News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Dritter menschlicher Erbgutträger entziffert  
  Im Februar dieses Jahres wurden die Informationen zur Sequenzierung der menschlichen Erbsubstanz veröffentlicht - mit einigen Fehlern, wie sich seither herausgestellt hat. Wissenschaftler entzifferten nun den dritten menschlichen Erbgutträger nahezu vollständig: das Chromosom 20, das eine Schlüsselfunktion für mehrere Krankheiten einnimmt.  
Die US-Firma Celera Genomics und das internationale Forscher-Konsortium des Human Genome Project (HGP) hatten ihre jeweilige Arbeitsversion der Gen-Karte vom Menschen zwar bereits im Februar in den Fachjournalen "Science" und "Nature" vorgestellt.

Doch diese hatte noch Ungenauigkeiten und Lücken. Chromosom 20 ist der dritte Erbgutträger, der nun nahezu vollständig vorliegt. Das Chromosom 22 hatten Forscher 1999, Chromosom 21 im Mai 2000 präsentiert.
->   Genom-Entschlüsselung: Viele Fragen bleiben offen
->   Erkenntnisse aus der Entschlüsselung
...
Original-Beitrag in Nature (kostenpflichtig):
->   The DNA sequence and comparative analysis of human chromosome 20
...
Kapitel drei im Buch der Gene
"Kapitel drei im Buch der Gene" - so überschreibt das britische Fachjournal "Nature" seinen Kommentar zur Entzifferung des Chromosoms 20. Der Erbgutträger enthält unter anderem Gene, die bei Altersdiabetes, Übergewicht und Grauem Star eine Rolle spielen.

Die Forscher um Panos Deloukas vom Wellcome Trust Sanger Center im britischen Hinxton bei Cambridge haben 99,5 Prozent des genetisch aktiven Erbguts auf Chromosom 20 entziffert.
Abschluss bis 2003 geplant
"Damit sind die Forscher bei diesem Band des Erbguts von der Arbeitsversion zur Abschlussqualität gekommen", fasste Helmut Blöcker, einer der vier Koordinatoren des deutschen Human Genome Project, die Arbeit zusammen.

Das gesamte menschliche Genom soll im Jahr 2003, zum 50. Jahrestag der Entdeckung der Doppelhelixstruktur des Erbmaterials DNA, vorliegen, sagte Blöcker. Er leitet die Abteilung Genomanalyse bei der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung in Braunschweig. Der Mensch besitzt insgesamt 23 Chromosomenpaare.
->   German Human Genome Project
->   Gesellschaft für Biotechnologische Forschung, Braunschweig
Bisher größtes Chromosom
Das Chromosom 20 ist mit einer Kette von 60 Millionen Basen das größte der bisher entschlüsselten Chromosomen und für rund zwei Prozent des gesamten Genoms verantwortlich.

Die Forscher des Wellcome Trust Sanger Institute in Cambridge entdeckten darauf 727 Gene. Umgerechnet auf die Länge des DNA-Moleküls ist es damit deutlich dichter mit genetischen Bauanleitungen für Eiweiße bepackt als etwa das Chromosom 21.
->   Wellcome Trust Sanger Center: Chromosome 20
Nur 31.500 menschliche Gene?
Dieses enthält im Ganzen nur 225 Gene. Wegen dieser geringen Informationsdichte hatte man damals die geschätzte Gesamtzahl der menschlichen Gene von ursprünglich 70.000 bis 140.000 auf 40.000 hinunterkorrigiert.

Nach der Sequenzierung von Chromosom 20 deuten die neusten Hochrechnungen der britischen Forscher nun sogar auf nur 31.500 Gene hin.
Medizinische Bedeutung
Aus medizinischer Sicht ist das Chromosom 20 hochinteressant. Es beherbergt unter anderem die schon seit längerem bekannten Gene für die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und eine schwere Form des vererbten Immundefekts.

Zudem wird das Chromosom in Verbindung gebracht mit einer Form des Diabetes mellitus (Typ 2), mit Übergewicht, dem grauen Star und Ekzemen. Die weitere Analyse der neuen Gen-Resultate soll nun helfen, die genauen Ursachen dieser Krankheiten aufzuspüren.
Informationen frei zugänglich
Ein begleitender Kommentar von Masahira Hattori und Todd Taylor betont in "Nature", wie wichtig für die medizinischen Perspektiven der Sequenzierung die Tatsache ist, dass die aus öffentlichen Geldern finanzierten Ergebnisse für die gesamte wissenschaftliche Welt frei zugänglich sind.

Bereits die seit letztem Sommer vorliegende Rohfassung des Chromosoms 20 habe die Forschung nach neuen Krankheitsgenen beschleunigt, heisst es weiter.

Die Autoren spielen damit auf Celera Genomics an, wo ebenfalls an der Entschlüsselung des menschlichen Genoms gearbeitet wird, die Daten aber werden - im Gegensatz zum HGP - nicht veröffentlicht.
...
Der Kommentar (kostenpflichtig):
->   The human genome: Part three in the book of genes
...
Kritik an Shotgun-Methode und anderem
Kritisiert wird Celera auch für seine so genannte "Shotgun"-Methode, mit der dort das Erbgut in Bruchstücke zerlegt wird und man diese dann von Maschinen sequenzieren lässt.

Die so erhaltenen Daten müssen danach mit großem Rechenaufwand am Computer "entwirrt" werden. Diese Methode liefere nicht immer fehlerfreie Resultate, bemängeln Hattori und Taylor.

So habe Celera die Region mit den meisten Genen beim Chromosom 20 an einem völlig anderen Ort angesiedelt als die britischen Forscher in ihrer Publikation. Doch auch das Human Genome Project, das die Erbsubstanz mit einer anderen Methode Stück für Stück sequenziert, ist nicht gegen Fehler gefeit.

So weist ihre jetzt erschienene Endfassung erhebliche Unterschiede zum Entwurf vom letzten Sommer auf.
->   Celera Genomics
->   Human Genome Project
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010