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Heftige Kritik nach Embryonen-Klonung  
  Tabubruch und unethisches Handeln, wissenschaftlich uninteressante Spielerei oder Hoffnungsschimmer für unheilbar Kranke? Die erste Klonierung menschlicher Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen, die Sonntagabend bekannt wurde, sorgt weltweit für unterschiedliche, aber überwiegend kritische Reaktionen.  
Breite Ablehnungsfront
Nachdem bereits US-Präsident George W. Bush am Sonntag klargemacht hatte, dass er grundsätzlich gegen das Klonen eines Menschen sei, sprach sich am Montag die EU-Kommission gegen das Klonen menschlicher Embryonen aus. In Österreich ist das Klonen von Menschen nach dem Fortpflanzungsmedizingesetz verboten.

Zurückhaltend äußern sich auch Wissenschaftler über das Experiment: Der Vorsitzende der österreichischen Bioethik-Kommission, Johannes Huber, sprach von "Spielerei", die "keine intellektuelle Hochleistung" sei.

Ähnlich auch der Genetiker Markus Hengstschläger vom Wiener AKH im ORF-Interview: "Was jetzt publiziert wurde, sind die ersten paar Tage der Embryonalentwicklung. Wir wissen nicht, ob sich diese Embryonen weiterentwickeln werden, und selbst das heißt noch lange nicht, dass Stammzellen daraus gewonnen werden können."
ACT gab Embryonen-Klonung bekannt
Die Biotechnik-Firma Advanced Cell Technology (ACT) mit Sitz im US-Bundesstaat Massachusetts hatte am Sonntag bekannt gegeben, erstmals menschliche Embryonen geklont zu haben.

Dies sei ausschließlich zur Gewinnung von Stammzellen erfolgt, um damit künftig möglicherweise schwere Krankheiten wie Diabetes und Parkinson zu heilen. "Ich will nur kranken Menschen helfen. Das ist die einzige Absicht", sagte ACT-Präsident Michael West.

Der Klon umfasst nach Angaben der Wissenschafter sechs Zellen. Es sei aber nicht geplant, ihn einer Frau einzusetzen und so einen geklonten Menschen zur Welt kommen zu lassen, verkündeten die Forscher.
->   Mehr dazu: "Embryonen" zur Stammzellgewinnung geklont
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Die US-Firma hatte per Anzeige Spenderinnen von Eizellen geworben. Sieben Frauen spendeten insgesamt 71 Eizellen, von denen ACT 39 für zwei verschiedene Klonverfahren nutzte. In 17 Eizellen ersetzten die Forscher den mütterlichen Kern mit solchen aus Zellen von Erwachsenen. Nach dieser Methode war das Klonschaf Dolly entstanden. Die anderen 22 wurden mit biologischen Tricks zur Teilung angeregt, auch ohne dass sie befruchtet wurden (Jungfernzeugung).
->   Advanced Cell Technology
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Liefern die Embryonen tatsächlich Stammzellen?
Kritiker meinen jedoch, die von ACT veröffentlichte Arbeit beweise nicht, dass die geklonten Embryonen tatsächlich Stammzellen liefern könnten. Die meisten seien nicht über das Stadium von sechs Zellen hinausgewachsen. Erst im Stadium mit sehr viel mehr Zellen aber entwickle ein Embryo Stammzellen.

Dazu der Genetiker Hengstschläger: "Um überhaupt an Stammzellgewinnung zu denken, müssten die Embryonen zu einem Stadium von mehreren hundert Zellen anwachsen, was ungefähr zwei bis drei Wochen dauert. Dann sind die Zellen im Inneren nicht mehr totipotent, können also keinen eigenen Embryo bilden, aber pluripotent, das heißt, aus ihnen kann theoretisch jedes Organ entstehen."
->   Stammzellen: Die Diskussion im Überblick
Huber: "Wissenschaftlich uninteressant"
In Österreich, wo das Klonen nach dem Fortpflanzungsmedizingesetz verboten ist, meinte der Gynäkologe Huber, dass die ACT-Experimente vom wissenschaftlichen Standpunkt her kein besonderes Gewicht hätten.

Die angewendeten Verfahren seien bekannt, "die Teilung von Eizellen ohne Befruchtung kennen wir seit rund 30 Jahren, und auch die Klonierung von Embryonen ist vor rund zehn Jahren bereits durchgeführt worden", sagte Huber.

Sowohl Huber als auch Hengstschläger wundern sich, dass man ohne ausreichende Tierversuche an die Klonierung eines menschlichen Embryos herangehe.
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Auch "Dolly-Vater" skeptisch
Auch der Schöpfer des Klon-Schafs "Dolly", Ian Wilmut, ist skeptisch. Nach einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur bezweifelt er, dass ACT "wahre Klone" geschaffen habe. Wie er am Montag im Radioprogramm der BBC sagte, hätten die "Klone" gemessen an ihrem Entwicklungsstadium "viel mehr Zellen" haben müssen. Er ist der Ansicht, dass das Potenzial für unmittelbare Anwendung der Technologie gering sei.
->   Ian Wilmut: Klonen von Menschen wäre ''kriminell''
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Wirtschaftliche Motive vermutet
Doch neben wissenschaftlichen Motiven, gibt es auch noch andere - so man diese überhaupt voneinander trennen kann -, ökonomische zum Beispiel.

Hengstschläger im ORF-Interview: "Wenn heute eine Firma sagt, sie könne einen menschlichen Embryo klonen, dann stecken dahinter wirtschaftliche Interessen - für den Fortschritt der Wissenschaft ist das nicht allzu bedeutsam. In der zurzeit international hitzig geführten Debatte um die Embryonenforschung halte ich das insgesamt für ein sehr entbehrliches Experiment."
EU-Kommission: Gegen Klonen, für Stammzellen
Auf europäischer Ebene betonte eine Sprecherin der EU-Kommission, dass diese gegen das Klonen menschlicher Embryonen sei, aber die Stammzellenforschung an abgetriebenen oder nach künstlicher Befruchtung überzähligen Embryonen finanzieren wolle.

Der Humangenetik-Ausschuss des Europaparlaments bekräftigte seine Forderung nach einem EU-weiten strikten Verbot des Klonens menschlicher Embryonen. Am Donnerstag soll das Europaparlament bei einer Plenarsitzung in Brüssel über diese Forderung abstimmen. Ob das Plenum dabei die Position des Humangenetik-Ausschusses stützen wird, ist fraglich.
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Ö1-Zukunftssymposion "Life Sciences"
Mit diesen und ähnlichen Fragen der Gentechnik beschäftigt sich auch das Ö1-Zukunftssymposion "Life Sciences". Dabei werden die neuesten Ansätze der Biotechnologie präsentiert und es wird den Fragen nachgegangen, wie Risikoforschung, Expertenwissen, Politikberatung, politische Öffentlichkeit und Medien in demokratischen Systemen mit diesen neuen Fragestellungen konstruktiv und zukunftsorientiert umgehen sollen.
RadioKulturhaus
28. und 29. November 2001
Argentinierstraße 30 A
1041 Wien
Eintritt frei
->   Mehr zum Ö1-Zukunftssymposion
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Kirchen: Klonen ist inakzeptabel
Für die katholische Kirche ist das Klonen von Embryos inakzeptabel. Vatikanische Funktionäre bezeichneten die Experimente als "Niederlage für die Menschheit". Die orthodoxe Kirche in Russland hat Klonforscher wie die Nutznießer von Stammzellentherapien mit dem Ausschluss bedroht.
Verantwortungsloser Tabubruch
In Deutschland bezeichnete Forschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) die Versuche als "verantwortungslos", der deutsche Ärztekammer-Präsident Jörg-Dittrich Hoppe sprach von einem Tabubruch und "Albtraum, der nun Wirklichkeit geworden ist".
->   Original-Papier: "Somatic Cell Nuclear Transfer in Humans:
Pronuclear and Early Embryonic Development" (pdf-Datei)
->   Mehr über Klonen in science.orf.at
 
 
 
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01.01.2010