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Künstliche Bandscheibe gegen Rückenschmerzen  
  Rückenschmerzen sind die Volkskrankheit Nr. 1. Oft ist die Schmerzquelle eine geschädigte Bandscheibe. Diese kann jetzt durch eine künstliche ersetzt werden. Seit kurzem wird die neue Operation in spezialisierten Wirbelsäulen-Zentren in Österreich angeboten.  
Viele Rückenschmerz-Patienten haben einen Leidensweg hinter sich: Meist helfen zwar physikalische Therapien wie das Stärken der Rückenmuskulatur durch Gymnastik. Doch manchmal dauern die Schmerzen monate- oder gar jahrelang an.
Wenn nichts mehr hilft ...
Die Patienten haben alles probiert: Schmerztabletten, Infusionen, Wärme-Packungen, Massagen - aber die Behandlungen konnten das Leiden bestenfalls kurzzeitig lindern. Denn es kann auch sein, dass eine Bandscheibe verschlissen ist und ihre Funktion eingebüßt hat.
Genaue Diagnose ist wichtig
Eine Operation ist bislang die letzte Hoffnung: Zuvor ist allerdings die Untersuchung der Wirbelsäule mit dem Kernspintomographen sehr wichtig, um die Ursache der Rückenschmerzen genau abzuklären.

Wenn - wie bei vielen Patienten - das unterste Segment der Lendenwirbelsäule geschädigt und die Schmerzquelle ist, war bisher die so genannte Versteifungsoperation die einzige operative Therapie, die allerdings auch Nachteile mit sich bringt.
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Versteifungsoperation
Bei einer Versteifungsoperation wird die kaputte Bandscheibe entfernt und die beiden angrenzenden Wirbel miteinander verschraubt. Das schmerzhafte Bewegungssegment ist so ausgeschaltet.

Der Nachteil: Die benachbarten Wirbel müssen größeren Druck aushalten und beginnen im Laufe der Zeit zu degenerieren. Daher zögern die Ärzte, jüngere Patienten so zu behandeln.
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Neue Hoffnung für Schmerzgeplagte
Die Ärzte zögern häufig, junge Patienten mit einer Versteifungsoperation zu behandeln. Doch jetzt gibt es neue Hoffnung: die künstliche Bandscheibe.

Eine solche Prothese eignet sich für eher junge Rückenschmerzpatienten unter fünfzig Jahren, die keine Osteoporose haben.

Der Bandscheibenschaden sollte auch nur ein Segment der unteren Lendenwirbelsäule betreffen und nachgewiesen auch die Schmerzursache sein.
Rückenoperation durch den Bauch
Ungewöhnlich an der neuen Bandscheibenoperation ist, dass der Patient auf dem Rücken liegt. Die Ärzte operieren von vorne durch einen nur vier bis fünf Zentimeter langen Schnitt am Bauch.

Mit einem speziell dafür entwickelten Instrumentarium können die Chirurgen die künstliche Bandscheibe einbauen, ohne Rückenmuskeln und Nerven durchtrennen zu müssen. Daher sind auch die Wundschmerzen nach dem Eingriff geringer, meint der Wiener Orthopäde Michael Nicolakis.

"Die Patienten waren alle sehr verblüfft ob dieses sensationell raschen Genesungsbildes. Sie sind am nächsten Tag aufgestanden, und das Kreuz hat nicht mehr wehgetan", erzählt der Experte.
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Details der Operation und Prothese
Mit Hilfe der künstlichen Bandscheibe wird die natürliche Anatomie der Wirbelsäule wieder hergestellt. Zunächst wird die kranke Bandscheibe entfernt. Mit Spezialwerkzeugen, die ein einfaches, sicheres Operieren erleichtern, bringen die Arzte danach die Wirbelkörper in die richtige Distanz und bauen in den leeren Zwischenwirbelraum die Prothese ein.

Diese besteht aus Halterungen aus körperverträglichem Metall. Der Innenteil, der die Pufferfunktion der natürlichen Bandscheibe nachahmt, ist aus Polyethylen, einem besonders stabilen Kunststoff.
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Vorteil: Beweglichkeit bleibt erhalten
Der große Vorteil der künstlichen Bandscheibe gegenüber der bisher üblichen Versteifungsoperation: die Beweglichkeit der Wirbelsäule bleibt auch in dem operierten Segment erhalten.
Spezielle Ausbildung ist nötig
Die Rückenoperation durch den Bauch ist allerdings eine Technik, die nur speziell ausgebildete Neurochirurgen und Orthopäden beherrschen. Der Einbau der künstlichen Bandscheibe dauert dann etwa eine Stunde.

Bereits am Tag nach der Operation können die Patienten aufstehen und gehen - nach rund einer Woche können sie das Spital verlassen.

Ärzte und Patienten hoffen, dass die Bandscheibenprothese ein Leben lang hält. Die ersten Langzeit-Studien scheinen darauf hinzudeuten.
Zukunftsvisionen der Mediziner
Manfred Mühlbauer, Neurochirurg am Donauspital in Wien, hält die Prothese zwar für das Beste, was im Augenblick auf diesem Sektor zur Verfügung steht. Er denkt aber dennoch schon weiter.

"Die künstliche Bandscheibe ist eine große Errungenschaft für viele Patienten. Es ist aber noch lange nicht das, was wir in der Wirbelsäulen-Chirurgie wünschen", so Mühlbauer

"Wir möchten als Ziel erreichen, dass wir eine kranke Bandscheibe gesund und belastungsfähig machen können, ohne chirurgisches Vorgehen, mit Hilfe von Biotechnologie, regenerativen Verfahren und Gentechnik", erklärt der Experte eine Zukunftsvision der Mediziner.

Sylvia Unterdorfer, Modern Times
Mehr zu diesem Thema erfahren Sie am Freitag Abend in der Sendung Modern Times, um 22.35 in ORF 2.
->   Modern Times
 
 
 
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01.01.2010