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Nerven als "Co-Piloten" des Immunsystems  
  Nervenzellen sind mehr als nur Leiterbahnen innerhalb des körpereigenen "Nachrichtennetzes". Tatsächlich wirken sie auch mit dem Immunsystem zusammen, ein Funktionsbereich, der bisher nur in Details verstanden wurde. Ein Innsbrucker Forscherteam hat einen neuen Beweis dafür erbracht, dass Nerven- und Immunsystem unter gegenseitiger Kontrolle stehen und erhält dafür den Aventis-Preis 2001.  
Demnach steuern bestimmte von Nerven abgegebene Substanzen die Funktion der so genannten dendritischen Zellen des Immunsystems. Diese stellen zentrale Bestandteile der Körperabwehr dar.
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Aventis-Preis 2001 für Forschungsarbeit
Die entsprechende Arbeit aus dem Bereich der Neuroimmunologie ist in diesem Jahr das einzige Projekt, das im Rahmen des Aventis-Preises 2001 für Forschungsarbeiten an den medizinischen Fakultäten Österreichs in Innsbruck ausgezeichnet wird.

Die Medizinergruppe von der Universität Innsbruck hat ihre Ergebnisse bereits im Fachmagazin "Journal of Immunology" publiziert.
->   Aventis-Forschungspreise
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Ein großes Forschungsfeld mit Wissensdefiziten
Effekte des Nervensystems auf die Funktion bestimmter Zellen des Immunsystems werden nach Aussage von Stefan Dunzendorfer, der zu den beteiligten Forschern gehört, bereits seit Jahren untersucht und beschrieben.

Doch nicht alle Zellen der Körperabwehr waren Gegenstand solcher Untersuchungen - und dieses Wissensdefizit traf bisher auch auf die dendritischen Zellen zu, die die in ihrem Aussehen durch Tentakel-artige Fortsätze charakterisiert sind.

Sie sind für das Funktionieren des Immunsystems und somit der körpereigenen Abwehr von entscheidender Bedeutung. Als "unspezifische Zellen" des Immunsystems unterstützen sie die Arbeit der "spezifischen Zellen", die gegen ganz bestimmte Mikroorganismen wirken.
Dendritische Zellen auf Körper-"Patrouille"
Wie Dunzendorfer erklärt, "patrouillieren" die dendritischen Zellen durch den Körper und nehmen dabei die körperfremden Substanzen (Antigene) auf, die sie "prozessieren" und gemeinsam mit bestimmten Molekülen den anderen Immunzellen präsentieren.

Durch diesen Vorgang werde schließlich eine spezifische Immunantwort in Gang gesetzt, so der Experte weiter. Denn erst durch die Präsentation der zu bekämpfenden Mikroorganismen mithilfe der dendritischen Zellen können die spezifischen Immunzellen aktiv werden.
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Das menschliche Immunsystem
Das menschliche Immunsystem besteht aus mehreren ineinander greifenden Mechanismen. Dazu gehören Abwehrzellen (z.B. die so genannten Makrophagen und T-Zellen) ebenso wie bestimmte Organe.

Dringen Keime in den Körper ein, so werden spezifische Bereiche des Immunsystems aktiviert: Im Blut werden Antikörper (Immunglobuline, also Eiweißstoffe) produziert. Diese binden an bestimmte Oberflächenmerkmale der körperfremden Substanzen (Antigene) - ein Antigen-Antikörper-Komplex entsteht. Für andere Zellen des Immunsystems sind diese Komplexe eine Zielscheibe: Alle damit verbundenen Zellen müssen zerstört werden.
->   Mehr Informationen in medizininfo.de
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Gute Nerven fürs Immunsystem
Dunzendorfer, Arzt an der Universitätsklinik für Innere Medizin in Innsbruck, hat zusammen mit Kollegen untersucht, wie so genannte "periphere Neuropeptide" dendritische Zellen beeinflussen.

Klar war bisher, dass verschiedene Immunbotenstoffe die Dendriten beeinflussen. Doch das sind bei weitem nicht die einzigen Faktoren.

Laut Dunzendorfers Forschungen spielen Faktoren, welche von Nervensträngen abgegeben werden - nämlich besagte Neuropeptide - eine ähnlich entscheidende Rolle.
Anziehende Wirkung
Diese Neuropeptide werden von Nervenfasern im Körper freigesetzt und ziehen die dendritischen Zellen zunächst an. Die Dendriten beginnen darauf hin, zu jenen Orten im Körper zu wandern, wo die Konzentration dieser anziehenden Faktoren zunimmt.

"Während dieser Wanderung findet die neuropeptid-unterstützte Ausreifung der dendritischen Zellen statt", erläutert der Mediziner. Doch am "Einsatzort" eingetroffen, vollzieht sich ein fundamentaler Wandel in den dendritischen Zellen.
Gleiche Zellen - umgekehrter Effekt
Die selben Neuropeptide entfalten offenbar am Zielort der Dendriten plötzlich das Gegenteil ihres ursprünglichen Effektes - nämlich der "wanderungsfördernden" Wirkung auf unreife Dendriten.

"Sie halten die dann ausgereifte Zelle dort fest", erläutert der Innsbrucker Mediziner. Das könnte einen wesentlichen Mechanismus bei der Aufrechterhaltung von entzündlichen Prozessen in bestimmten Geweben darstellen.

Das Anlocken und schließlich das Arretieren der dendritischen Zellen an ihrem Ziel durch die selben Botenstoffe ist auf ein für die Wissenschafter erstaunliches Umschlagen in den Zellfunktionen der ausgereiften dendritischen Zellen zurückzuführen.
Funktionsänderung durch Signale
"Obwohl die selben Neuropeptide auf die selben Rezeptoren an der Oberfläche der Zellen wirken, ändert sich deren Funktion", so Dunzendorfer. "Das erfolgt offenbar dadurch, dass es zu einer Änderung in der Weiterleitung des Signals von den Rezeptoren an den Zellkern kommt."

Während am Beginn des Prozesses ein Signal durch an den Rezeptor bindende Neuropeptide als Migrations- und Reifungsstimulus im Inneren der dendritischen Zellen weiter geleitet wird, wird das selbe Signal bei reifen Dendriten als "Arretierungs-Befehl" weiter geleitet und als solcher erkannt.
Zusammenhang mit vielen Krankheiten ...
Es gibt bereits erste Hinweise, dass diese Mechanismen eine Rolle bei neuropeptid-assoziierten Erkrankungen spielen.

Das könnte beispielsweise auf Lungenerkrankungen wie Asthma, auf die rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis) oder auf den Morbus Crohn und anderen chronischen Darmerkrankungen zutreffen.
->   Universitätsklinik für Innere Medizin Innsbruck
 
 
 
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01.01.2010