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Klaus Theweleit: Der "Männerfantasien"-Autor wird 60  
  1977 publizierte er die "Männerfantasien", ein Buch, das sich beispielhaft mit Fragen männlicher Gewalt gegenüber Frauen und dem Zusammenhang mit dem Faschismus auseinandersetzte. Am 7. Februar wird Klaus Theweleit, deutscher Schriftsteller, Philosoph, Kulturkritiker und Literaturwissenschaftler, 60 Jahre alt.  
Wissenschaftlicher Anspruch mit Pop-Appeal
Mit seiner 1977/78 unter dem Titel "Männerfantasien" veröffentlichten Dissertation wurde der 1942 in Ostpreußen geborene Theweleit schlagartig bekannt.

Seine Verbindung aus wissenschaftlichem Anspruch mit lockerer Schreibweise und zahlreichen Zitaten aus Pop-Kultur, Psychoanalyse und Literatur erregte großes Aufsehen.
Faschismus als Endpunkt des Patriarchats
Mit Hilfe von Freikorpsliteratur ging er dabei der Frage nach, welcher Typ Mann in den Sog des Faschismus geriet und inwiefern dies mit männlicher Gewalt gegenüber Frauen in Zusammenhang steht. "Der Faschismus erscheint als ein Endpunkt des Patriarchats", resümierte einmal die "Weltwoche".

Im Zentrum des - nach Angaben seines Verlags bereits eine halbe Million mal verkauften - Werks steht die Verstörung zwischen den Geschlechtern und der sich "selbst unbekannte" Mann als Voraussetzungen für den Faschismus.
Körpererfahrung, Kunst und Faschismus
In den "Männerfantasien" wird gezeigt, wie der menschliche Körper - im ersten Band der ängstigende, "flüssige" weibliche, im zweiten der unfertige männliche - in Texten, Bildern und anderen Kunstprodukten auf eine lebensvernichtende Realität eingestellt wurde.

Theweleit beschreibt die männliche Körpererfahrung, die sich bereitwillig stählen und in das mörderische Erlebnis der Soldaten kanalisieren ließ.
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Die Frau als angstbesetztes Symbol der Flüssigkeit
Aus einer psychoanalytischen Perspektive rekonstruierte Theweleit unter anderem die enge Verbindung von Frauen, Weiblichkeit und Fruchtbarkeit mit fluiden Medien in der europäischen Literatur: "Es ist ein Fluss ohne Ende und riesig breit, der so durch die Literaturen fließt: Immer wieder: die Frau aus dem Wasser, die Frau als Wasser, als brausendes, spielendes, kühlendes Meer, als reißender Strom, als Wasserfall, als unbegrenztes Gewässer, durch das die Schiffe treiben, mit Seitenarmen, Tümpeln, Brandungen, Mündungen; die Frau als lockende (oder gefährliche) Tiefe, als Becher, in dem der Saft sprudelt, die Vagina als Welle, als Schaum, als dunkler Ort (...) Die Vagina als Eingang in den Ozean, als Teil aller Ozeane, die Ozeane als Teil jeder Vagina (...) Der Name aller Orte, an denen es fließt, ist Frau."
->   Theweleit, zitiert aus: Karin Liebhart - Frau und Wasser, Wasserfrauen
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Männliche Kunst und weibliche Opfer
Auch in seinen weiteren Werken beschäftigte sich Theweleit mit dem Kampf der Geschlechter. Im "Buch der Könige" (1988) widmete er sich dem Mythos der von Männern geschaffenen Kunst und dem Verhältnis von Künstlern zur Macht.

Er behauptete, dass die Produktion männlicher Kunst auf weiblichen Menschenopfern basiere. Als Beleg für seine These zog er unter anderem den Dichter Gottfried Benn und dessen Frau Herta heran. Der Tod von Herta Benn beendete eine Schaffenkrise des Dichters.
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Biografisches
Theweleit arbeitet als freier Autor und Wissenschaftler, unter anderem am Soziologischen Institut der Universität Freiburg, wo er auch lebt. Er war als Gastprofessor an verschiedenen Universitäten der USA, ist mit der Psychoanalytikerin Monika Kubale-Theweleit verheiratet und hat zwei Söhne.
->   Publikationsliste
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Mythen um Pocahontas
1990 erschien das Buch "Objektwahl. All You Need Is Love", 1994 das "Buch der Könige II". Zuletzt legte Theweleit den vierbändigen Komplex "Pocahontas" vor.

Darin geht es um die Tochter des Indianerfürsten Powhatan geht, in dessen Reich die Briten ihre erste Ansiedlung auf dem amerikanischen Kontinent errichteten. Pocahontas hilft den Weißen mit Nahrungsgeschenken, rettet den Captain und ehelicht später einen Tabakfarmer.

Die Gründungsmythen, die sich um diese Figur ranken - von den amerikanischen bis zu Arno Schmidts "Seelandschaft mit Pocahontas" - sind Hauptthema.
->   Links zu Interviews, Texten und Werken
->   Vortrag über: Musik Geschichte Schreiben
 
 
 
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01.01.2010