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Herz-Bypass am schlagenden Herzen  
  Revolutionäre Neuerungen gibt es auf dem Gebiet der Herzchirurgie: Immer mehr Bypassoperationen werden am schlagenden Herzen durchgeführt. Also ohne Herz-Lungenmaschine - die normalerweise bei einer Herzoperation die Arbeit des Herzens übernimmt.  
Saugarm "Octostabil": Jahrhunderterfindung

Nur das kranke Areal im Herzen wird mit einer Art Klammer fixiert.
"Octostabil" heißt der Saugarm, der ein Herzareal ruhig stellen kann. "Wir habe mit der Off-pump-Technik 1996 begonnen und kommen derzeit in einen Bereich, bei dem wir 20 bis 30 Prozent der Bypass-Operationen am schlagenden Herzen durchführen", erklärte Johannes Bonatti von der Universitätsklinik für Chirurgie in Innsbruck.
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Octostabil
Octopus wird das Stabilisierungsgerät in Medizinerkreisen genannt. Wegen der Saugnäpfe auf der Unterseite der Klammer, mit deren Hilfe die betroffenen Blutgefäße festgehalten werden.
Während das Herz normal weiterpumpt und arbeitet, legt der Chirurg den Bypass, also eine Umleitung um das verstopfte Gefäß. Fingerspitzengefühl ist vom Chirurgen gefordert, um während der heftigen Pumpbewegungen des Herzens diese Feinarbeit zu leisten.
->   www.medtronic.com
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Bisherige Herzchirurgie mit Herz-Lungenmaschine
Die Herz-Lungenmaschine hat vor Jahrzehnten die moderne Herzchirurgie erst möglich gemacht. Durch ihre Anwendung kann das Herz des Patienten stillgelegt werden. Die Maschine übernimmt die Aufrechterhaltung des Blutkreislaufes samt der Sauerstoffanreicherung des Blutes.
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Technik der Herz-Lungen-Maschine
Diese Apparatur übernimmt bei allen Herzoperationen die Pumpfunktion des Herzens und die Funktion des Gasaustausches der Lungen. Eine wichtige Einrichtung, aber eine große Belastung für den Organismus: das Blut wird außerhalb des Körpers durch ein Schlauchystem gepumpt:dadurch kann es zu Entzündungsreaktionen kommen und im schlimmsten Fall zu einer Schädigung der inneren Organe.
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Nebeneffekte können auftreten
Doch dieser massive Eingriff in die Arbeit von Herz und sonstigem Kreislaufsystem kann auch negative Nebeneffekte haben. "Aus dem Kontakt des Blutes mit den Fremdoberflächen der Maschine kommt es zu Schädigungen der Blutkörperchen, zu einer Aktivierung des Gerinnungssystems, Thrombosebildung etc", so Bruno Rigler, Leiter der Klinischen Abteilung für Herzchirurgie an der Universitätsklinik Graz. Das könne bis zum Schlaganfall reichen, der bei zwei bis drei Prozent der unter Anwendung einer Herz-Lungenmaschine Operierten auftreten könne.
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Sechs Prozent aller Operationen mit einer Herz-Lungenmaschine führen zu Komplikationen. So das Ergebnis eine amerikanische Studie, die an 24 herzchirurgischen Zentren durchgeführt wurde. Bedrückende Zahlen, auch für die Chirurgen. Die angeführten Komplikationen sind zwar bekannt. Doch nun stehen sie in direktem Zusammenhang mit der Herz-Lungenmaschine, wie z.B. Schlaganfall, Embolien und vor allem Funktionsauzsfälle im Gehirn, wie Gedächtnisschwäche oder Wortfindungsstörungen.
->   New England Journal of Medicine
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Octopus für Bypass-Operation
Auf dem Gebiet der Bypasschirurgie wollen die Ärzte in Zukunft ganz auf die Herz-Lungenmaschine verzichten. Denn immer mehr Patienten, die einen Bypass benötigen, haben neben ihrer Herzerkrankung auch andere Beschwerden: Lungen- oder Nierenerkrankungen bzw. Störungen der Pumpfunktion des Herzens. Für diese Patienten ist die Operation mit der Herz-Lungenmaschine ein Risiko, weil sie eine große Belastung
für alle Organe im Körper bedeutet.
Besonders geeignet für ältere Patienten
Besonders geeignet ist die Technik für ältere Patienten mit Mehrfach-Erkrankungen - zum Beispiel, wenn die Körperschlagader sehr verkalkt ist. Auch Kranken mit sonst starker Atherosklerose (Halssschlagader, Becken) oder Lungenerkrankungen mutet man nur ungern eine Herzoperation samt Herz-Lungenmaschine zu.

Schließlich gibt es auch Personen mit einer Pumpschwäche des Herzens, bei der sich der vorübergehende künstliche Kreislauf negativ auswirken kann.
Verfahren ist zudem billiger
Die neue Technik hat aber auch noch andere Vorteile. "Das Verfahren ist billiger, weil es die Dauer der Intensivbetreuung des Patienten verkürzt. Die Patienten können früher von der Beatmungsmaschine genommen werden", meint Ferdinand Waldenberger vom Zentrum für Herz- und Gefäßchirurgie am Krankenhaus Lainz in Wien.
Geringere Schädigung des Herzmuskels
Laborwerte weisen auch auf eine geringere Schädigung des Herzmuskels als bei Operationen mit künstlicher Aufrechterhaltung der Blutzirkulation hin.
Herz-Lungenmaschine weiterhin notwendig
Auf der anderen Seite wird es weiterhin ein breites Anwendungsfeld für die Herz-Lungenmaschine geben. "Alle Operationen, bei denen das Herz geöffnet werden muss, auch alle Klappenoperationen", so Rigler.

Alexandra von Mersi
->   Universität Innsbruck
->   Universität Graz
 
 
 
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01.01.2010