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Krebszellen ersticken im eigenen Abfall  
  Oft entwickeln Krebszellen Gegenstrategien gegen konventionelle Medikamente. Derzeit wird in den USA eine Substanz an Patienten erprobt, die zu völlig neuen Arzneien gegen Tumore führen könnten.  
Der PS-341 genannte Wirkstoff lässt Krebszellen
am eigenen Eiweiß-'Abfall' ersticken. Entdeckt wurde PS-341 bereits im Jahr 1995 von dem kleinen US-Forschungsunternehmen ProScript.

Federführend war und ist dabei der amerikanische Wissenschafter Julian Adams, ehemals Chef-Forscher stellvertretender Präsident der renommierten US-Arzneimittel-Forschungsfirma Millennium. Letztere kaufte ProScript im Jahr 1999.
Funktions-Hemmer
Was der neue Wirkstoff in Zellen verursacht: Er hemmt zunächst einmal die Funktion der "Proteosome". Das sind jene Bereiche der Zellen, in denen nicht mehr benötigte Eiweißmoleküle abgebaut werden.

Ein ständiger Wechsel von Auf- und Abbau jeweils spezifischer Eiweißstoffe ist die Grundvoraussetzung für das Überleben von Zellen. Adams wollte mit dem Wirkstoff genau auf diesen potenziellen Wirkungsmechanismus abzielen.

In den mit PS-341 behandelten Zellen sollten sich bestimmte Enzyme, die für die Teilung wichtig sind (Zykline), in hoher Konzentration aufbauen und zum Absterben der Zellen führen.
Hermmung eines Transkriptionsfaktors
Doch wahrscheinlich gibt es auch noch andere Wege, auf denen der Proteosom-Blocker seinen Effekt entfaltet. "Wahrscheinlich liegt der wichtigste Mechanismus in der Hemmung des Transkriptionsfaktors
NF-Kappa-B.

Er fördert die Produktion von Proteinen, welche in Tumoren das Wachstum von Blutgefäßen anregen und den Selbstmord von Zellen verhindern", erklärte der US-Krebsspezialist Dave McConkey laut der Wissenschaftszeitschrift "Science" (25. Jänner).
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Wirkungsweise bekannter Krebsmedikamente
- Verhinderung der DNA-Synthese in Krebszellen (z.B. Cisplatin)
- "Einfrieren" des Zellgerüsts (Mikrotubuli, Substanzen: Taxane)
- Hemmung von Enzymen, welche die Zellteilung fördern (Glivec)
- Blockierung der Gefäßneubildung in Tumorzellen (Endostatin, allerdings erst in Erprobung)
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Bereicherung für die Krebstherapie
Somit wären Substanzen wie PS-341 möglicherweise eine Bereicherung in der Krebstherapie, weil sich damit ein neues Ziel für die Behandlung ergäbe. Die ersten Resultate einer klinischen Studie an Myelompatienten wurden im Dezember vergangenen Jahres beim Kongress der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie präsentiert.

Unter 54 mit PS-341 behandelten Patienten, bei denen alle bisherigen Therapien bereits fehl geschlagen waren, zeigte sich bei rund der Hälfte ein starker Rückgang der Tumorgröße. Bei den meisten übrigen Kranken wurde die Krankheit zum Stillstand gebracht.
Die Schattenseite
Doch PS-341 hat auch "Probleme": Auf die Funktion der Proteosomen als Abfall-Shredder sind alle Zellen - gesund oder krank - angewiesen. Deshalb mussten einige der Patienten die Therapie wegen schwerer Nebenwirkungen abbrechen.

Das waren vor allem Schmerzzustände gewesen. Zu den Nebeneffekten war es gekommen, obwohl die Patienten das Medikament nur in entsprechenden Intervallen erhalten hatten.
In mehr als 30 Studien erprobt
Mittlerweile wird die Substanz aber bereits in mehr als 30 verschiedenen Studien vor allem in den USA erprobt, was auf die großen Erwartungen der Experten hinweist. Allerdings könnte das Medikament auch die Tür zu weiteren Neuentwicklungen aufstoßen.

So arbeitet Millennium an Substanzen, welche den "Abfall-Mechanismus" in anderer Weise zum Killen von Krebszellen benutzen sollen: Diese Stoffe sollen das Markieren von überflüssigen Eiweißstoffen mit der Substanz "Ubiquitin" verhindern.

"Ubiquitin" markiert wie eine "Fahne" Proteine in Zellen, um sie der Vernichtung zuzuführen. Könnte man in Krebszellen spezifisch vorkommende Eiweißstoffe durch die Hemmung von "Ubiquitin" vor dem Abbau schützen, wären sie im Endeffekt ebenfalls "Mist", in dem die Zellen ersticken würden.
->   Mehr zum Thema Krebs in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010