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Die ethisch unbedenkliche Stammzelle  
  Adulte Stammzellen, die sich in jede Gewebeart des Körpers weiterentwickeln können, würden die Gentechnik revolutionieren - und die Forschung an den umstrittenen embryonalen Stammzellen überflüssig machen. Amerikanische Wissenschaftler sollen nun Presseberichten zufolge eine solche ethisch unbedenkliche "Wunderzelle" entdeckt haben.  
Bisher dachte man, dass sich nur embryonale Stammzellen unbegrenzt teilen und in jedes Gewebe des Körpers weiterentwickeln können.

Sollte sich die Entdeckung des Wissenschaftlerteams unter der Leitung von Catherine Verfaillie von der University of Minnesota allerdings bestätigen, dann könnten in Zukunft Zellen aus dem eigenen Körper zur Züchtung von Gewebe, Organen und dem Heilen von Krankheiten verwendet werden.
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Embryonale und adulte Stammzellen
Adulte Stammzellen finden sich in mehreren Organen und im Knochenmark von Erwachsenen. Sie sind teilungsfähige Zellen, können sich im Vergleich zu embryonalen Stammzellen aber eigentlich nur begrenzt vermehren und in andere Gewebe entwickeln. Zum Einsatz dieser adulten Stammzellen gibt es keine ethischen Bedenken.

Embryonale Stammzellen sind Stammzellen von Embryonen im so genannten Blastozytenstadium. Sie können sich unentwegt weiter teilen und im Körper noch zu mehr als 200 Geweben heranwachsen. Die Zellen werden unter anderem aus überzähligen Embryonen gewonnen, die im Rahmen der künstlichen Befruchtung entstehen und nicht mehr für eine Schwangerschaft benötigt werden.
->   Mehr Informationen über Stammzellen
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Patent statt Publikation
"Aufregend", findet auch Ihor Lemischka von der University of Princeton die Entdeckung, wenn auch unter der Einschränkung der Wiederholbarkeit des Versuches. Denn bis jetzt wissen nur Insider, welche Methoden und Experimente bei der Erforschung dieser neuen "Wunderzelle" angewandt wurden.

Verfaillie und ihr Wissenschaftlerteam haben sich bisher mit wissenschaftlichen Publikationen über ihre Arbeit sehr zurückgehalten.

Der Grund dafür könnte, neben dem eigenen Anspruch nur abgesicherte Ergebnisse zu veröffentlichen, auch in kommerziellen Beweggründen zu suchen sein. So liegt nach Angaben der Fachzeitschrift "New Scientist" bereits ein Patentantrag für die neue Zelle vor.
Die adulte Stammzelle, die sich unendlich teilen kann
Die Zellen, so genannte multipotente adulte Vorläuferzellen, kurz MAPCs, wurden im blutbildenden Gewebe des Knochenmarks gefunden. Sie scheinen sich in Zellkulturen unbegrenzt teilen zu können.

Einige der Zelllinien sollen sich schon seit zwei Jahren vermehren und ihre ursprünglichen Charakteristika behalten haben, ohne Alterungserscheinungen zu haben.
Embryonale Stammzellenforschung in Frage gestellt?
Unter den richtigen Bedingungen sollen sich die MAPCs in jedes beliebige Körpergewebe entwickeln können. Damit würden sie die selben Eigenschaften wie embryonale Stammzellen an den Tag legen und so das therapeutische Klonen zur Gewinnung von embryonalen Stammzellen unnötig machen.

Auch die Notwendigkeit der umstrittenen embryonalen Stammzellenforschung würde durch die neue "Wunderzelle" in Frage gestellt werden.
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Therapeutisches Klonen
Die Embryonen werden hierbei allein zu Therapiezwecken erzeugt. Wissenschaftler wollen dabei neues Gewebe mit dem Erbgut eines Patienten züchten. Erbmaterial aus gesunden Zellen des Patienten soll dazu in eine entkernte Eizelle gespritzt werden. Diese teilt sich mehrfach. Am vierten Tag werden daraus Stammzellen entnommen. Diese sollen so programmiert werden, dass sie sich zu verschiedensten Geweben und Organen umbilden können.

Als therapeutisches Klonen bezeichnet man also die Erzeugung von Embryonen nur zu dem Zweck, um daraus Stammzellen zu gewinnen. Diese Zellen, das ist die Vision, könnten bei Fortschreiten der Technologie eines Tages als "Ersatzteillager" für Gewebe und Organe dienen.
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Das Rennen um die "Wunderzelle"
Ähnliches behaupten zwei weitere Labors, sie wollen multipotente Zellen in Mäusen gefunden haben. Und die Biotech-Firma MorphoGen Pharamceuticals in San Diego erklärt, solche Zellen in der Haut, den Muskeln und im Rückenmark des Menschen entdeckt zu haben.

Verfaillie und ihrem Team scheint es aber bisher als einzigen gelungen zu sein, die Vielseitigkeit dieser adulten Stammzellen im Experiment nachzuweisen. Sie extrahierten die Zellen aus dem Knochenmark von Mäusen, Ratten und Menschen.
Das Ende einer moralischen, ethischen Diskussion
Haben Catherine Verfaillie und ihr Team die Wunderzellen gefunden, mit denen sich alle Probleme der Stammzellenforschung lösen lassen? Wird therapeutisches Klonen überflüssig, weil diese neuen Zellen perfekt zum Spender passen?

Sollten diese Fragen mit ja beantwortet werden können, dann wäre die Stammzellenforschung von einer großen Last befreit. Die weltweite ethische und moralische Diskussion, die Androhungen von Forschungsverboten, all das wäre zu Ende. Die Akzeptanz dieses Forschungszweiges würde vermutlich plötzlich stark steigen.

Und nicht nur die Zukunft der Stammzellenforschung kann durch diese Entdeckung stark beeinflusst werden, auch über die Natur der Stammzellen selbst werden neue Fragen aufgeworfen. Verfaillie und ihr Team glauben, dass MAPCs seltene Zellen sind, die aus dem Knochenmark herausgefiltert werden können.
Neuartige Stammzelle zufällig selbst erschaffen?
Andere Wissenschaftler glauben hingegen, dass MAPCs erst durch den Gewinnungsprozess entstehen. "Ich glaube nicht, dass es eine seltene, versteckte adulte Zelle im Rückenmark gibt die solche Eigenschaften besitzt," sagt etwa Neil Theise von der New York University Medical School. "Vielmehr glaube ich, dass Catherine einen Weg gefunden hat, so eine Zelle zu produzieren."
->   University of Minnesota
->   University of Princeton
->   New York University Medical School
 
 
 
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01.01.2010