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Schloss Schönbrunn auf Ruinen erbaut  
  Auch wenn die Fachliteratur bislang anderes vermittelt hat: Es gibt eine Baugeschichte vor Schloss Schönbrunn. Eine Wiener Kunsthistorikerin hat nun - gefördert vom Wissenschaftsfonds (FWF) - in einer umfangreichen Quellenforschung mehr als fünfhundert Jahre Bau-, Besitz- und Nutzungsgeschichte zum Areal zwischen Meidling und Hietzing vor dem Bau des Schlosses durch Johann Bernhard Fischer von Erlach erfasst.  
Die Kataloge und touristischen Broschüren zu Schloss Schönbrunn müssen künftig umgeschrieben werden - zumindest, was die Entwicklungs- und Baugeschichte des Anwesens betrifft. Denn eines ist seit wenigen Jahren sicher: Das Schlossgebäude des Weltkulturerbes ist nicht - wie bislang angenommen - als Bau auf der "grünen Wiese" errichtet worden.
Eine bewegte Nutzungsgeschichte
Das etwa eineinhalb Quadratkilometer große Gebiet zwischen Meidling und Hietzing, das vor seiner Umbenennung im Jahre 1642 als "Katterburg" bezeichnet wurde, hatte im Gegensatz zur bisherigen Forschungsmeinung eine sehe bewegte Besitz- und Nutzungsgeschichte. Die Wiener Kunsthistorikerin Elisabeth Hassmann hat sich nun der historischen Aufarbeitung der Zeit vor der 1696 begonnenen Erbauung des Schlosses Schönbrunn durch Johann Bernhard Fischer von Erlach angenommen.

Ziel des vom Wissenschaftsfonds (FWF) geförderten Forschungsprojektes war die Erfassung und Interpretation sämtlicher verfügbarer Schrift- und Bildquellen zu den Vorgängerbauten Schönbrunns von den Anfängen bis zur zweiten Türkenbelagerung im Jahr 1683. Deren Verwüstungen war Anlass für einen Neubau und damit auch Grund für den Bau der heutigen Schlossanlage.
Fünfhundert Jahre Baugeschichte
Innerhalb des fünfhundert Jahre umfassenden Untersuchungszeitraumes (1170 bis 1683) wurden von der Kunsthistorikerin die Besitz- und Nutzungsgeschichte des Anwesens Katterburg beziehungsweise Schönbrunn, seine räumliche Ausdehnung und seine ehemaligen Baulichkeiten erforscht.

Bisher wurde die Zeit vor dem Neubau von Schloss Schönbrunn lediglich ab der Erwerbung des Anwesens Katterburg durch Kaiser Maximilian II. im Jahr 1569, der den Grundstein für den Tiergarten gelegt hatte, dokumentiert.
Grabungsfunde an unvermuteter Stelle
Anlass für die ausführliche Quellenforschung waren die überraschenden Grabungsfunde des Bundesdenkmalamtes in den Jahren 1994/95 im Mittelteil des Hauptgebäudes der Schlossanlage: Die damals freigelegten Mauerreste zeigten, dass dem von Johann Bernhard Fischer von Erlach ab 1696 erbauten Jagd- und Lustschloss mehrere Bauten vorangegangen waren.

"Besonders unerwartet war die Erkenntnis, dass die frühesten Gebäude von Katterburg - ein Meierhaus, ein Turm und eine Wassermühle, die zu dem ins 12. Jahrhundert zurückgehenden Wirtschaftsgut gehörten - nicht bei der heutigen Orangerie im Nordosten des Schlossareals lagen, sondern an Stelle des bestehenden Hauptbaues Fischers von Erlach", erläutert E. Hassmann.
Erstmals genaue Datierung möglich
Der Hauptteil der bei der Grabung von 1994/95 entdeckten Fundamentmauern stammen vom sogenannten Gonzagaflügel, einem unter Eleonora Gonzaga, der Witwe Kaiser Ferdinands II., zwischen 1640 bis 1645 erbauten Lusthaus.

Wie die Kunsthistorikerin aufgrund ihrer Archiv-Recherchen erstmalig nachweisen kann, ließ Eleonora die Mühle und die Nutzgebäude Katterburs schleifen, um dort ihren Neubau zu errichten. Außerdem gelang es Hassmann, erstmals auch die übrigen, auf der Ansicht Schönbrunns von Georg Matthäus Vischer (1672) dargestellten Gebäudeteile baugeschichtlich einzuordnen und zu datieren.
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Katterburg
Mit Katterburg ist kein Gebäude - weder eine Mühle noch eine Burg - gemeint, wie in der Literatur bislang angenommen wurde, sondern das Anwesen mit all seinen Baulichkeiten und Gründen. Eine Burg namens "Katterburg" dürfte nie existiert haben. Die früheste Nennung von Katterburg findet sich im Traditionsbuch des Stiftes Klosterneuburg in einer undatierten Eintragung, wonach Herbort von Rußbach, ein Ministeriale Herzog Heinrichs II. Jasomirgott, vor seinem Tod den weitläufigen Meierhof ("Villikation") namens "Chatternberch" dem Stift Klosterneuburg vermacht hatte. Diese Schenkung ("Tradition") lässt sich 1171/76 datieren.
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Größer als vermutet
Den schwierigsten und aufwendigsten Teil des Forschungsprojektes bildete die Untersuchung der topographischen Entwicklung Katterburgs, die vor allem die Voraussetzung zur Klärung der Lage der verschiedenen Baulichkeiten Katterburgs bildete. Dabei zeigte sich völlig überraschenderweise, dass die Villikation Chatternberch des Herbort von Rußbach großflächiger als der unter Kaiser Maximilian II. angelegte Tiergarten gewesen sein muss.

Um einen gesicherten Überblick zur Bau- und Nutzungsgeschichte Schönbrunns bis zum Jahre 1683 zu erhalten, hat die Kunsthistorikerin eine umfangreiche, akribische Recherche begonnen und mehr als 3.000 Quellentexte erfasst. Neben dem Wiener Hofkammerarchiv fanden sich die meisten Quellen im Stiftsarchiv Klosterneuburg.
Recherchen in Klosterneuburg, Meidling und Hietzing
"Das Stift Klosterneubug hatte bis zum Jahre 1569 die Grundherrschaft über Katterburg inne; zeitweise stand dieses Anwesen auch im Eigenbesitz des Stiftes. Daher befinden sich für diesen Zeitabschnitt die Archivalien im dortigen Archiv", erklärt E. Hassmann.

"Ganz wesentliche Hinweise zu Katterburg konnten aber erst durch die Einbeziehung von Meidling und Hietzing, die ebenfalls zur Stiftsherrschaft gehörten, gewonnen werden, da teils Katterburger Gründe zu Meidling und Hietzinger Gründe zu Katterburg kamen."

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse des Forschungsprojektes soll 2002 in
Form eines Buches erscheinen.

Eva-Maria Gruber, Universum Magazin
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01.01.2010