind. Beste Plätze sind zweifellos Ostasien und - für das kleinere Morgenmaximum - Nordamerika.
Besseres Verständnis der Materie
Die wissenschaftliche Bedeutung von Meteorbeoachtungen und -zählungen nimmt zu. Es geht um das bessere Verständnis des Verhaltens der Materie in der Kometenbahn, und dazu kommen andere spannende Erkenntnisse - etwa im Zusammenhang mit unserem Mond.

1999 wurden nämlich Meteoriteneinschläge auf dem Mond (unbeleuchtete Seite) eindeutig gesehen, die kurzen Lichtblitze mit Videokameras erfasst und so lokalisiert.

Warum das nicht auch zu anderen Zeiten möglich ist, liegt an der besonders hohen Geschwindigkeit der Leoniden, die sich nahezu auf genauem Kollisionskurs zum System Erde - Mond befinden. Dies erhöht die Energie beim ungehemmten Aufprall auf der Mondoberfläche.
Auch heuer gute Position
Auch heuer ist die Position des Mondes dem Winkel nach günstig genug für etliche heftige Einschläge. Ob sie beobachtbar sind, hängt zum einen von der jeweils frei werdenden Energie ab, zum anderen von den Beobachtungsbedingungen: am 18. November wäre es in Österreich um etwa 17.00 Uhr dunkel genug.

Der zunehmende Mond steht sehr tief im Südwesten und geht etwa 1.5 Stunden später schon unter. Das "Mondfenster" ist also denkbar kurz, und der Horizont muss möglichst wolkenfrei sein. Dahingegen ist die Sichel schmal, der unbeleuchtete Teil dementsprechend groß.

Die möglichen Lichtblitze entsprechen ungefähr Sternen zwischen 6. und 8. Größe, was im Bereich schon sehr kleiner Fernrohre liegt. Dabei aber sollte man versuchen, die beleuchtete Mondsichel ganz außerhalb des Gesichtsfeldes zu halten, um jede Blendung zu vermeiden.
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Was sind Kometen?
Ein Komet besteht aus dem Kometenkern und der ihn umgebenden, diffus leuchtenden Koma. Bei Annäherung an die Sonne entwickelt sich ein Schweif, dessen Richtung stets von der Sonne abgewandt ist. Der Schweif besteht hauptsächlich aus Kohlenoxid- und Stickstoff-Ionen, die durch Repulsivkräfte sowie durch elektrisch geladene Teilchen der Sonne aus der Koma herausgeschleudert werden. Staubteilchen bilden den Schweif Typ II, da sie sich langsamer wegbewegen. Die Schweife großer Kometen haben oft eine Länge von 100 Mio. km und mehr und können sich in Erdnähe über den halben Himmel erstrecken. Die Gasdichte im Schweif beträgt nur ein Zehntausendstel der Gasdichte im extremsten heute herstellbaren "Hochvakuum". Kometen sind instabile Gebilde; ihr Zerfall ist vielfach beobachtet worden.
->   Mehr zu Kometen
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Leonideneinschläge auf dem Mond
Schon vor dem Jahr 1999 konnten Leoniden-Einschläge auf dem Mond indirekt nachgewiesen werden, und zwar so: der Mond galt lange als absolut atmosphärenlos - das stimmt nicht ganz. Es gibt unglaublich geringe Gaskonzentrationen in Bodennähe, darunter etwa 50 Natrium-Atome pro Kubikzentimeter.

Diese an sich verschwindende Natrium-Konzentration erhöhte sich nach dem Leonidenereignis des Jahres 1998 so erheblich, dass sie als extrem schwach leuchtender Schweif des Mondes (von der Sonne weg gerichtet) für Spezialkameras der Bostoner Universität erfassbar war.
Geringe Chance von Einschlägen in Mondpole
Ein weiterer Aspekt wäre die (geringe) Chance von Einschlägen im Bereich der Mondpole, wo ja Wassereis vermutet wird. Die Sonde Lunar Prospector ließ man in Polnähe aufschlagen, beobachtet wurde nichts.

Leoniden-Partikel treffen aber erheblich schneller auf, daher bestünde theoretisch die Möglichkeit, den durch ultraviolettes Sonnenlicht in OH dissoziierten Wasserdampf spektrometrisch zu erkennen.
Spektakuläres unwahrscheinlich
Wie auch immer, Beobachter in Österreich können am 18.11. vor Sonnenaufgang, mit mehr Chance vom Dunkelwerden bis etwa Mitternacht Leoniden-Meteore sehen. Die Wahrscheinlichkeit für einen spektakulären Sternschnuppenregen bleibt in unserer Weltgegend gering. Ungleich größer ist sie in Asien.

Nächstes Jahr liegt das Maximum um 4 h früh, daher für Mitteleuropa viel günstiger. Allerdings wird der fast volle Mond als "Lichtverschmutzer" störend wirken. Ideal sind die Beobachtungsbedingungen für solche Ereignisse selten - außerdem: wer garantiert schon für klaren Himmel....

Peter Sterzinger, Ö1-Wetterredaktion
->   Mehr zu Asteroiden und Kometen bei der NASA
 
 
 
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01.01.2010