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Wiener AKH: Gen-Chip für Brustkrebsforschung  
  In Zukunft sollen Tausende auf einem Glas-Chip verankerte DNA-Proben die Diagnose von bösartigen Krebserkrankungen revolutionieren. Zusätzlich sollen sie auch die Entwicklungszeit für Arzneimittel abkürzen. Am Wiener AKH wird nun an einem speziellen Brustkrebs-Chip gearbeitet.  
Die Wissenschaftler von der Abteilung für Spezielle Gynäkologie unter der Leitung von Ernst Kubista arbeiten momentan an der Entwicklung eines Gen-Chips, der speziell für die Brustkrebsforschung gedacht ist und eine besonders genaue Diagnose ermöglichen soll.
Zweiter Ansatz: Hormontherapie
Parallel dazu geht es bei den Forschungsarbeiten des AKH-Teams auch um direkte Therapiemöglichkeiten, genauer gesagt um die so genannte Hormontherapie gegen Mammakarzinome.
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Brustkrebs in Österreich
Jede 10. Frau ist von Brustkrebs betroffen. Die Häufigkeit von bösartigen Mammakarzinomen steigt jährlich um ca. ein bis drei Prozent an. Im Moment erkranken in Österreich jährlich ca. 4.400 Frauen, Tendenz steigend. Die Mortalitätsrate, also die Zahl der Todesfälle, ist aber glücklicherweise leicht sinkend bis stagnierend.

Links zum Thema:
Österreichische Krebshilfe
netdoktor.at: Informationen zu Brustkrebs
www.brustkrebs-lexikon.de: Rund 800 Stichworte zum Thema Brustkrebs
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Hormontherapie: Weniger belastend
"Für Fragestellungen rund um die Wirksamkeit einer Chemotherapie hat es bereits solche Arbeiten gegeben. Ich glaube aber, dass die im Vergleich zu den Zytostatika weniger belastende Hormontherapie bzw. eine Behandlung mit ähnlich wirkenden Substanzen eine Zukunft haben wird. Daher entwickeln wir den Chip speziell für diese Fragestellungen", erklärt Kubista gegenüber der APA.
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Hormontherapie bei Krebs
Körpereigene Hormone können eine wachstumsfördernde Wirkung auf Tumorzellen ausüben. Die Wegnahme eines solchen "hormonellen Wachstumsreizes" kann das Tumorwachstum unter Umständen über längere Zeit stoppen.

Vor allem auch Brustkrebs zählt zu den mit einer Hormontherapie behandelbaren Krebserkrankungen, in diesem Fall ist es das weibliche Hormon Östrongen, das die wachstumsfördernde Wirkung ausübt. Eine Möglichkeit - vor der Menopause der Patientin - ist etwa das medikamentöse "Ausschalten" der noch aktiven Eierstöcke als Bildungsstätte von Östrogen.
->   Mehr Informationen dazu
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Eigene Gen-Chips werden hergestellt
Bisher wurde noch mit angekauften Chips gearbeitet, doch Martin Schreiber, Margit Pacher und die übrigen Mitglieder des Teams sind gerade dabei, eigene Gen-Chips herzustellen.

Dabei werden so genannte cDNA-Fragmente ("Copy-DNA) auf den speziell behandelten Glas-Objektträgern fixiert. Danach kann getestet werden, ob die Zellen der Gewebeprobe von Patientinnen ein ähnliches oder ein anderes Aktivierungsmuster bei vielen verschiedenen Genen aufweisen.
->   Was ist cDNA?
Unterscheidung zwischen "gesund" und "krank"
"Wir haben Gen-Fragmente herausgefiltert, deren Expression (Aktivierung, Anm.) zwischen gesundem Brustkrebsgewebe und Brustkrebszelllinien, Primärtumor- und Metastasengewebe unterscheidet. Diese Fragmente wollen wir nun auf DNA-Chips aufbringen und damit Gewebeproben untersuchen", erklärt Pacher.

In anderen Worten: Die "Differenz" zwischen den Gen-Aktivierungsmustern der einzelnen Proben, macht sozusagen den molekularbiologischen Unterschied zwischen Gesundheit und Krankheit aus. In diesem Unterschied müssen aber auch die Ziele für zukünftige Therapieansätze "versteckt" sein.
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US-Studie: Bioinformatik-Boom
Laut einer Studie über den US-Markt wird sich der Umsatz im Bereich der Bioinformatik zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2007 verfünffachen und von etwa 1,38 Milliarden US-Dollar (21,6 Mrd. S) im Jahr 2000 bis 2007 auf 6,9 Mrd. US-Dollar (107,9 Mrd. S) steigen.

Gen-Sequenzierung, genetische Analysen und Daten-Management sind die größten Brocken. Hier ist laut der Marktstudie "mit einem ungebremsten Wachstum auch über diesen Zeitraum hinaus zu rechnen". Da die Pharmaindustrie, mit ihren traditionellen Wirkstoffforschungstechnologien inzwischen an die Grenzen des Machbaren stoße, eröffne die Bioinformatik neue Chancen. Sie schafft z.B. die Möglichkeit, über den Einsatz genetischer Informationen rationelle, zielgerichtete Medikamente zu entwickeln.

Die Liste der wichtigsten Unternehmen liest sich wie ein "Who is Who" der Branche: genannt werden etwa IBM Life Sciences und Craig VentersCelera Genomics.
->   Philipp Steger: Mangel an Bioinformatikern in den USA
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Forschen an Therapie
Doch es gibt noch ganz andere Chancen, die in der neuen Technologie stecken. Nach Angaben von Kubista wird im Rahmen des Projekts bereits direkt an einer Therapie für Brustkrebs-Patientinnen geforscht.

"Wir wissen, dass die Behandlung mit einem so genannten Aromatase-Hemmer (z.B. Exemestan etc.) noch vor einer Operation den Tumor verkleinern kann. Wir wollen wissen, welche Gene das Medikament auf- oder abdreht", erklärt der Experte den Ansatz.
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Aromatase-Hemmer
Aromatase ist ein Enzym, das bei der Biosynthese von Steroidhormonen, insbesondere bei der Synthese von Östradiol, ein Geschlechtshormon bei Frauen, von Bedeutung ist. Durch Hemmung der Aromatase kommt es bei Frauen zu einer Reduktion der Biosynthese von Östrogen; wie oben erklärt, kann eine solche Hormontherapie das Wachstum von Tumoren zum Stillstand bringen.
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Erste Erkenntnisse der Studien ...
Bei ersten Studien mit den Brustkrebs-Gen-Chips haben die Wissenschafter jedenfalls bereits interessante Erkenntnisse gewonnen.

Bekannt ist schon, dass es bei rund 30 Prozent der Brustkrebs-Patientinnen im Blut zu einer Erhöhung der Konzentration an dem Zell-Wachstumsfaktoren IGF-1 und IGF-2 (Insulin like growth factor 1 o. 2) kommt. Das führt auch zu einem gefährlicheren Verlauf der Erkrankung.
... zur Steigerung des Tumor-Wachstums
Doch IGF wirkt nicht für sich allein. Vielmehr wird als Nächstes die Aktivität von Enzymen gesteigert, welche Zellen besonders stark in die Zellteilung und somit in das Wachsen von Tumoren treiben: die Zyklin-abhängigen Kinasen (CDK).

Laut Martin Schreiber hat die Überaktivierung der Zell- Wachstumsfaktoren im Experiment gezeigt, dass dadurch die Aktivität der Enzymen CDK um das 20-fache gesteigert wurde.
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Krebs und Krebszellen
Mit dem Wort "Krebs" beschreibt man in der Umgangssprache so genannte bösartige Neubildungen. Diese "malignen" Neubildungen bestehen aus "entarteten" Zellen, die anders aussehen, sich anders und schnell teilen und dabei das gesunde Gewebe zerstören.

Sie wandern von ihrem Ursprungsort aus über Blut oder das Lymphsystem in andere Organe und vermehren sich dort als Tochtergeschwülste (Metastasen) weiter. Mehr als die Hälfte aller Krebsarten weist zum Beispiel eine Mutation des p53-Gens auf. Durch den Defekt dieses Gens kommt es zu einer vermehrten Zellteilung und einer raschen Verbreitung der Krebszellen. Eigenschaften, welche die Krebszellen so gefährlich machen.
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Warum wachsen manche Karzinome schneller?
Ein anderer Aspekt: Auch die bei manchen Tumoren schnellere Invasivität und die größere Bereitschaft zur Bildung von Tochtergeschwülsten in manchen Organen kann offenbar auf molekularer Ebene erklärt werden.

So hat das Team vom Wiener AKH entdeckt, dass IGF1 und IGF2 auch zur vermehrten Ausbildung von bestimmten Rezeptoren (CXCR4) an der Oberfläche von Tumorzellen führt.

"Die Liganden (Gegenstücke, Anm.) zu diesen Rezeptoren findet man beispielsweise auf Leber-, Lungen- und Knochenmarkzellen. Das könnte auch eine Erklärung dafür sein, warum Mammakarzinome oft Metastasen in den Knochen und in der Lunge verursachen", erklärt der Experte Kubista.
Wichtig für zukünftige Behandlungen
Diese Erkenntnisse könnten besonders wichtig werden, weil Brustkrebs zunächst hauptsächlich als lokal (an der Brust) auftretende Erkrankung betrachtet wird, die erst mit der Ausbildung von Metastasen den ganzen Körper ergreift und damit unheilbar wird.
->   Allgemeines Krankenhaus Wien
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->   Infrarotdetektoren spüren Brustkrebs auf
->   Farbstoffe und Licht sollen Krebszellen zerstören
 
 
 
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01.01.2010