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Ein Blick in das Innere der Atome  
  Das Institut für Photonik der Technischen Universität Wien kann mit einer Sensation aufwarten: Ihren Wissenschaftern ist es gelungen, einen ultrakurzen Röntgenpuls zu erzeugen, der lediglich 650 Attosekunden dauert ¿ das sind 650 Trillionstel Sekunden. Damit werden nicht nur Blicke in das Innere von Atomen möglich. Es würde laut den Wissenschaftlern auch neue Bereiche in der Grundlagenforschung und der Medizintechnik eröffnen.  
Wie das Wissenschaftsmagazin "Nature" in seiner neuesten Ausgabe berichtet, werden diese Röntgenblitze mit Hilfe von Laserpulsen erzeugt, die nur wenige Femtosekunden (=Billiardstel Sekunden) dauern.

Mit Hilfe eines Laserpuls wird zum Beispiel ein Strahl des Edelgases Neon ionisiert - das heißt, es wird ihm für winzigste Sekundenbruchteile ein Elektron entrissen. Wenn es wieder in seine ursprüngliche Lage zurückfällt, sendet es den gewünschten extrem kurzen Röntgenblitz aus.
Artikel in "Nature" (kostenpflichtig; Nature 414, 509 - 513 (2001)
unter "Attosecond metrology"
->   Artikel in 'Nature'
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Ein Laserpuls
besteht aus einem Gemisch unterschiedlicher Laserwellen, von denen jede einzelne mit ihrer Intensität und Wellenlänge zu seiner endgültigen Form beiträgt.
->   Was ist ein Laser?
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Bewegung von Molekülen und Atomen bereits sichtbar
Grundsätzlich gilt, dass die Auflösung um so höher wird, je kürzer ein Puls ist. Mit ihren Laserblitzen im Femtosekunden-Bereich können die Wissenschafter derzeit schon Bewegungen von Molekülen und Atomen beobachten, erklärte Ferenc Krausz vom Institut für Photonik der TU im Gespräch mit "science.orf.at".

Mit dieser Technik sind Wissenschafter beispielsweise in der Lage, zwei chemische Substanzen während ihrer Vermischung zu überwachen und den Vorgang sogar gezielt zu steuern. Mit den Röntgenblitzen im Attosekunden-Bereich geht man noch viel weiter: ins Innere der Atome selbst, die Bewegung der Elektronen wird sichtbar.
Der sichtbare Beweis
Der Begriff "sichtbar" ist in diesem Zusammenhang allerdings als relativ zu betrachten: Bei ihren Untersuchungen senden die Forscher kurz hintereinander zwei Röntgenpulse aus.

Aus den gemessenen Unterschieden von Pump- und Teststrahl, berechnen sie dann die Vorgänge im Inneren der Atome.

 


Auf dem Bild ist die Energieverteilung der Elektronen zu sehen, die durch den Laserstrahl moduliert wird (rot ist hohe, blau keine Energieverteilung). Die neue Lage der vom Laserstrahl herausgerissenen Elektronen befindet sich an der Spitze jeder Zacke, der Abstand von Zacke zu Zacke beträgt genau 1 Femtosekunde. Dadurch, dass das Bild nicht verschwimmt, sondern die Abstände deutlich zu sehen sind, ist der Beweis erbracht, dass die Auflösung bereits im Attosekunden-Bereich liegt.
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Theorie und Praxis
Seit vielen Jahren gibt es laut Krausz Bestrebungen, Röntgenquellen zu entwickeln, die ähnliche Eigenschaften wie Laserlicht haben und gebündelte und damit gut fokussierbare Strahlen erzeugen. "Damit könnte man biologische Substanzen mit höchster Auflösung studieren, ins Innerste der Moleküle schauen. Es wäre ein phantastisches Werkzeug für Molekularbiologen". Es würde aber auch neue Bereiche in der Grundlagenforschung und der Medizintechnik eröffnen, erklärt der Physiker Krausz.
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Durchbruch dank START
Möglich wurde dieser Erfolg vor allem durch jene 15 Millionen Schilling (1,1 Millionen Euro), die Krausz in den vergangenen sechs Jahren vom Wissenschaftsministerium im Rahmen des START-Projekts zur Verfügung standen. "Die Forschung ist zu 90 Prozent aus diesem Preis finanziert worden. Ohne ihn wäre es nicht gegangen", so der Wissenschaftler.

Krausz betont, dass die finanzielle Lage für Forschungsprojekte in Österreich zwar recht gut sei, im universitären Bereich aber noch einiges verbessert werden könnte, vor allem im Bereich der Instandhaltung der Infrastruktur.

(Glückliche) Ausnahmen bestätigen die Regel: "In wenigen Wochen wird hier ein brandneues Laser-Labor erricht, zum größten Teil finanziert aus Mitteln der Technischen Universität und des Bundesministeriums", freut er sich.
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Das START-Programm
wurde 1995 vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur ins Leben gerufen, der Preis im darauf folgenden Jahr erstmals verliehen. Jährlich wählt eine internationale Experten-Jury zirka fünf qualifizierte junge Wissenschafter aus, die auf sechs Jahre verteilt bis zu 2,75 Millionen Schilling (etwa 200.000 Euro) für ihre Forschungsarbeiten erhalten. Mit dem Geld sollen den Preisträgern verbesserte Arbeitsmöglichkeiten sowie ein Höchstmaß an Freiheit und Flexibilität bei der Mittelvergabe geboten werden. Die Kandidaten sollten dabei nicht älter als 35 Jahre sein und ihre Habilitation bereits abgeschlossen haben, beziehungsweise kurz vor dem Abschluss stehen. Krausz zählte 1996 gemeinsam mit sieben weiteren österreichischen Wissenschaftern zu den ersten Preisträgern.
->   START-Programm
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Das Glück der Tüchtigen
"Es ist sicherlich auch eine gute Portion Glück gewesen, dass wir letztendlich das Rennen gemacht haben", gibt Krausz zu. Der Konkurrenzdruck in seinem Bereich sei enorm.

"Es hat zahlreiche Gruppen gegeben, die den Attosekunden-Pulsen hinterher waren - mit zum Teil sowohl finanziell als auch personell wesentlich besseren Mitteln als das bei uns der Fall ist."

Den "Blitz" hat man schon, jetzt soll der dazupassende "Fotoapparat" folgen: "Wir wollen das Potenzial, das in dieser Technik steckt, unter Beweis stellen. Wir möchten jetzt den einen oder anderen sehr schnellen elektronischen Prozess innerhalb eines Atoms in Echtzeit fotografieren."

Johannes Stuhlpfarrer
->   TU Wien - Institut für Photonik
 
 
 
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01.01.2010