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Rassismus: Keine Frage der Wahrnehmung  
  Die Wahrnehmung von Menschen als zu einer bestimmten Rasse gehörig führt oft zu rassistischen Stereotypen. Dabei ist diese Wahrnehmung selbst weder aus Sicht der Psychologie noch der Evolution "notwendig". Wie eine neue Studie bestätigt, ist "Rasse" nur eines von vielen Merkmalen, um Menschen zu unterscheiden.  
Rasse - eine von vielen Eigenschaften
Menschen, die ihre Mitmenschen nach ihrer Hautfarbe kategorisieren, nehmen diese unter geänderten sozialen Bedingungen innerhalb kürzester Zeit nach anderen Kriterien wahr. Rassismus sei deshalb kein unvermeidliches, in den Gehirnen verankertes Phänomen.

Das berichten Leda Cosmides, John Tooby und Robert Kurzban vom Zentrum für Evolutionäre Psychologie der University of California in Santa Barbara in der jüngsten Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS).
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Original-Abstract in den PNAS:
->   Can race be erased? Coalitional computation and social categorization
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Depressive Sozialpsychologen
Den Ausgangspunkt ihrer Studie klärte Cosmides in einem Reuters-Interview: Obwohl Sozialpsychologen mit allen möglichen Mitteln versucht hätten, Menschen dazu zu bringen, andere nicht aufgrund ihrer Rasse zu kategorisieren, hatten sie bislang kein Glück. "Das hat sie ganz schön depressiv gemacht", so Cosmides.
Rassismus liegt nicht in den Genen
Während es aus Sicht der Evolution Sinn gemacht habe, andere anhand ihres Geschlechts oder ihres Alters zu differenzieren, gebe es keine Gründe, das Erkennen von "Rasse" als wichtig für das eigene Überleben einzuschätzen.

Auch die Genforschung bestätigt, dass dies in den Genen nicht begründet liegt. So ist es etwa eine Tatsache, dass genetische Unterschiede zwischen Individuen größer sein können als zwischen Rassen.

"Es ist sinnlos anzunehmen, dass unser Gehirn so konstruiert ist, automatisch auf 'Rasse' anzusprechen", meint Cosmides.
Erinnerungstests ...
Um diese Sinnlosigkeit nachzuweisen, unterzogen sie eine Testgruppe zwei Experimenten: beides Erinnerungstests, die die Tendenz prüfen sollten, Menschen nach ihrer Rasse zu beurteilen.

Im ersten Test wurden den Probanden Fotos von acht Männern teils unterschiedlicher Rassen gezeigt. Zu jeder Person gehörte ein Aussagesatz (z.B. "Nein, ihr habt den Streit begonnen"), der sie einer von zwei charakteristischen Merkmalen zuordnete - etwa einer freundlichen und einer feindseligen Gruppe.

Beim zweiten Test mussten die Teilnehmer zwei Basketballteams mit Spielern verschiedener Hautfarbe beobachten, die via PC miteinander diskutierten. Die Aufgabe war es, sich zu merken, welcher Basketballspieler welche Sätze gesagt hat - und zwar ohne Angabe von Gründen.
... und ihre Verwechslungen
Bei derartigen Experimenten vertauschen die Testpersonen in der Regel leicht die Sätze von Mitgliedern einer bestimmten Gruppe: z.B. Weiße mit anderen Weißen, Schwarze mit anderen Schwarzen usw.

"Eigentlich hätte das Experiment zeigen sollen, dass die Verwechslungen nicht mehr so häufig passieren, sobald Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe in beiden Teams vorhanden sind", meinte Kurzban.

In Wirklichkeit aber irrten sich die Partizipanten weiter: nicht hinsichtlich der Hautfarbe der Basketballspieler, sondern bezüglich der Zuordnung von Aussagen innerhalb des gleichen Teams.
Wichtigkeit von Rasse verschwindet
"Es war sehr überraschend, wie schnell die Wichtigkeit von Rasse verschwindet, wenn man die charakteristischen Merkmale manipuliert", schreiben Kurzban und seine Kollegen in der Studie. "Was Menschen wirklich gut können, ist, gewisse Muster von sozialen Allianzen zu erkennen." In rassisch segregierten Gesellschaften - wie den unseren, so Cosmides - läuft dies oft auf die Hautfarbe hinaus.
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Klassifizierender Blick
Bereits vor einem Jahr waren andere US-Wissenschaftler einem anderen Aspekt des "klassifizierenden" Blicks nachgegangen, der rassistische Einstellungen nach sich ziehen kann. Dabei wurde das als "cross-race recognition deficit" bezeichnete Phänomen kritisiert.
->   Rassistische Wahrnehmungen
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Rassismus: Zufällig und ausrottbar
In ihrem Abstract in den PNAS schreiben die Forscher zusammenfassend: "Trotz der lebenslangen Erfahrung, die Rasse als Ursache Nummer 1 von sozialen Allianzen auffasst, reichen vier Minuten andere Sozialerfahrungen, um die Tendenz der Kategorisierung via Rasse abzubauen. Unsere Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass Rassismus ein zufälliges und ausrottbares Konstrukt ist, dass nur existiert, so lange es mit einem Parallelsystem sozialer Allianzen verbunden ist."
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UN-Rassismuskonferenz
Ende August 2001 fand in Durban/Südafrika die dritte Rassismus-Konferenz der UNO statt. Ehe eine gemeinsame Erklärung der Delegierten aus 194 Ländern unterzeichnet wurde, stand die politisch umstrittene Frage im Mittelpunkt:
->   Was ist Rassismus?
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01.01.2010