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Neue Methode zur Entwicklung effizienter Materialien  
  Die Entwicklung hochwertiger Materialien wie etwa Katalysatoren für industrielle Produktionsabläufe benötigt viel Zeit und Geld. Doch das könnte schon bald anders sein. Mittels Künstlicher Intelligenz und einer Technik, die simultan Tausende chemische "Rezepturen" testet, sollen effizientere Materialien in Zukunft schneller produziert werden können.  
Dies berichten Jochen Lauterbach von der "Purdue University" und seine Kollegen, die ihre Methode vor allem für die Entwicklung neuer Typen industrieller Katalysatoren und Komponenten, wie sie bei Automatisierungs- und Produktionsprozessen benötigt werden, einsetzten möchten.

Die Produktion von chemischen Katalysatoren spielt in vielen industriellen Produktionsprozessen eine große Rolle. Darüber hinaus ist die Entwicklung neuer effektiver Katalysatoren zeit- und kostenintensiv.

Präsentieren werden die Ergebnisse am Freitag auf dem "4th Annual International Symposium of the Combinatorial Approaches for New Materials Discovery" in San Diego, Kalifornien.
->   4th Annual International Symposium of the Combinatorial Approaches for New Materials Discovery
Simultan und selbständig
Lauterbach hat mit seinen Kollegen James Caruthers und Venkat Venkatasubramanian ein automatisiertes System entwickelt, dass selbständig und systematisch Tausende chemischer Proben simultan entwickelt und diese dann testet.

Tausende kleine Kunststoffkügelchen in der Breite eines menschlichen Haares werden mit verschiedenen chemischen Katalysatoren bedeckt. Jeder dieser Kügelchen trägt einen spezifischen Katalysator.

Gemeinsam werden sie simultan in einem Experiment getestet. Mittels eines Infrarotsensors werden die einzelnen Proben analysiert und ihre Performance ausgewertet.
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Katalyse und Katalysatoren
die Beschleunigung oder Verzögerung einer chemischen Reaktion durch Anwesenheit einer geringen Fremdstoffmenge, die bei der chemischen Umsetzung keine dauernde Veränderung erfährt.

Die Wirkung des Katalysators kann durch Aktivatoren oder Promotoren verstärkt werden. Ein Katalysator kann auch unwirksam werden.

Die Katalyse spielt bei vielen chemisch-technischen Verfahren sowie bei chemischen Vorgängen im Laboratorium und in der Natur eine bedeutende Rolle. Unterschieden werden homogene Katalyse (reagierende Stoffe und Katalysator bilden nur eine Phase) und heterogene Katalyse (die chemische Umsetzung geschieht nur an der Oberfläche von festen Substanzen wie Platin, Eisen). Organische Katalysatoren heißen Enzyme.
->   Mehr zu Katalysatoren
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Intelligente Programme, die aus Fehlern lernen
Die Informationen über die mittels Infrarotsensor analysierten Katalysatoren direkt an eine Software weitergeleitet, die auf der Basis Künstlicher Intelligenz die Gedanken- und Intuitionsprozesse eines Chemikers simuliert.

Diese Software wertet die Fülle von Informationen, die sie vom Infrarotsensor erhält, aus und versucht aus gemachten Fehlern bei zu ineffizient arbeitenden Katalysatoren zu lernen.

"Die Software kann auch mit verschiedenen Vorgaben 'gefüttert' werden, um so ein bestimmtes Ergebnis zu erlangen", beschreibt Lauterbach die Möglichkeiten. Die Software produziert dann auf Basis der neuen Informationen neue Materialkombinationen, die schließlich zur Produktion effizienterer Katalysatoren führen sollen.
Neuronale Netzwerke und genetische Algorithmen
Die mit Künstlicher Intelligenz ausgestattete Software arbeitet vor allem auf der Basis zwei wesentlicher Komponenten: hybride neuronale Netzwerke und genetische Algorithmen.

Diese verschiedenen Komponenten der Software arbeiten in einem sich wiederholenden, zweiphasigen Zyklus zusammen.
Analyse und Eigenschaften
In einem ersten Schritt analysieren die neuronalen Netzwerke die Formeln der verschiedenen Katalysatoren. Sie bestimmen die Eigenschaften dieser Materialien, basierend auf ihrer chemischen Struktur.

In der zweiten Phase selektieren die genetischen Algorithmen die besten und schlechtesten Katalysatoren aus. Diese Algorithmen generieren auch "Mutationen" der besten Materialien, um daraus noch bessere Versionen zu extrahieren.

"Dann werden die aus diesem Prozess resultierenden Formeln wieder an das neuronale Netzwerk zurück geschickt und der Kreislauf beginnt wieder von vorne, um aus diesen Materialien noch bessere zu generieren", beschreibt Venkat Venkatasubramanian, ein Kollege von Lauterbach, den Prozess der Materialoptimierung.
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Neuronale Netzwerke und genetische Algorithmen
Neuronale Netzwerke: Nachbildung der Vernetzung von Nervenzellen in Form von Soft- oder Hardware. Ein neuronales Netz kann z.B. zur Verarbeitung von Bild- und Sprachinformation sowie zum schnellen Auffinden brauchbarer Näherungslösungen bei komplexen Problemen eingesetzt werden. Mehr zu Neuronalen Netzen

Genetischen Algorithmen (GA) dienen der Lösung von Optimierungsaufgaben. Die Ausführung eines GA ist eine Art von Evolution, die auf einem Rechner abläuft. Analog zum biologischen Prozess, wirkt der Algorithmus auf eine Menge von Individuen, die zufällig verteilten Mutationen ausgesetzt sind. In einem Selektionsschritt wird die Fitness eines jeden Individuums bewertet. Die Fitness wiederum bestimmt die Chance auf Reproduktion und damit auf die Übernahme in die nächste Generation. Nach mehreren Runden von Mutation und Selektion werden als Lösung des Optimierungsproblems aus den Individuen die am besten angepassten gewählt. Mehr zu genetischen Algorithmen
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Der simulierte Chemiker
Ein weiterer Kollege von Lauterbach, James Caruthers, beobachtete, wie Chemiker neue Ideen und Formeln entwickeln. Daraus erstellte er Modelle, die jene Gedankengänge simulierten, um sie in die Neuronalen Netzwerke der Software zu implementieren.

"Viele Chemiker denken nicht in Termini von Gleichungen und mathematischen Modellen. Sie denken eher in Form von Bildern, die Anfangs- und Endstadium einer Reaktion beschreiben. Was wir jetzt noch mehr versuchen sollten, ist das Entstehen dieser Anfangs- und Endbilder softwaremäßig zu simulieren", erklärt Caruthers.
Ein hybrides Neuronales Netzwerk
Das neuronale Netzwerk der Purdue-Forscher unterscheidet sich nach deren Angaben vor allem dadurch von bisher bekannten, dass es die physikalischen und chemischen Ursachen von Reaktionen analysiert und hinterher die Software die Eigenschaften der Materialien bestimmen lässt.

Da in diesem Fall Kenntnisse der Physik und Chemie kombiniert verwendet werden, wird es auch als "hybrides" Neuronales Netzwerk bezeichnet.
->   Chemical Engineering an der Purdue University
 
 
 
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01.01.2010