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Höhlenforschung in Österreich  
  Was sagen Tropfsteine über die Klimageschichte aus? Warum schauen alle Höhlentiere ähnlich aus? Kann das Höhlenklima therapeutisch genutzt werden? In den 13.000 Höhlen Österreichs finden Vertreter verschiedener Wissenschaften ein umfangreiches Forschungsfeld vor.  
Einstiege in lichtlose Löcher
Der Lamprechtsofen in den Leoganger Steinbergen ist eine der tiefsten Höhlen der Welt. Wissenschaftler und Höhlenkundler schlängeln sich hier gemeinsam durch die unterirdischen Gänge.
Die Wissenschaft ist auf die Arbeit der höhlenkundlichen Vereine, auf die Abenteurer, die sich in unerforschte Gangsysteme vorwagen, angewiesen.

Sie bringen Steine, Wasserproben, Tierknochen und vor allem exakte Aufzeichnungen über die neuentdeckten Gangsysteme mit ans Tageslicht und machen diese Funde und Daten für die Wissenschaft erst zugänglich.
Wissenschaftler und Höhlenforscher
Auch Karl Mais, der Leiter der Karst- und Höhlenkundlichen Abteilung des Naturhistorischen Museums in Wien, erhält regelmäßig Daten und Proben aus neu erforschten Höhlen in Österreich.

Seiner Meinung nach ist der Wert der Arbeit der Höhlenkundler nicht hoch genug einzuschätzen. Eine Höhlenfahrt mit Wissenschaftern sei nicht nur zu teuer, so Mais, sie sei oft auch aus höhlen-alpinistischen Gründen gar nicht durchführbar.
Was uns die Tropfsteine sagen
Auch Christoph Spötl, Professor am Institut für Geologie und Paläontologie der Universität Innsbruck, arbeitet regelmäßig mit Höhlenkundlern zusammen. Er ist vor allem am Höhlensinter interessiert - das sind die oft bewunderten mineralischen Gebilde wie Stalagmiten, Stalaktiten, Sinterröhrchen oder Höhlenperlen.
Steinerne Archive
"Diese Gebilde können Auskunft über die Zeit und die Dynamik der Höhlenbildung geben", sagt Spötl. "Höhlensinter ist aber auch als steinernes Archiv interessant. Wenn man eine dunkle Lage im Höhlensinter sieht, wo die Kristalle aufgehört haben zu wachsen, darüber aber eine neue Lage ansetzt, dann ist das meist mit einem großen Zeitsprung verbunden.

Hier wird deutlich, dass der Sinter lange Zeit, vielleicht sogar Jahrtausende, keine Bedingungen vorgefunden hat, um zu wachsen. Vielleicht war die Höhle zugefroren, oder das Wasser wurde umgeleitet usw. An solchen Stellen im Sinter sieht man jedenfalls, dass etwas passiert sein muss. In den alpinen Höhlen war dies meist eine Klimaverschlechterung, ein Eisvorstoß".
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Wachstum in "Zeitlupe"
Stalagmiten, das sind die Zapfen, die aus dem Höhlenboden wachsen, legen nur wenige Millimeter pro 100 Jahre zu. Man kann sagen, dass ein Stalagmit mit einer Höhe von einem halben Meter in den letzten 10.000 bis 12.000 Jahren entstanden ist, das entspricht jener erdgeschichtlichen Zeit, die man als Warmphase bezeichnet. Wärme ist generell eine gute Voraussetzung für die Sinterbildung.
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Die Höhlen Österreichs
In Österreich gibt es rund 13.000 Höhlen. Die längste ist die Hirlatzhöhle im Dachsteingebiet mit einer Länge von mehr als 86 Kilometern. Die tiefste Höhle Österreichs ist der Lamprechtsofen in den Leoganger Steinbergen mit einem Höhenunterschied von mehr als 1.600 Metern auf einer Länge von ca. 50 Kilometern.
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Klassifizierung der Höhlen
Hubert Trimmel, der Mitbegründer des Verbandes österreichischer Höhlenforscher im Jahre 1949 und jetzt deren Ehrenpräsident, legt wert auf die Feststellung, dass eine Klassifizierung der Höhlen in Tropfsteinhöhlen und Eishöhlen lediglich eine unwissenschaftliche Klassifizierung nach Elementen sei, die in solchen Höhlen am auffälligsten sind. Eigentlich sollte eine Höhle aber nach der Länge klassifiziert werden.
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Höhlen als Fundplätze
Aus Österreichs Höhlen sind zahlreiche Funde von Lebewesen bekannt, man denke an die paläontologisch interessanten Funde von Höhlenbären, die aus der Jungeiszeit stammen. Es gibt aber auch prähistorische Funde, die die Anwesenheit des Menschen in Höhlen bezeugen, etwa die altsteinzeitlichen Funde aus der Gudenushöhle in Niederösterreich.
Lebenskünstler
Wer gegenwärtig nach Spuren von Lebewesen sucht, findet einige Lebenskünstler, die sich in der kühlen und lichtlosen Welt der Höhlen wohlfühlen.

Erhard Christian ist Professor für Zoologie an der Universität für Bodenkultur in Wien, wo er sich seit Jahren mit der Höhlenfauna beschäftigt: "Es gibt Schmetterlinge wie die Zackeneule oder den Wegdornspanner, die einen Großteil ihres Falterlebens in Höhlen verbringen. Kaum sind sie aus der Puppe geschlüpft, gehen sie schon in unterirdische Lebensräume.¿ In Eishöhlen kann man dagegen den Springschwanz, ein winziges flügelloses Insekt, finden.
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Höhlentiere sind einander überraschend ähnlich
Die Erforschung der Höhlenfauna in Österreich hat in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung erlebt, betont der Zoologe Erhard Christian. Die Wissenschaft ist vor allem interessiert an der Frage, wie es dazu kam, dass sich die verschiedenen Höhlentiere in ihrem Aussehen so ähnlich sind. Sie weisen allesamt lange Extremitäten und eine Rückbildung der Augen auf. Letzteres könne so gedeutet werden, dass sich Augen durch ständigen Nichtgebrauch langsam, Schritt für Schritt, zurückbilden, sagt Christian. Aber dazu gebe es auch andere Theorien.
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Schritte der Evolution
Am Springschwanz wird zur Zeit in Österreich gerade der aus evolutionärer Sicht so interessante Schritt zum Höhlentier erforscht, wie Erhard Christian berichtet: "Wir haben Populationen, von denen wir annehmen können, dass sie erst seit geologisch kurzer Zeit unterirdisch leben - sie haben nämlich noch alle acht Augen pro Kopfseite, wie es sich für Springschwänze an der Oberfläche gehört.

In anderen Populationen sind die Augen bereits reduziert, oft auch asymmetrisch, so dass links mehr Augen sind als rechts. Wenn man nun diese Augenreduktion kartiert, kann man feststellen, dass die Tiere am Ostrand der Alpen ihren oberirdischen Ahnen gleichen. Je weiter man in die Alpen hineingeht, umso mehr sind sie auf dem Weg zum Höhlentier fortgeschritten.¿
Späleotherapie: Gesundheit aus Höhlen?
Dem Menschen scheint es gut zu bekommen, wenn er sich zumindest fallweise in bestimmten Höhlen aufhält, wie Studien beweisen. Mit der Nutzung des Höhlenklimas auf die Gesundheit des Menschen beschäftigt sich die sogenannte Späleotherapie.

Entsprechende Einrichtungen in Österreich sind die bekannten und als Heilstätten anerkannten Heilstollen von Gastein, Bad Bleiberg und Oberzeiring. Dabei handelt es sich allerdings um Stollen von aufgelassenen Bergwerken.
Gesundes Höhlenklima
Der Allgemeinmediziner und Höhlenforscher Rudolf Bengesser, Kurarzt beim Gasteiner Heilstollen, untersucht seit Jahren auch die Auswirkungen des Höhlenklimas zweier Naturhöhlen im Salzkammergut, das sind die Koppenbrühlerhöhle bei Obertraun und die Schwarzenbachhöhle bei Bad Goisern.

Bengesser hat bei Patienten nach dem Aufenthalt in diesen Höhlen positive Effekte auf die Atemwege entdeckt. Sie haben längere Zeit angehalten.
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Höhlenterapie
Mehrere Komponenten bewirken nach Ansicht des Arztes und Höhlenforschers Rudolf Bengesser den therapeutischen Nutzen bestimmter Höhlen. Da ist zunächst einmal die hohe Luftfeuchtigkeit zu nennen, die an die 100 Prozent geht. Das bewirke eine gewisse Reinigung der Luft. Die Luft in Höhlen ist praktisch keimfrei, zumindest was pathogene Keime betrifft. Weiters gibt es einen höheren Kohlendioxyd- und Radongehalt und es fehlen elektromagnetische Felder.
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Linderung der Beschwerden
Asthmatiker, Allergiker und Patienten mit anderen Atemwegserkrankungen könnten also auch das Höhlenklima zur Linderung ihrer Beschwerden nutzen.

Rudolf Bengesser denkt daran, dass man als Patient etwa zwei oder drei Wochen lang täglich eine oder zwei Stunden in einer Höhle verbringt. Aktiv, versteht sich, denn die Temperatur in jenen Höhlen ist relativ niedrig, passiv im Liegestuhl hält man sich lediglich in den überaus warmen Heilstollen auf.

Ein Spaziergang etwa durch die Koppenbrühlerhöhle sei kein Problem, sagt Bengesser, sie werde ja seit mehr als 90 Jahren als Schauhöhle genutzt. Doch diese Naturhöhlen sind noch nicht als Heilvorkommen anerkannt. Auf die bisher vorliegenden Untersuchungen müßten noch offizielle wissenschaftliche Gutachten folgen. Doch dafür fehlt zur Zeit noch das nötige Geld.

Ein Beitrag von Wolfgang Bauer für die "Dimensionen" vom 6. Februar 2002 im Programm Österreich 1
->   Radio Österreich 1
->   Karst- und Höhlenkundliche Abteilung am Naturhistorischen Museum Wien
->   Verband Österreichischer Höhlenforscher
 
 
 
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01.01.2010