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Fernreisen: Impfprophylaxe nicht vergessen  
  Die Flucht vor der kalten Jahreszeit, der Aufbruch zu anderen Kontinenten kann für den Fernreisenden auch ein gesundheitliches Risiko darstellen. So werden rund 100 Malaria-Fälle pro Jahr nach Österreich importiert. Ein bis zwei der Betroffenen sterben an der Krankheit, weil die Symptome verkannt oder verharmlost werden.  
"Besonders bei der Malaria-Prophylaxe kommt es darauf an, dass sich Fernreisende über die neuesten Entwicklungen beraten lassen. Die Situation in betroffenen Regionen kann sich von Jahr zu Jahr ändern", so Herwig Kollaritsch von der Abteilung für Spezielle Prophylaxe und Tropenmedizin der Universität Wien.
Tourist ist nicht gleich Tourist
"Die Berücksichtigung des individuellen Reiseprogramms bei der Impfprophylaxe ist auch sehr wichtig", erklärt Pamela Rendi-Wagner, vom Zentrum für Reisemedizin und der Abteilung für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der Universität Wien gegnüber science.orf.at.

"Das Ansteckungsrisiko an der Küste kann z.B. ein völlig anderes sein als das im Hinterland des gewählten Urlaubslandes. Daher wird dem individuellen Touristen, dem typischen Rucksackurlauber, immer besondere Aufmerksamkeit bei der Prophylaxe geschenkt", so Rendi-Wagner weiter.

Diese Urlauber sollten sich vor allem bei tropischen und subtropischen Zielen unbedingt gegen Tollwut, Cholera, Meningokokken, Hepatitis A und Malaria immunisieren lassen.
Risikoeinschätzungen nur bedingt vertrauen
"Erst vor einiger Zeit hatten wir zwei Fälle von Malaria tropica. Ein Patient starb. Die Betroffenen hatten sich in Lombok (Indonesien) aufgehalten. Das Risiko wurde für die Region als nicht besonders hoch eingeschätzt", erzählt Kollaritsch.

Was die Reisenden nicht wussten: Den offiziellen Stellen war in Folge der Wirtschaftskrise das Geld für die Malariakontrolle (Pestizide etc.) ausgegangen. Das änderte die Situation binnen kurzer Zeit drastisch.
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Malaria
Einzellige Lebewesen, so genannte Protozoen, sind die Erreger der Malaria. Sie gehören zur Art der Plasmodien. Die Erreger befallen die roten Blutkörperchen und führen zur Zerstörung der Erythrozyten. Bei massivem Zerfall derselben kommt es unweigerlich zu Komplikationen wie Blutarmut, Nieren- und Leberversagen.

Die verschiedenen Formen: Plasmodium vivax oder Plasmodium ovale sind die Erreger der Malaria tertiana. Plasmodium malariae ruft die Malaria quartana hervor und Plasmodium falciparum ist der Erreger der gefürchteten Malaria tropica. Alle drei Formen der Malaria führen zu höchst unangenehmen Fieberschüben und mehr oder weniger schweren Allgemeinsymptomen.

Die gefährlichste Form ist die Malaria tropica, denn unbehandelt kann sie bereits nach wenigen Tagen zum Tode führen.
Als Überträger aller Malariaformen fungieren blutsaugende Stechmücken, und zwar die Weibchen der Anopheles-Mücke.
->   Mehr Informationen über Malaria
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Ein Medikament hilft nicht gegen jeden Erreger
Obwohl in vielen Gebieten resistente Malariaerreger, also gegen Medikamente unempfindliche Erreger, entstanden sind, gibt es weiterhin gute Chancen auf eine Beherrschung des Ansteckungsrisikos.

Denn die Resistenzentwicklung des Erregers der Malaria tropica hat zu einer malariaspezifischen Zoneneinteilung der Welt geführt.

Daher kann ihnen der Arzt das spezielle Medikament empfehlen, welches einen wirksamen Schutz gegen die Malaria-Erreger im jeweiligen Urlaubsland bietet.
Neue Medikamente gegen Malaria
Neben den bewährten Mitteln stehen eine Reihe neuer Medikamente gegen die Malaria "vor der Tür". So wird es bald ein Kombinationspräparat mit Artemether und Lumefantrin als Wirkstoffe geben ('Riamet').

Diese Kombination soll etwas besser verträglich sein, als die Kombination der Wirkstoffe Atavaquone und Proguanil ('Malarone'). Fraglich ist noch, ob Tafenoquin in Zukunft zu einer Revolution in der Malariaprophylaxe führen wird.
Nicht ohne Nebenwirkungen
Dieses Medikament braucht nur wenige Tage vor der Abreise eingenommen werden und bietet dann Schutz für einige Wochen. Doch die Sache hat einen Nachteil.

Der Tropenmediziner Kollaritsch: "Allerdings darf das Medikament keinesfalls Personen verschrieben werden, die an einem angeborenen Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel leiden."

Das kann aber derzeit kein Arzt im Voraus sagen. Fachleute versuchen daher im Augenblick, einen einfachen Bluttest zu entwickeln, um ein eventuelles Risiko bestimmen zu können.
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Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel
Sie zählt zu den häufigsten Erbkrankheiten und führt zu einer erhöhten Anfälligkeit der Erythrocyten für eine oxidative Schädigung. Sauerstoff und radikale Sauerstoffverbindungen stellen für die Zelle eine ständige Gefahr dar. Die Verbindungen müssen in ihrer Menge durch so genannte Antioxydantien (z. B. Vitamin C) kontrolliert werden. Der Enzymmangel (Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase) führt zu einer Verminderung dieser Antioxydantien und es kommt zu einer Schädigung von Eiweißmolekülen, die sich in einer Einschränkung der Verformbarkeit auswirkt und die Lebensdauer daher verkürzt. Der Abbau erfolgt auch hier in der Milz. Verschiedene Nahrungsmittel (Saubohnen = Favabohnen) und insbesondere Medikamente (Azetylsalizylsäure, Malariamittel, Sulfonamide) können dabei durch eine Anhäufung von Sauerstoffradikalen eine verstärkte Hämolyse auslösen.
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Klassische Malariagebiete
Das klassische Hochrisikogebiet für Malaria ist das tropische Afrika, wo fast ausschließlich die bedrohliche Form der Malaria, die Malaria tropica vorkommt. Aber auch in Indien, Sri Lanka, in vielen Teilen des Fernen Ostens, im Amazonasgebiet sowie im asiatischen Teil der Türkei besteht das Risiko einer Infektion.

In Mittelamerika und auch im nahen Osten ist die Gefahr einer Malariainfektion je nach Region und Jahreszeit unterschiedlich.

 
Bild:APA

Prophylaxe nicht immer notwendig
Aber auch in typischen Malariagebieten ist das Ansteckungsrisiko unterschiedlich hoch. So gibt es auch in jenen Ländern einige Städte und Touristenzentren, die malariafrei sind.

Deshalb sollten Sie Ihren Art oder Ihre Ärztin genau über Ihr Reiseziel bzw. Ihren Reisestil informieren, denn unter Umständen - so zum Beispiel keine Touren außerhalb dieser malariafreien Zonen geplant sind - benötigt man keine Malariaprophylaxe.
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Lokale Unterschiede
In 101 Ländern der Erde kommt die Malaria mehr oder weniger häufig vor. 2,4 Milliarden Menschen sind ständig bedroht (40 Prozent der Weltbevölkerung). Mehr als 500 Millionen Personen erkranken pro Jahr an der Tropenkrankheit, 1,5 Millionen Menschen sterben.
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Impfgeschichte berücksichtigen
Bei der Reiseprophylaxe muss man natürlich auch die Impfvorgeschichte des Betroffenen berücksichtigen wie Rendi-Wagner im Gespräch mit science.orf.at. betont: Wogegen ist der Reisende sowieso geimpft? Ist der Betroffene ein so genannter Vielreisender oder nicht?

Bei Menschen, die viel unterwegs sind, zahlt sich eine Langzeitprohpylaxe aus, so Rendi-Wagner. Hier hält die Schutzwirkung zehn Jahre lang an und erspart dem Betroffenen sicht ständig wiederholende Impfungen, Zeit und nicht zuletzt auch Geld.

Im Gegensatz zu diesen Vielreisenden werden die meisten Normalurlauber nur für die Dauer ihres Aufenthaltes immunisiert.
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Impfungen: "vorgeschrieben" und "empfohlen"
Vorgeschriebene Impfungen sind Impfungen, die das jeweilige Urlaubs- bzw. Reiseland schützen sollen. Sie dienen also dazu, dass keine Krankheiten eingeschleppt werden.

Empfohlene Impfungen sollen den Reisenden vor Krankheiten schützen, die er sich möglicherweise in dem gewählten Urlaubsland zuziehen kann.
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Für bestimmte Regionen zu bestimmten Zeiten
Bei Reisen in die tropischen Gebiete Afrikas, Mittel- und Südamerikas gehört eine Gelbfieberimpfung zu den Pflichtimpfungen. Bei Reisen im Nahen Osten zur Pilgerzeit ist eine Meningokokkenimpfung verpflichtend vorgeschrieben.
->   Gelbfieber: Ursachen und Riskio
Übliche Schutzimpfungen nicht vergessen
Wichtig für Fernreisende: auf jeden Fall sind die üblichen Impfungen -Tetanus, Diphtherie, Polio - aufzufrischen.

In letzter Zeit wird auch eine Prophylaxe gegen Keuchhusten zunehmend wichtiger. Denn immer häufiger kommt Keuchhusten auch bei Erwachsenen vor - und nur Immunisierte können die Krankheit nicht auf Kinder übertragen.
Stand-By-Prophylaxe
Auf eine ständige Prophylaxe setzt die Tropenmedizin aber nur mehr in seltenen Fällen. "Eigentlich geben wir eine Malariaprophylaxe nur noch bei Reisen in Gebiete wie den schwarzafrikanischen Raum, Papua-Neuguinea, die Solomonen und vielleicht in manche ländliche Gebiete Indiens," sagt der Tropenexperte Kollaritsch.

Sonst gilt die "Stand-By-Medikation", also die Mitnahme und möglichst sofortige Anwendung von passenden Arzneimitteln im Erkrankungsfall.

"Das kann dann lebensrettend sein. Man muss als Fernreisender wissen, dass das zeitliche 'Fenster' für eine Selbstbehandlung sehr eng sein kann. Mehr als 24 Stunden hat man nicht Zeit", so Kollaritsch.

Fieber, Schüttelfrost - solche Symptome sollten bei Aufenthalt in gefährdeten Regionen sofort zum Handeln führen.
->   Zentrum für Reisemedizin
->   Mehr Informationen über Meningokokken
 
 
 
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01.01.2010