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Deutschland: Stammzellen-Import unter strengen Auflagen  
  In Deutschland sollen embryonale Stammzellen in Zukunft unter strengen Auflagen für Forschungsvorhaben importiert werden dürfen. Die Herstellung embryonaler Stammzellen bleibt aber verboten. Der deutsche Bundestag stimmte am Mittwoch nach mehrstündiger Debatte für einen entsprechenden Kompromissantrag.  
Weitgehende Freigabe der Zelleneinfuhr abgelehnt
Der Antrag der Abgeordneten Margot von Renesse (SPD), Maria Böhmer (CDU) und Andrea Fischer (Grüne), den auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und CDU-Chefin Angela Merkel unterstützt hatten, erhielt die Parlamentsmehrheit von 340 Abgeordneten in einer Stichwahl.

Für ein Importverbot stimmten 265 Parlamentarier. In einem ersten Wahlgang hatten die Parlamentarier zuvor die weitgehende Freigabe der Zelleneinfuhr abgelehnt.
Nun muss Gesetz verabschiedet werden
Der Bundestag muss nun ein Gesetz verabschieden, das nur die Einfuhr embryonaler Stammzellen erlaubt, die bis zu einem bestimmten Stichtag hergestellt wurden. Damit soll verhindert werden, dass die Zellen eigens für die Einfuhr nach Deutschland hergestellt werden. Die Einfuhr soll von einer Behörde kontrolliert werden.
Erste Konsequenz: Freigabe von Fördergeldern
Schon in dieser Woche wird die erste Konsequenz des Bundestags-Beschlusses erwartet: Die DFG wird über die Förderung eines Projekts entscheiden, für das der Bonner Wissenschaftler Oliver Brüstle embryonale Stammzellen aus Israel importieren wollen. Die Entscheidung war aus Rücksicht auf die Bundestags-Abstimmung mehrfach verschoben worden. Eine Freigabe der Forschungsgelder wird erwartet.
Schröder und Merkel einer Meinung
Den Abstimmungen war eine von Sachlichkeit, großem Ernst und gegenseitigem Respekt geprägten Bundestagsdebatte vorausgegangen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und CDU-Chefin Angela Merkel warben für den fraktionsübergreifenden Kompromissantrag.

In allen Fraktionen fanden sich Fürsprecher für die insgesamt drei vorliegenden Anträge. Der so genannte Fraktionszwang war aufgehoben.
Schröder für Freiheit von Wissenschaft und Forschung
Schröder, der von der Abgeordnetenbank in die Diskussion eingriff, machte deutlich, dass die Freiheit von Wissenschaft und Forschung für ihn hohen Schutz genieße. Außerdem werde Deutschland bei einem bedingten Ja sich nicht von der internationalen Entwicklung abkoppeln. "Nur dann wird es uns möglich sein, die notwendige Kontrolle der Verfahren und Ergebnisse zu gewährleisten."
Merkel gegen "verbrauchende Forschung an Embryonen"
Merkel hob hervor, dass es keine "verbrauchende Forschung an Embryonen" geben dürfe. Nach dem Antrag, den Schröder und Merkel befürworten, sollen nur solche Zelllinien eingeführt werden können, die vor einem bestimmten Stichtag gewonnen worden sind.

Merkel verlangte eine intensive Ausweitung der Forschung an adulten (erwachsenen) Stammzellen. Hier bestehe noch ein erhebliches Forschungspotenzial, sagte sie.
Gesetzeslücke machte Abstimmung nötig
Der Bundestag musste sich mit der Frage beschäftigen, weil das geltende Embryonenschutzgesetz den Import von embryonalen Stammzellen des Menschen nicht regelt - es besteht eine Gesetzeslücke.

Sie hat zur Folge, dass der Import an sich möglich ist. Deutsche Forscher haben bereits Stammzellen eingeführt, bislang ihre Forschung an diesen Zellen aber noch nicht aufgenommen.
Auch in Österreich rechtlich umstritten
In Österreich ist die rechtliche Frage, ob embryonale Stammzellen importiert werden dürfen, nicht eindeutig beantwortet. Im Österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetz ist zwar klar geregelt, dass Samen, Eizellen und entwicklungsfähige Zellen "nicht für andere Zwecke als für medizinisch unterstützte Fortpflanzungen verwendet werden" dürfen. Damit wäre auch die Forschung an importieren "entwicklungsfähigen Zellen" untersagt. Fraglich ist allerdings, ob auch embryonale Stammzellen juristisch gesehen unter den Begriff "entwicklungsfähige Zellen" fallen, erklärte der Bioethik-Experte Ulrich Körtner kürzlich.
->   Stammzellen-Import: Gesetzeslage in Österreich
Kontrollbehörde und klare Genehmigungspflichten
Die stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Maria Böhmer (CDU), die neben der SPD-Politikerin Margot von Renesse eine der Hauptinitiatoren des Antrages für einen Import von Stammzellen mit scharfen Auflagen ist, plädierte für klare Genehmigungspflichten sowie die Einrichtung einer Kontrollbehörde.

Es müsse eindeutig geklärt sein, wo die Zellen herkommen, wie sie gewonnen wurden und wie sie verwendet werden sollen.
Importgegner: "Ethischer Dammbruch"
Die Importgegner, zu denen auch Unions-Fraktionschef Friedrich Merz zählte, warnten vor einem ethischen Dammbruch in der Gentechnik. Der SPD-Abgeordnete Wolfgang Wodarg meinte, auch ein Embryo genieße den Schutz der Menschenwürde und dürfe deshalb nicht zu Forschungszwecken getötet werden. Der CDU-Abgeordnete Hermann Kues argumentierte, der Import wäre "die nachträgliche Billigung der Tötung der Embryonen außerhalb Deutschlands".
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Die ethisch unbedenkliche Stammzelle
Erst vor wenigen Tagen berichteten amerikanische Wissenschaftler von einer "ethisch unbedenklichen Wunderzelle". Die so genannten multipotente adulten Vorläuferzellen wurden im blutbildenden Gewebe des Knochenmarks gefunden. Sie scheinen sich in Zellkulturen unbegrenzt teilen zu können und somit ähnliche Eigenschaften wie embryonale Stammzellen zu besitzen.
->   Mehr dazu in science.orf.at
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Befürworter: "Medizinisches und ethisches Gebot"
Am weitesten ging jener Antrag, der den Import im wesentlichen ohne Einschränkungen zulassen und auch einer Gewinnung von Stammzellen in Deutschland den Weg bereiten wollte. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Peter Hintze hielt den Import von embryonalen Stammzellen für "medizinisch und ethisch geboten". Auch den Befürwortern des Imports gehe es um die Menschenwürde. Sie wollten denjenigen helfen, denen es gesundheitlich nicht gut gehe, um ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
->   Mehr über Stammzellen in science.orf.at
 
 
 
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01.01.2010