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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Treibhausgase: EU-weite Untersuchung der Wälder
Gastbeitrag von Sophie Zechmeister-Boltenstern und Ernst Leitgeb
 
  NOFRETETE ist der Name eines neuen EU-Forschungsprojekts, in dem der Einfluss der Wälder Europas auf die Treibhausgasbilanz untersucht wird. Erste Ergebnisse aus Österreich liegen über den Wienerwald vor.  
Die Forstliche Bundesversuchsanstalt in Wien arbeitet bei NOFRETETE mit deutschen, dänischen, norwegischen, finnischen, britischen, niederländischen und italienischen Forschungsinstitutionen zusammen.
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Autorin und Autor
Univ.-Doz. Dr. Sophie Zechmeister-Boltenstern und Dipl.-Ing. Dr. Ernst Leitgeb arbeiten am Institut für Forstökologie der Forstlichen Bundesversuchsanstalt (FBVA).
->   FBVA, Institut für Forstökologie
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Bodenbakterien beeinflussen unser Klima
Die in den letzten Jahren beobachtete globale Klimaveränderung wird u.a. mit dem Konzentrationsanstieg der Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas (N2O) in der Atmosphäre in Zusammenhang gebracht. Dieser Anstieg ist nicht nur durch Verbrennung fossiler Energieträger verursacht.

Auch die Veränderungen der Bodennutzung beeinflussen die Chemie der Luft. Wo vor etwa 100 Jahren die Erde von einem dichten Grüngürtel aus Wäldern, Wiesen und Ackerland umgeben war, hat sich inzwischen Verbauung, intensive Landwirtschaft, Massentierhaltung und Waldrodung verbreitet.
Was haben diese Veränderungen nun mit der Luft und dem Klima zu tun?

Automatische Messkammern zur Bestimmung des Gasumsatzes in einem Waldboden (Höglwald, BRD). Im Hintergrund Messeinrichtung zur Analyse des Stammabflusses.
Die Landnutzung beeinflusst die Atmungsaktivität von Bodenbakterien. Diese winzigen Lebewesen arbeiten unter der Erde und sind für Bodenfruchtbarkeit und die Bereitstellung von Nährstoffen für Pflanzen verantwortlich. Ein Quadratmeter Boden enthält Milliarden dieser Lebewesen.

Naturnahe Waldböden in Reinluftgebieten findet man heute noch z.B. in Irland. Dort wird von den Bakterien Methan aus der Luft abgebaut, Lachgas verbraucht und von Pflanzen fixiertes Kohlendioxid in Humus eingebaut. Die im Wald lebenden Bakterien helfen also die Luft zu verbessern und Treibhausgase zu beseitigen.

Bei steigender Luftverschmutzung verlieren die Bakterien die Fähigkeit zur Luftreinigung. Wird ein Boden mit Mineraldünger gedüngt oder gepflügt, so kann er von einem Verbraucher zu einem Erzeuger von Treibhausgasen werden. Verändert man die Baumartenzusammensetzung in einem Wald, so verändert man gleichzeitig die Gemeinschaft der Bodenlebewesen und deren Nutzen.
Auch im Wald herrscht dicke Luft

Nahaufnahme einer automatischen Messkammer zur Bestimmung des Gasumsatzes in einem Waldboden.
In den letzten Jahrzehnten hat der Mensch nicht nur das Kohlendioxid in der Atmosphäre ansteigen lassen. Es ist auch zu einer Beschleunigung des globalen Stickstoffkreislaufs gekommen.

Stickstoff ist ein wichtiger Bestandteil unserer Nahrung, den wir vor allem mit Eiweiß bzw. Tierprodukten zu uns nehmen. Freisetzung von Ammoniak aus intensiver Viehzucht sowie von Stickoxiden aus Verbrennungsprozessen, führten jedoch dazu, dass diese Stickstoff-Verbindungen vermehrt auch in Wälder gelangen. Sie werden mit dem Regen aus der Luft ausgewaschen und gelangen so in den Boden.

Die Bodenbakterien können den zusätzlichen Stickstoff oft nicht verwerten, also verwandeln sie ihn in Gase, die sich in der Luft anreichern. Das heißt, auch im Wald herrscht dicke Luft: Stickoxide, Lachgas und Ozon machen sich breit. Diese Vorgänge und ihre Bedeutung für die Zukunft werden an der Forstlichen Bundesversuchsanstalt seit 1996 untersucht.
->   Forstliche Bundesversuchsanstalt
Wienerwald: Je stadtnäher, desto mehr Lachgas

Automatische Messkammern zur Bestimmung des Gasumsatzes in einem Waldboden neben Regensammlern und Streusammlern.
Die bisherige Forschungsarbeit von Univ.-Doz. Dr. Sophie Zechmeister-Boltenstern am Institut für Forstökologie (Leiter: Dipl.-Ing. Dr. Ernst Leitgeb) der Forstlichen Bundesversuchsanstalt ergab folgende Ergebnisse: Im stadtnahen Wienerwald werden im Jahr rund drei Kilogramm Lachgas-Stickstoff und drei Tonnen Kohlendioxid pro Hektar von Bodenbakterien ausgeatmet.

In einiger Entfernung von der Großstadt Wien hingegen, wo die Luft sauberer ist und weniger Stickstoff in den Wald gelangt, wird nur ca. halb so viel Lachgas frei. Lachgas ist deshalb so unangenehm, da es eine besonders starke Klimawirkung und eine lange Lebensdauer hat.
NOFRETETE und die Treibhausgasbilanz
Im Rahmen des EU-Forschungsprojekts NOFRETETE soll nun erforscht werden, welchen Einfluss Europas Wälder auf die Treibhausgasbilanz haben, und wie sie auf zusätzliche Stickstoffeinträge reagieren können.
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NOFRETETE
NOFRETETE ist die Abkürzung für "Nitrogen oxides emissions from European forest ecosystems". Das Projekt wird von Priv.-Doz. Dr. Klaus Butterbach-Bahl, vom Fraunhofer Institut für Atmosphärische Umweltforschung in Garmisch-Partenkirchen koordiniert.
->   Fraunhofer Institut für Atmosphärische Umweltforschung, Garmisch-Partenkirchen
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EU-weite Forschung
Von Italien bis Finnland werden verschiedenste Waldtypen rund um die Uhr untersucht und der Gasumsatz der Bakterien wird unter die Lupe genommen. Mittels vorhandener Datenbanken zur Waldverteilung, Klima und Boden sowie mit mathematischen Modellen soll errechnet werden, was die Zukunft diesbezüglich für uns bringen wird.

Europa besteht zu 36 % aus Waldfläche. In Österreich sind es sogar 47 %. Selbst wenn sich die Aktivität der Bodenbakterien nur geringfügig verändert, kann dies globale Auswirkungen haben. Ein Grund mehr, sich zu überlegen, wie man Emissionen mindern und nachhaltiger mit unseren Ressourcen umgehen könnte.
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Vortrag
Am 12. Dezember um 15 Uhr hält Univ.-Doz. Dr. Sophie Zechmeister-Boltenstern in der FBVA-Vortragsreihe "Waldforschung aktuell" einen Vortrag zu dem Thema: "Stickstoffoxid-Emissionen aus Wäldern - Neue Erkenntnisse und Vorstellung des EU-Projekts NOFRETETE"
(Ort: Forstliche Bundesversuchsanstalt Wien Schönbrunn).
->   Mehr über den Vortrag
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01.01.2010