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Erdbeben: Schuld am Verschwinden alter Hochkulturen?  
  Von Troja im östlichen Mittelmeer bis zu den Mayas in Zentralamerika: Nach Ansicht einiger Wissenschaftler könnten tödliche Erdbeben den Kollaps von diesen und anderen Hochkulturen verursacht haben.  
Die Hauptfrage ist nach Meinung von Amos Nur, Professor für Geophysik an der Universität Stanford, " warum die Orte dieser Kulturen physisch zerstört wurden. Wir glauben, dass Naturkatastrophen, in erster Linie Erdbeben, eine bedeutende Rolle dabei gespielt haben."
Troja, Mykene, Knossos
Der Geophysiker ist einer der Wissenschaftler, die sich beim Treffen der Amerikanischen Geophysikalischen Gesellschaft mit den wachsenden Verbindungen zwischen Erdwissenschaft, Archäologie, und Geschichte auseinander setzten.

Seine Theorie entwickelte er laut Reuters anhand einer Untersuchung der Bronzezeit in Ländern des östlichen Mittelmeeres, in denen Städte und Kulturen wie Troja, Mykene und Knossos ungefähr zur gleichen Zeit - 1.200 vor Christus - von der Landkarte verschwanden.
->   Amos Nur
Seevölker oder Erdbeben?
Während manche Theorien davon ausgingen, dass mysteriöse Piraten, die so genannten Seevölker, für die Zerstörung der Hochkulturen verantwortlich waren, setzt Nur auf eine Reihe von Erdbeben, die zum Verschwinden von derart vielen urbanen Zentren zwischen 1225 und 1175 vor Christus geführt haben könnten.

Andere Wissenschaftler der Tagung erweiterten diese These und meinten, dass Zivilisationen rund um den Globus - von den Harappan in Indien um 1900 v. Chr. bis zu den Mayas in Zentralamerika im 9. Jhdt. n. Chr. - auf diese Weise verschwanden.
Auch indische Kulturen verschwanden
"Die Informationen sind da, man muss sie nur zusammensetzen", meinte Manika Prasad, eine Forschungskollegin von Nur am Rock Physics Laboratory in Stanford, die sich mit dem Verschwinden der Harappan beschäftigt.

Die Harappan, deren Kultur rund um den Indus über 2.000 Jahre lang florierte, verschwand ungefähr 1900 v. Chr. - und wurde mit einer Reihe von Ursachen, unter anderem geänderten Handelsbeziehungen mit arischen Eindringlingen vom Norden, in Verbindung gebracht.
Auffällige Koinzidenzen
Nur und Prasad haben sich die seismische Geschichte der Region angesehen und festgestellt, dass just in der Zeit des Niedergangs die Küste nahe der Grenze zwischen Indien und Pakistan zahlreichen katastrophalen Erdbeben ausgesetzt war.

Nach ihrer Ansicht war zumindest eines dieser seismischen Ereignisse stark genug, um Flüsse aus den Ufern treten zu lassen, die Landwirtschaft zu zerstören und ganze Städte im Schlamm versinken zu lassen.
->   Die Harappan-Kultur
Ende der Maya-Hochkultur
Robert Kovach, ein weiterer Geophysiker von Stanford, wendet die gleiche Theorie auf die Zivilisation der Mayas in Zentralamerika an, deren Hochblüte im 9 Jahrhundert abrupt endete, als die Städte Quirigua und Benque Viejo plötzlich verlassen wurden.

Demzufolge müssten die Städte - beide kulturelle Zentren der klassischen Periode der Mayas - von einem einzigen Erdbeben an der Chixoy-Polochic- und Motagua-Störungszonen zerstört worden sein.
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Klassische Periode der Mayas
In Astronomie und Mathematik überragten die Kenntnisse der Maya die der übrigen indianischen Kulturen; die auf Steinmonumenten und in Bilderhandschriften überlieferten astronomischen Berechnungen sind von höchster Genauigkeit. Die komplizierte Hieroglyphenschrift der Maya ist erst zu einem Teil entziffert. Für fast alle Unternehmungen, Handwerke und Berufe, für Liebende, Trunkene u. ä. gab es eigene Schutzgottheiten. Die oberste Gottheit war der Himmels- oder Sonnengott Itzamna, seine Gattin die Mondgöttin Ix Chel. In der Blütezeit der klassischen Periode (300-850) hatte die Maya-Kultur ihre größte Ausdehnung: von Nordyucatan bis an die pazifische Abdachung, von Copan und Quirigua im Osten bis nach Palenque im Westen. Um 790 wurden in 19 Zeremonialzentren datierte Monumente des Stelenkults errichtet.
->   Mehr über die Mayas
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Eine andere Theorie über das Ende der klassischen Periode:
->   Sonne verursachte Untergang der Maya
Godzilla-These?
Experte Nur räumte allerdings gegenüber Reuters ein, dass die Erdbeben-Hypothese unter Kollegen nicht nur auf Gegenliebe stößt. Mindestens ein Kritiker habe sie als die "Godzilla attackiert Babylon"-Theorie des Untergangs menschlicher Kulturen bezeichnet.

Hauptprobleme der Theorie bleiben aus seiner Sicht die genaue Zuordnung seismischer Ereignisse mit historischen Daten und die Frage, warum kurze Desaster blühende Zivilisationen zum Untergang bringen konnten. Beide seien aber bewältigbar, so Nur.
Detektivarbeit ist gefordert
"Was bei Erdbeben zerstört wird, sind die monumentalen Strukturen, nicht die Bauern auf den Feldern", meinte er. Speziell die kleinen Eliten in strikt hierarchischen Kulturen seien dem Chaos nach einer größeren Naturkatastrophe hilflos ausgeliefert. "Der meiste Schaden entsteht in den großen Machtzentren", so die Erläuterungen des Geophysikers.

Die Beweise seien derzeit noch lückenhaft, es bedürfe einer "ultimativen Detektivarbeit", wie es Nur ausdrückte. "Aber wenn es ein wirklich starkes Beben gibt und sich die Gesellschaft bereits in einer Schwächephase befindet, kann eine derartige Katastrophe der Auslöser sein, der die Zivilisation zum Verschwinden bringt."
->   Mehr über Troja in science.orf.at
 
 
 
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01.01.2010