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Was passiert bei Kälte in der Haut?  
  Was passiert in der Haut, wenn uns ein Schneeball ins Gesicht trifft? Bislang war nicht genau geklärt, was auf molekularer Ebene vorgeht, wenn unser Körper mit Kälte in Kontakt kommt. Gleich drei Studien haben sich nun mit diesem Thema im Detail beschäftigt und gelangten zu überraschenden Ergebnissen.  
Zwei voneinander unabhängige Wissenschaftlerteams beschäftigten sich mit der Suche nach Kälterezeptoren auf den Sinnesnervenzellen der Haut - und fanden tatsächlich vielversprechende Kandidaten.
Die Mischung machts
Ein drittes Team hat festgestellt, dass eine bestimmte Mischung so genannter Ionenkanäle offenbar für das Kälteempfinden der Nervenzellen verantwortlich ist.

Alle drei Studien wurden in unterschiedlichen Fachmagazinen vorab online publiziert und werden in einer der jeweils folgenden Print-Ausgaben erscheinen.
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Vorab-Online-Publikationen
Der Artikel "Identification of a cold receptor reveals a general role for TRP channels in thermosensation" von der Forschergruppe der University of California ist erschienen in "Nature advance online publication". Die zweite Studie "A TRP channel that senses cold stimuli and menthol" der Forschergruppe vom Scripps Research Institute im kalifornischen La Jolla kann in "Cell advance online publication" abgerufen werden. Eine dritte Forschergruppe von der Miguel Hernandez University in Alicante hat ihre Studie "Specificity of cold thermotransduction is determined by differential ionic channel expression" in "Nature Neuroscience advance online publication" veröffentlicht. Alle drei Medien sind kostenpflichtig.
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Menthol als Kälte-Tester
Auf welche Weise die Sinnesnervenzellen des Körpers ein Abfallen der Temperatur erkennen, ist nur schwer zu untersuchen. Denn ein solcher Vorgang beeinflusst sehr viele Zellprozesse.

David Julius und seine Kollegen von der University of California in San Francisco verlegten sich daher darauf, in ihren Untersuchungen Menthol zu verwenden.

Dieser Alkohol hat nämlich den selben Effekt auf kälteempfindliche Nerven, wie ein Temperaturrückgang. Reibt man das aus Pfefferminzöl gewonnene Menthol etwa als Spirituslösung in die Haut ein, so empfindet die betreffende Versuchsperson ein Kältegefühl.
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Kälte und Kälteempfinden
Grundsätzlich ist die Temperatur eine Größe, die den Wärmezustand eines physikalischen Systems, z.B. eines Körpers, einer Flüssigkeit oder eines Gases kennzeichnet. Temperatur ist sozusagen ein Maß für die mittlere kinetische Energie des Systems - je größer die Wärmebewegung der Teilchen, desto höher ist die Temperatur.

Warm und kalt sind demnach Begriffe, mit denen man im Grund die Geschwindigkeit von Atomen beschreibt, in einem Gegenstand oder auch in einem Gas. Je schneller diese Atome schwingen oder "fliegen", desto wärmer fühlt es sich für uns an - je langsamer sie sind, desto kälter empfinden wir es. Physiker arbeiten daher mit einer anderen als der Celsius-Temperaturskala: Diese so genannte thermodynamische oder absolute Temperaturskala unterscheidet sich durch die Lage des Nullpunktes. Null Kelvin oder der absolute Nullpunkt liegen bei etwa minus 273 Grad Celsius. Gemessen wird in Kelvin (K), wobei ein Unterschied von einem Kelvin auch einem Grad Celsius entspricht. Bei solcher Kälte sind die Atome völlig zum Stillstand gekommen.
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Über die Gene zum passenden Rezeptor
Das Forscherteam nahm zunächst Gene, die für eine große Menge an unbekannten Rezeptoren verantwortlich sind und die sich normalerweise auf der Oberfläche von Sinnesnervenzellen finden.

Diese Gene injizierten die Wissenschaftler in menschliche Nierenzellen, welche daraufhin tatsächlich die entsprechenden Rezeptoren auf ihrer Oberfläche produzierten.

Danach setzte das Team die Zellen dem Menthol aus - und beobachtete den Effekt: Ein Rezeptor passte laut Studie perfekt - und wurde von den Forschern demzufolge "Kälte- und Mentholempfindlicher Rezeptor", kurz CMR1 getauft.
Ein Kanal für die kühlende Wirkung
Es handelt sich um einen so genannten Ionenkanal. Ein Protein also, das sich in der Hülle der sensorischen Nervenzellen befindet und über Ionen - geladene Teilchen - den Informationsaustausch zwischen Zelle und Umgebung reguliert.

Dieser Kanal "öffnet" sich demnach in Gegenwart von Menthol und lässt Kalium- und Kalziumionen in die Nervenzelle fluten. Eine Abkühlung hat offenbar die selbe Wirkung.

Wie ein kleines Tor kontrolliert also der Ionenkanal einen Mechanismus, der für die Entstehung und Weiterleitung des Nervenimpulses verwantwortlich ist.
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Ionenkanäle
Inner- und außerhalb der Zelle herrschen unterschiedliche Ionenkonzentrationen, wobei Ionenkanäle quasi als Schalter zwischen dem Zellinnern und der Außenwelt wirken.

Ein Ionenkanal ist gekoppelt an ein System aus Proteinen, Ionen, Hormonen oder Aminosäuren, die mit ihm wechselwirken. Auch Arzneimittel können das Öffnen oder Schließen eines Ionenkanals auslösen. Darauf beruht in vielen Fällen die Wirkung von Medikamenten.
->   Mehr Information zu Ionenkanälen
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Noch ein Kälte-Rezeptor?
Eine zweite Forschergruppe vom Scripps research Institute in La Jolla hat parallel dazu - allerdings mit einer anderen Methode - ebenfalls einen solchen Kälte-Rezeptor identifiziert.

Der Leiter der Studie, Ardem Patapoutin, geht allerdings davon aus, dass es sich tatsächlich um den gleichen handelt.

Allerdings erklärt ein einziger Rezeptor nicht alle Körpervorgänge bei Kälteeinfluss. Diesbezüglich ist die dritte Studie von Interesse, die sich ebenfalls mit dem Kältephänomen auf molekularer Ebene befasst hat.
Eine bestimmte Mischung an Ionenkanälen
Die Forscher um Felix Viana, Physiologe an der Miguel Hernandez University im spanischen Alicante haben herausgefunden, dass kälteempfindliche Nerven eine bestimmte Mischung der gewöhnlichen Kalium-Ionenkanäle aufweisen, die in allen Nervenzellen vorkommen.

Erst diese Mischung mache die Zellen kälteempfindlich, erklärt es Viana. Allerdings konnten die Spanier keinen spezifischen Kälterezeptor ausfindig machen. Doch Viana gibt zu, dass dies nicht bedeutet, es gebe diese Rezeptoren nicht.
Mehr als ein Sensor?
Die Studie legt jedoch nahe, dass es mehr als einen Kältesensor gibt, was auch anderen Experten wahrscheinlich erscheint.

Wie der Physiologe Arthur Craig vom Barrow Neurological Institute in Phoenix, Arizone sagt, stellt sich nach den beiden ersten Studien die Frage, wie ein einziger Rezeptor für so viele unterschiedliche Temperaturwahrnehmungen unserer Haut verantwortlich sein kann.

Man könne sicher sein, dass die Biologie komplexer sei, als irgendeine dieser Studien, meint Craig zu den drei Ergebnissen.
->   University of California in San Francisco
->   Scripps Research Institute
->   Miguel Hernandez University
 
 
 
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01.01.2010