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Leukämie-Therapie mit Nabelschnur-Stammzellen  
  Für todkranke Leukämiepatienten in Österreich gilt wieder das Prinzip Hoffnung. Die "neue" Behandlung heißt Nabelschnur-Stammzellen-Therapie und ist jetzt erstmals am LKH in Graz bei einer - erwachsenen - Frau erfolgreich eingesetzt worden. Ob die Heilung von Dauer ist, muss sich allerdings erst herausstellen.  
Normalerweise werden Leukämiekranke entweder durch eine Knochenmark- oder Bluttransplantation geheilt. Die Ausnahme ist die Transplantation von Nabelschnur-Stammzellen, sagt der Vorstand der Hämatologe am LKH Graz, Werner Linkesch.
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Bislang sieben Transplantationen in Österreich
In Österreich gab es bisher erst sieben Transplantationen von Stammzellen aus Nabelschnurblut. Die Patienten waren allesamt Kinder - in Graz wurde somit erstmals eine Erwachsene damit behandelt.
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Häufig die einzige Möglichkeit
"Von 350.000 Stammzellen-Transplantationen sind 1 - 1,5 Prozent aus der Nabelschnur - das ist nicht viel, aber für den Einzelnen, den es betrifft, ist es oft die einzige Möglichkeit", erklärte Werner Linkesch gegenüber dem ORF-Radio.

Auch für die 33 Jahre alte Andrea Becker war es die letzte Chance. Ein Jahr lang hatte die Grazerin unter der bösartigsten Form von Leukämie gelitten - keine Therapie hatte gegriffen.
Ausnahmsweise ausreichend Stammzellen
In einer italienischen Datenbank fand das LKH Graz schließlich nach einem Jahr Suche ein geeignetes Nabelschnur-Blut, das von einem afrikanischen Baby stammte.

Obwohl die Anzahl der Stammzellen von Babys meist nur für Kinder ausreicht oder für Personen, die nicht mehr wiegen als 50 Kilogramm, hat es diesmal auch bei einer erwachsenen Frau funktioniert.

"Die Wahrscheinlichkeit, dass man für einen Erwachsenen ausreichend Zellen in einer Nabelschnur-Blutbank findet, ist nicht sehr hoch. Aber es geschieht immer wieder", erläuterte der Grazer Hämatologe.
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Der internationale Austausch von Stammzellen
Für Nabelschnur-Stammzellen, die nicht vom Patienten selbst stammen, gibt es weltweit verschiedene Banken, die miteinander vernetzt sind. Die Organisation EUROCORD Transplant vermittelt zwischen europäischen Banken und den USA - denn woher die Stammzellen aus Nabelschnurblut stammen, ist für den Patienten egal, solange bestimmte Merkmale zwischen Spender und Empfänger übereinstimmen.

Sucht ein österreichischer Arzt einen Spender, kann er über das Internet diese Banken abfragen. Das diene aber höchstenes einer Vorselektion, sagt Martin Imhof vom Wiener AKH. Für eine wirklich genaue Bestimmung, ob Spender und Empfänger zueinander passen, müssten letztlich Blutproben herangezogen werden, so der Experte.
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Kaum Abstoßreaktionen
Der Vorteil von Nabelschnur-Stammzellen ist, dass sie nicht mit den Stammzellen des Patienten ident sein müssen. Im Fall der Grazer Patientin haben sogar zwei Merkmale nicht übereingestimmt.

Trotzdem kann man die Stammzellen einsetzen. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Abstoßreaktionen nach der Transplantation nicht sehr groß sind.
Lange Heilungsperiode
Allerdings bergen diese embryonalen Stammzellen auch Risiken in sich. Sie brauchen im Körper länger, um sich ausbreiten zu können. Bei Leukämiekranken kann erst zwei bis fünf Jahre nach der Transplantation von einer Heilung gesprochen werden.

Am LKH Graz will man nun die Transplantationen von körperfremden, also "allogenen" Stammzellen forcieren, wie Linkesch erzählt. "Die allogene Stammzellentransplantation hat bei uns in einem Jahr um 175 Prozent zugenommen und wird weiterhin stark zunehmen."
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Österreichisches Stammzellenregister
In Österreich gibt es das Stammzellenregister - mit Daten über Knochenmark- und Nabelschnurblutspender. Der Fonds besteht seit 12 Jahren. Angeschlossen sind die großen Blutbanken Österreichs und die Transplantationszentren, erläuterte Agathe Rosenmayr, medizinische Leiterin des österreichischen Stammzellenregisters.

Ein solches Register gebe es in jedem Staat, so die Expertin weiter. Diese nationalen Register seien wiederum miteinander vernetzt, sodass ein österreichischer Arzt über das Register zu internationalen Daten kommen könne.
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Experte: Eigenblut bringt wenig
Von der umstrittenen "autologen" Methode, Nabelschnur-Blut von Babys einzufrieren, um es dann später selbst verwenden zu können - also eine Art Lebensversicherung, davon hält Werner Linkesch nichts.

"Die autologe Nabelschnur-Transplantation wird de facto nicht durchgeführt, weil alle kindlichen Leukämien und Blutkrankheiten in den Stammzellen angelegt sind und sie dann zurückgegeben würden", erläutert der Mediziner. Außerdem würde die Menge nicht mehr ausreichen.

Wenn schon Nabelschnur-Blut, dann sollte es für alle Menschen zur Verfügung stehen, um ein Leben zu retten, so Linkesch. So wie jenes der Grazerin Andrea Becker.

Angela Truntschnig, Landesstudio Steiermark/ Barbara Daser, Ö1-Wissenschaft
->   Landeskrankenhaus Graz
 
 
 
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01.01.2010