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Fruchtfliege: Topfit selbst bei extremen Flugmanövern  
  Wie perfekt sich Organismen an ihre Umwelt anpassen, um ökologisch "erfolgreich" zu sein, zeigt eine neue Studie über Fruchtfliegen. Sogar bei extremen Flugmanövern reguliert die Fruchtfliege Drosophila ihre Atemöffnungen so exakt, dass ideale Bedingungen für ihren Stoffwechsel herrschen.  
Dies berichtet Fritz-Olaf Lehmann vom Biozentrum der Universität Würzburg in der aktuellen Ausgabe von "Science".
Artikel in 'Science' (Volume 294, Number 5548, Issue of 30 Nov 2001, pp. 1926-1929; kostenpflichtig) unter " Matching Spiracle Opening to Metabolic Need During Flight in Drosophila"
->   Artikel in 'Science'
Problem Wasserverlust
Insekten atmen nicht über Lungen, sondern über ein weit verzweigtes System von Röhren (Tracheen). Der Luftaustausch mit der Umgebung erfolgt über ventilartige, von Muskeln gesteuerte Öffnungen, die so genannten Stigmen.

Dabei ergibt sich für die Insekten ein Problem: Zusammen mit der Luft aus dem Tracheensystem entweicht kontinuierlich Wasser aus dem Körper, was das Risiko der Austrocknung erhöht.

Besonders kritisch wird die Situation beim Fliegen. Dann steigt der Stoffwechsel auf das zehn- bis zwanzigfache des Ruhewerts an - das Insekt muss viel Sauerstoff aufnehmen und viel Kohlendioxid abgeben, gleichzeitig aber den Verlust von Wasser einschränken.
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Die Atmung der Insekten - das Tracheensystem
Der Gastransport bei Insekten erfolgt über das Tracheensystem. Dabei handelt es sich um Röhren, die sich, an der Körperoberfläche mit den Atemöffnungen beginnend, im Körper verzweigen. Die immer feiner werdenden Äste enden schließlich in Tracheenendzellen. Dieses "Röhrensystem" reicht in alle Bezirke des Körpers und ist besonders an Orten hohen Sauerstoffverbrauchs verzweigt.

Prinzipiell erfolgt der Gastransport durch Diffusion. Trotzdem finden sich bei den meisten Insekten, besonders bei erhöhtem Sauerstoffbedarf, Atembewegungen. Diese sorgen für eine Erneuerung der Luft in den größeren Ästen. Die Atembewegungen bestehen meist in einer dorsoventralen Abflachung oder einer teleskopartigen Verkürzung des Abdomens. Durch diese Bewegungen wird ein Blutdruckanstieg im Körper verursacht, der die Tracheenstämme zusammendrückt. Die Inspiration erfolgt darauf passiv infolge der Elastizität der Körperwand. Der Gastransport in den feineren Ästen erfolgt jedoch in jedem Fall durch Diffusion.
->   Mehr zum Tracheensystem von Drosophila
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Zwei problematische Möglichkeiten
"Tiere, die im Flug ihre Stigmen weitgehend geschlossen halten, minimieren zwar ihren Wasserverlust, begrenzen aber auch den Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid und vermindern so die Leistung ihrer Flugmuskeln," so Lehmann.

"Dagegen maximieren Tiere, die ihre Stigmen im Flug weit öffnen, den Austausch der Atemgase, verlieren dann aber in trockener Umgebung auch überproportional viel Körperflüssigkeit", erklärt der Würzbürger Biologe.

 
Fritz-Olaf Lehmann, Biozentrum Universität Würzburg

Bild: Eingang ins Tracheensystem einer Taufliege. Die Kurve zeigt, wie das Insekt diese ventilartige Öffnung (Stigma) im Flug oder in Ruhe öffnet und schließt.
Öffnung den Bedürfnissen angepasst
Wie geht die Taufliege Drosophila mit diesem Problem um? Die Experimente des Zoologen haben gezeigt, dass die Öffnungsfläche der insgesamt 18 Stigmen beim Fliegen genau den Stoffwechselbedürfnissen des Insekts angepasst ist.

Die Taufliege verringert ihren Wasserverlust um bis zu 23 Prozent im Vergleich zu maximal geöffneten Stigmen. Gleichzeitig stabilisiert dieses Verhalten die Konzentrationen von Sauerstoff und Kohlendioxid im Tracheensystem.
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Fruchtfliegen, Drosophila
Es gibt wohl kaum eine Tier-Gruppe, die so bekannt ist wie Fruchtfliegen. Schuld daran ist die Genetik und der Amerikaner Hunt Morgan, der für genetische Untersuchungen 'Drosophila melanogaster' zu seinem "Labortier" wählte. Generell sind sie gute Flieger und gelangen so an Stellen, die von anderen Tieren oft nicht erreicht werden können. Viele Arten saugen an gärendem Obst oder Pflanzensäften. Die Larven haben unterschiedlichste Lebensweisen. Viele Arten tragen zum Stoffumsatz abgestorbener Pflanzenmassen bei. Andere sind räuberisch. Nach der Paarung, werden vom Weibchen bis zu 400 Eier abgelegt. Die Larven durchlaufen drei Stadien. Meistens werden mehrere Generationen pro Jahr durchlaufen. Für Genetik, Cytogenetik und Entwicklungsbiologie sind Drosophiliden unverzichtbar.
->   Mehr zu Drosophila
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Stabilität trotz Flugmanövern
Sogar bei maximalen Änderungen der Flugkraft - Lehmann nennt hier Steigerungen von 88 Prozent infolge von Steuermanövern oder wegen eines erhöhten Körpergewichts (zum Beispiel dann, wenn ein Fliegenweibchen viele Eier in sich trägt) - bleibt der Gasdruck des Sauerstoffs in den Tracheen stabil.

Dieses Ergebnis stütze die frühere Annahme, so der Wissenschaftler, dass der Gasaustausch mittels Diffusion durch die Stigmen eine ausreichend hohe Sauerstoffkonzentration in den Flugmuskeln gewährleistet.

Bei kleinen, fliegenden Insekten sei die Anpassung der Stigmenöffnung an die jeweiligen Bedürfnisse als eine Strategie zu betrachten, die den Tieren während einer erhöhten Bewegungsaktivität in trockenen Klimaten ihre hohe biologische Fitness verleiht.
->   Biozentrum, Universität Würzburg
 
 
 
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01.01.2010