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Quo vadis, Universität?  
  Der Weg der Universitäten zur vollen Rechtsfähigkeit stand am Donnerstag (21.2.) im Mittelpunkt einer parlamentarischen Enquete. Während Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) festhielt, dass das erklärte Ziel dabei Selbstverantwortung und stärkere Leistungen sei, verlief die Diskussion von Experten und Politikern höchst kontroversiell.  
Gehrer: Nicht Sparen, sondern Autonomie ist Ziel
Gehrer stellte ihrem Statement grundlegende Bemerkungen zur Universitätsreform voran: Es gehe, so die Ressortchefin, um Verantwortung und Autonomie, nicht aber um Einsparungen und Ökonomisierung der Universitäten. Außerdem seien Universitäten "Stätten der Grundlagenforschung und der forschungsgeleiteten Lehre mit Gewissensfreiheit und Wissenschaftsfreiheit".

Durch die beabsichtigten Reformen sollen die Universitäten in diesen Zielsetzungen gestärkt werden. "Weniger Regulierung, mehr Wettbewerb, stärkere Leistungen, das sind die wichtigsten Inhalte unseres Reformkonzepts", so Gehrer.
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Die Positionen der vier Parlamentsparteien
Den ganzen Donnerstag (21. 2.) fand die parlamentarische Enquete mit dem Titel "Der Weg zur vollen Rechtsfähigkeit der Universitäten" in Wien statt. science.ORF.at hat bereits vorab die Stellungnahmen der vier Parlamentsparteien zur Enquete veröffentlicht. Die Wissenschaftssprecher Gertrude Brinek (ÖVP), Martin Graf (FPÖ), Erwin Niederwieser (SPÖ) und Kurt Grünewald (GRÜNE) beschreiben in Originalbeiträgen ihre Positionen zu den laufenden Uni-Reformen.
->   Uni-Reform: Aufbruch oder Rückschritt?
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Die drei Arten der Autonomie
Walter Berka vom Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht der Uni Salzburg wies auf die Vielschichtigkeit des Begriffes der Universitätsautonomie hin und unterschied die persönliche Autonomie des Wissenschaftlers, die akademische Selbstverwaltung sowie die institutionelle Autonomie der Universitäten.

Die persönliche Freiheit sei in ihrem Kernbereich verfassungsrechtlich abgesichert und würde durch die geplante Reform nicht in Gefahr geraten. Hinsichtlich der Selbstverwaltung geht nach Ansicht Berkas der Entwurf mit der Zuerkennung einer Organisationsautonomie den richtigen Weg.

Was die institutionelle Autonomie betrifft, ziehe der Entwurf bei der Aufgabenverteilung zwischen Rektor und Senat die richtigen Konsequenzen. Ein neuralgischer Punkt sei aber der Universitätsrat. Vorstellbar wäre für Berka für dieses Gremium die Übernahme von Aufgaben eines strategischen Controllings und der Aufsicht.
Binsenweisheiten als große Weisheiten verkündet
Dass die Universitäten einem ständigen Reformprozess unterworfen sein müssen, sei eine Binsenweisheit, so der Germanist Wendelin Schmidt-Dengler im Rahmen der Enquete. Aber nichts verdiene so sehr "unsere Aufmerksamkeit wie Binsenweisheiten, die plötzlich mit Emphase als die großen Weisheiten verkündet werden".

So kritisierte er die geplanten Einschränkungen der Mitbestimmung und der Reduktion der universitären Gremien. Nach seiner Erfahrung habe die Mitbestimmung bei allen Beteiligten Lernprozesse gefördert und auch die Auseinandersetzung in Gremien habe sich an den geisteswissenschaftlichen Instituten bewährt. Für Schmidt-Dengler lässt deshalb die Reform "eine zweite 68er-Bewegung nicht nur für wahrscheinlich, sondern für vorprogrammiert erscheinen".

Kritisch betrachtete er auch das neue Dienstrecht, das die Risikobereitschaft als neue Errungenschaft zelebriere und die Möglichkeiten einer kontinuierlichen Karriere an der Universität unterbinde.
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Gesetz soll am 1. 10. 2003 in Kraft treten
Der Gesetzesentwurf soll laut Elisabeth Gehrer am 8. März in Begutachtung (bis 19. April) geschickt werden, Ende Mai den Ministerrat passieren und im Juli im Nationalrat beschlossen werden. In Kraft treten soll das Gesetz ab 1. Oktober 2003, so dass die Unis ein Jahr Zeit haben, auf die neuen Regelungen umzustellen.
->   Uni-Reform: Die Details in Stichworten
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ÖH: Bloße Illusion der Mitbestimmung
Auch Andrea Brunner, Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft der Uni Wien, übte heftige Kritik an dem Entwurf und konstatierte, die geplante Universitätsreform sei für die Studierenden nicht tragbar. Sie bemängelte vor allem, dass der Entwurf von rein betriebswirtschaftlichen Kriterien getragen sei, und lehnte überdies die Durchgriffsrechte der Ministerin und die zwingende Drittmittelfinanzierung als Verstöße gegen die Autonomie ab.

Auch schaffe das Modell bloß die Illusion der Partizipation. Tatsächlich werde jedoch durch die Streichung der Kurien die Mitbestimmung der Studierenden aufgehoben, gab Brunner zu bedenken.
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->   ÖH
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Balance zwischen Natur- und Geisteswissenschaft
Vorteile in der bestehenden österreichischen Uni-Landschaft konnte der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Wolfgang Frühwald, erkennen. So gebe es noch keine "natur- und technikwissenschaftliche Monokultur" wie in anderen Staaten. Seine hohe Qualität verdanke Österreich nicht zuletzt den Geisteswissenschaften und den so genannten "Orchideenfächern".

Deshalb unterstrich Frühwald vehement die Notwendigkeit, die Balance zwischen natur- und geisteswissenschaftlichen Studien zu erhalten bzw. herbeizuführen und die "Sprachlosigkeit zwischen ihren unterschiedlichen Denkkulturen zu überwinden".

Das geplante neue Universitätsgesetz beurteilte er insgesamt als positiv: Vor allem die Einbeziehung externer Gutachter bei Berufungsverfahren sowie die Hierarchisierung und der Abschluss von Leistungsvereinbarungen wären konsequent und böten Leistungsanreize.
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Rektoren gegen Umwandlung der Med-Fakultäten
Ein der zur Zeit am stärksten diskutierten Teilaspekte der Uni-Reformen betrifft die Umwandlung der medizinischen Fakultäten in eigenständige Universitäten. Dagegen protestierten am Donnerstag (21.2.) frühere Rektoren der Uni Graz, Wien und Innsbruck mit Zeitungsinseraten, die an Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Bildungsministerin Elisabeth Gehrer gerichtet sind.
->   Mehr dazu in steiermark.ORF.at
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Rat für Schwerpunktsetzung mit Augenmaß
Kritik an der derzeitigen Organisation der Universitäten kam vom Chemiker und stellvertretenden Vorsitzenden des Rates für Forschung und Technologieentwicklung (RFT), Günther Bonn. Bei der Besetzung von Leitungsfunktionen sei nicht gewährleistet, dass sich auch der Beste durchsetze. Fehlende Leistung wäre "kein Hinderungsgrund" für eine Uni-Karriere. Dies führe dazu, dass viele Wissenschaftler Österreich verlassen.

Weiters sprach sich Bonn für eine Forcierung der Schwerpunktsetzung "mit Augenmaß" aus. Stärken sollten weiter ausgebaut, weniger starke Forschungsbereiche hingegen fokussiert bzw. gegebenenfalls auch geschlossen werden. Eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Uni-Leitung wäre es, eine Auswahl des Lehr- und Forschungsangebots zu gestalten.
->   Rat für Forschung und Technologieentwicklung
Externe Lektoren: Weitere Marginalisierung?
Andrea Ellmaier von der Interessengemeinschaft externer LektorInnen und Freier WissenschafterInnen beleuchtete die Situation der Externen LektorInnen. Sie machte darauf aufmerksam, dass an einzelnen Fakultäten bis zu 43 Prozent (1999) der Lehraufgaben von ihnen erbracht werden. Dennoch sollen die ihrer Ansicht nach wenigen noch vorgesehenen Mitbestimmungsrechte ausschließlich auf eine "verschwindende Minderheit von AkteurInnen konzentriert" werden.

Zudem enthalte der Entwurf weitere Verschlechterungen, z.B. die Tatsache, dass Lehraufträge als befristete Dienstverhältnisse beliebig oft verlängert werden können, ohne dass sich daraus Ansprüche irgendeiner Art für Lektoren ableiten. Für sie stehe es daher außer Zweifel, dass mit der Dienstrechtsreform die Gruppe der von Marginalisierung Bedrohten weiter zunehmen wird.
Gender Mainstreaming: Beginn adäquater Lösungen
Elisabeth Holzleithner vom Institut für Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Uni Wien konzentrierte sich in ihrem Beitrag auf das Gender Mainstreaming an den Universitäten. Der Gestaltungsvorschlag zur Vollrechtsfähigkeit habe völlig inadäquat auf die Anforderungen der Gleichbehandlung reagiert. Holzleithner anerkannte jedoch, dass ein aktuelleres Papier den Beginn einer adäquaten Antwort darstelle.

Die Expertin nannte jene Eckpunkte, die der endgültige Gesetzestext in puncto Gender Mainstreaming enthalten müsse. Vor allem müsse der Arbeitskreis gegen Diskriminierung mit einem Veto ausgestattet werden, das aufschiebende Wirkung habe. Dies sei deshalb notwendig, um in einem Verfahren genau klären zu können, wo die Diskriminierung stattgefunden habe.

Der Fristenlauf dürfe nicht zu kurz sein, um ein fundiertes Veto ausarbeiten zu können, und die Schiedskommission sollte auf dem Weg der Mediation eine Lösung erarbeiten.
->   Die volle Rechtsfähigkeit der Universitäten
Gestaltungsvorschlag für die Regelung der Autonomie (pdf-Datei)
->   www.weltklasse-uni.at (Bildungsministerium)
->   Bildungsministerium
->   Mehr über die Uni-Reform in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010