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Blütenpollen: Faszinierender Mikrokosmos  
  Was "tun" Pollen, um eine Bestäubung auch weit entfernter verwandter Pflanzen zu sichern? Inwieweit können sie mit Form, Struktur oder Größe ihre Beweglichkeit beeinflussen und so zur Verbreitung von Pflanzen beitragen? Das Wiener Universitätsinstitut für Botanik hat eine Pollendatenbank erstellt, mit deren Hilfe die Zusammenhänge zwischen Ultrastruktur der Pollenkörner und Bestäubungsbiologie untersucht werden können.  
Erfindungsreiche Natur
Von kugelig bis elliptisch, winzig klein bis fast schon mit freiem Auge sichtbar, unterschiedlich viele charakteristisch geformte Keimöffnungen, die für die Befruchtung notwendig sind - in der unendlichen Vielfältigkeit der Pollenkörner zeigt sich der "Erfindungsreichtum" der Natur.

Besonders facettenreich ist die Gestaltung der Pollenkornoberfläche, die Ornamentierung. Glatt oder mit Stacheln, Zacken, Leisten, halbkugelförmige Erhebungen versehen - unter dem Mikroskop tut sich ein faszinierender Mikrokosmos auf.

Seit Jahren waren im Institut für Botanik unzählige mikroskopische Aufnahmen diverser Pollen gesammelt worden. Um Zuordnung und Übersicht zu erleichtern, aber auch, um den internationalen Wissens- und Erfahrungsaustausch zu verbessern, wurden diese Bilder nun in eine kontinuierlich wachsende Datenbank übernommen.
->   Die Pollen-Datenbank
Anwendungen für Imker
Praktischen Nutzen im Alltag kann die Pollendatenbank auch haben: nämlich für Imker und alle, die an der Sortenreinheit eines Blütenhonigs interessiert sind. Dazu braucht man nur einen entzuckerten Tropfen Honig unter dem Lichtmikroskop zu betrachten.

Die erkennbaren Pollenkörner können dann mit den Bildern in der Datenbank verglichen werden. Unter den vielen dort abgebildeten natürlichen Mikrokunstwerken werden sich auch jene finden, die die Bienen in den Stock geflogen haben.
Sicherung der Fortpflanzung
Wozu - evolutionsbiologisch betrachtet - die Natur einen solchen Aufwand treibt? Auch hier mag es nicht zuletzt um den Fortpflanzungserfolg gehen. Eine wichtige Rolle kommt der Pollenoberfläche bei der Bestäubung zu. Pollenkörner, die mit dem Wind treiben, sind eher rund und glatt. Von Tieren transportierte haben raue, stachelige, zackige Oberflächen und bleiben so eher an Insekten, Vögeln oder Säugern haften.

Nicht zuletzt von der Art der Bestäubung hängt es auch ab, in welchen Entfernungen der Pollen einer Pflanze noch auf befruchtbare Blüten treffen kann.
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Beispiel Nadelhölzer
Extremes Beispiel sind die Nadelhölzer, ihre Pollen können tausende Kilometer weit vom Wind verweht werden. Die Chance, dann auch noch auf weibliche Blüten zu treffen, wird allerdings immer geringer. Ein durchschnittlicher Nadelbaum-Ast produziert in einer Saison daher viele Millionen Pollenkörner. Insekten-Bestäuber kommen dagegen oft mit ein paar tausend oder noch weniger Pollenkörnern pro Pflanze aus.

Wenn die Bestäubung gelungen ist, und das Pollenkorn, ist aber noch lange nicht alles erledigt. Jetzt zeigt sich, welcher Pollen am schnellsten imstande ist, das Erbgut in seinem Inneren durch einen eilig gebildeten Pollenschlauch zur Eizelle der Blüte zu schicken. Ein Merkmal, das dafür verantwortlich ist und ebenfalls als Suchkriterium in der Datenbank dient, sind Form und Zahl der Keimöffnungen. Häufig sind ein, drei oder fünf Keimöffnungen, auch sie sind charakteristisch für jede Pflanzenart.
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Signifikante Oberflächenstruktur
Auch die Oberflächenstruktur der Pollen scheint Rückschlüsse auf einen möglichen Befruchtungserfolg zuzulassen. Inzwischen ist man relativ sicher, das die vielen verschiedenen, teils sehr komplizierten Ornamentierungen durch eine Art Selbstorganisationsprozess entstehen. Bei natürlich oder künstlich sterilen Pollenkörnern ist die Ornamentierung oft ganz uncharakteristisch ausgebildet oder überhaupt völlig verlorengegangen.

Die Palynologen am Wiener Institut für Botanik analysierenden seit Jahren den Aufbau dieser Pollenwände. Sie besteht hauptsächlich aus einer chemisch noch nicht genau definierten Substanz: dem Sporopollinin. Es ist extrem widerstandsfähig und überdauert unbeschadet auch Jahrmillionen, wenn es keinem Ozon ausgesetzt ist.
Pollenfunde wichtig für Paläontologen ...
Dadurch finden sich Fossile von Pollenkörnern, deren Aussehen noch exakt denen jetzt lebender Pflanzen gleicht - und das macht die Pollenkörner auch für Paläontologen und Erdölfachleute interessant. Anhand fossiler Pollenbefunde kann man so sagen, in welchen Erdschichten wann welche Arten gewachsen sind - und was daher im Laufe der Jahrmillionen aus ihnen geworden sein mag.

Aber auch in der jüngeren Geschichte bringen palynologische Untersuchungen oft erstaunliche Ergebnisse zutage. Dabei geht es allerdings weniger um das Alter, als um die Herkunft der entsprechenden Pflanzen, was für Kriminalisten interessant sein kann.
... und Kriminalisten
Bekannt und berühmt wurde in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts der Wiener Botaniker Wilhelm Klaus, der der Polizei die entscheidenden Hinweise zur Aufklärung eines Mordfalls liefern konnte. Er hatte die Gummistiefel des Verdächtigen untersucht und anhand der Pollen in der Sohle eindeutig feststellen können, dass dieser sich entgegen seinen Beteuerungen am Ort des Verbrechens aufgehalten hatte.


Ein Beitrag von Birgit Dalheimer für die Ö1-Dimensionen
->   Österreich 1
 
 
 
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01.01.2010