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Gen-Therapie für den Krebszellen-Selbstmord  
  Schottische Wissenschaftler haben eine neue Art von Gen-Therapie entwickelt, mit der Krebszellen gezielt in eine Art Zellselbstmord getrieben werden sollen. Im Labortest hat sich die Methode bereits gegen mehrere Krebserkrankungen als wirksam erwiesen, gesundes Gewebe bleibt dagegen unbeeinflusst.  
Das Forscherteam von den Beatson Laboratories im schottischen Glasgow, der größten Krebsforschungseinrichtung des Landes, veröffentlichte die Ergebnisse der Studie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Oncogene".
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Krebszellen ausgetrickst
Die Methode der Forscher: Mit einem Trick werden die Krebszellen dazu gebracht, ein Enzym zu aktivieren, das wiederum ein bestimmtes Medikament in einen "Tumorzellen-Killer" verwandelt.

Ein Ansatz, der nicht neu ist. Tatsächlich arbeiten Mediziner an verschiedensten Methoden, Krebszellen buchstäblich in den Selbstmord zu treiben. Denn genau diese "normale" Zellfunktion ist bei Tumorzellen gestört.
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Krebs und der programmierte Zelltod
Täglich begehen Millionen von menschlichen Körperzellen sozusagen "Selbstmord", wenn sie zu alt oder stark beschädigt sind. Die so genannte Apoptose stellt also einen völlig normalen Vorgang dar.

Doch mehr als die Hälfte aller Krebsarten weist eine Mutation des so genannten p53-Gens auf: Wenn ein toxischer Schadstoff auf eine Zelle trifft, dann setzt p53 normalerweise einen Regulationsmechanismus in Gang der die Körperzelle veranlasst, sich selbst zu reparieren. Ist der Schaden zu groß, so löst das Gen den natürlichen Zelltod aus. Da bei Krebszellen der so genannte Torwächter p53 mutiert ist und funktionell fehlt, ignorieren die bösartigen Zellen ihren biologisch vorprogrammierten Zelltod. Außerdem nehmen sie auf Grund des Fehlens dieses Suppressor-Gens die toxischen Schädigungen der Chemo- und Strahlentherapie einfach nicht wahr. Die mutierten Zellen wandern von ihrem Ursprungsort aus über Blut oder das Lymphsystem in andere Organe und vermehren sich dort als Tochtergeschwülste (Metastasen) weiter.
->   Mehr zu p53
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Erfolgreich gegen mehrere Krebsarten
Den schottischen Forschern ist es nun allerdings gelungen, die Wirksamkeit ihrer Gen-Therapie bereits im Labor nachzuweisen: Wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet, seien erste Tests an Lungen-, Eierstock-, Blasen-, Darm- und Gebärmutterhalskrebs erfolgreich gewesen.

Sie konzentrierten sich bei ihren Analysen nicht direkt auf die Apoptose, sonder auf ein bestimmtes Enzym, die Telomerase. Dieses Enzym sorgt dafür, dass bestimmte Zellen sozusagen "unsterblich" sind, indem es den Alterungsprozess stoppt.
Aktive Telomerase auch in Krebszellen
Normalerweise sollte dies lediglich in gesunden Keimzellen der Fall sein, in anderen gesunden Körperzellen ist Telomerase überhaupt nicht nachweisbar. Doch in rund 80 Prozent aller Krebszellen ist das Enzym aktiviert.
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Telomerase
Telomerase ist ein Enzym, dass bei der Lebensdauer von Zellen eine entscheidende Rolle spielt. Es sorgt in Keimzellen - also Spermien und Eizellen - dafür, dass sich diese ungehindert und unbegrenzt teilen können, ohne dass Erbinformationen verloren gehen.

Bei einer Zellteilung muss nämlich die gesamte Erbinformation einer Zellen - enthalten in der DNA - ebenfalls reproduziert werden. Entscheiden hierbei sind die so genannten Telomere, die das natürliche Ende der Chromosomen bilden. In normalen Zellen werden diese Enden mit jeder Zellteilung verkürzt, irgendwann teilt sich die Zelle gar nicht mehr bzw. stirbt ab. Telomerase jedoch verlängert die Telomere in den Keimzellen erneut und macht sie somit gleichsam "unsterblich".
->   Mehr zu Telomerase
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Trick: Aktivierung eines anderen Enzyms ...
Die Forscher kopierten daher den "Schalter" für Telomerase und verbanden diesen mit einem anderen Enzym, der Nitroreductase. Damit brachten sie die Krebszellen dazu, statt Telomerase die Nitroreductase zu aktivieren.

Nitroreducrase allerdings wandelt eine normalerweise harmlose Substanz CB1954 in eine giftige Substanz um, die die Tumorzellen ganz gezielt abtötet.
Gesundes Gewebe unbeeinflusst
Laut Angaben der Forscher greift die von ihnen entwickelte Gen-Therapie lediglich Krebszellen an und lässt gesundes Gewebe unbeeinflusst, da diese das Enzym gar nicht aktivieren können.

Damit hätte die Methode einen großen Vorteil gegenüber Chemotherapien. Denn diese können nicht zwischen "gesunden" und "kranken" Zellen unterscheiden und zerstören beide. Die Nebenwirkungen für den Patienten sind folglich enorm.
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Resistenzen gegen Chemotherapeutika
Zudem reagieren im fortgeschrittenen Stadium nur mehr 15 bis 20 Prozent aller Krebsarten mit einer kompletten Tumor-Rückbildung auf Chemotherapeutika. Das bedeutet, fast 80 Prozent der verschiedenen Krebsarten sind oder werden während der Behandlung gegen diese Therapeutika resistent.
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Klinische Tests in wenigen Jahren
Im Augenblick verhandeln die Forscher mit einer Reihe von Pharma-Unternehmen, um die Forschungen fortzusetzen. "Wenn alles gut geht, dann könnten klinische Tests in zwei bis drei Jahren starten", zitiert Reuters Nicol Keith. Eine Therapie, so die Forscherin weiter, könne dann etwa fünf Jahre später auf den Markt kommen.
->   Beatson Laboratories Glasgow
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01.01.2010