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Der amerikanische Traum: Ausgeträumt  
  90 Prozent der weißen amerikanischen Arbeiter verdienen heute weniger Geld als vor 20 Jahren. Die Haushaltseinkommen blieben zwar unverändert, aber nur weil immer mehr Frauen bezahlt arbeiten. Wie eine neue Studie belegt, scheint der amerikanische Traum vom gesellschaftlichen Aufstieg - vom sprichwörtlichen Tellerwäscher zum Millionär - ausgeträumt.  
Arbeiten, um zu leben, statt umgekehrt
Und dies, so Martina Morris von der University of Washington, habe weder etwas mit den Auswirkungen der Terrorattacken vom 11. September noch mit der gegenwärtigen Wirtschaftskrise zu tun. Vielmehr handle es sich dabei um eine allgemeine Entwicklung der Ökonomie.

"Immer mehr Amerikaner arbeiten, um zu leben, und leben nicht, um zu arbeiten", so Morris.
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Studie: Einkommen über 16 Jahre untersucht
Die Soziologieprofessorin ist eine der Autorinnen einer Studie, die unter dem Titel "Divergent Paths" in Buchform erschienen ist. Darin wurden USA-weit die Einkommensverhältnisse von zwei Gruppen von Männern, insgesamt an die 5.200 Personen, über einen Zeitraum von 16 Jahren untersucht.
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Einkommensschere wächst
Die New Economy, so die Studienautoren, hat den gesellschaftlichen Reichtum nicht gleich verteilt: Im Gegensatz zu früheren Perioden ist der Unterschied im Lebenseinkommen zwischen hohen und niedrigen Einkommen in den 1980er und 1990er Jahren stark angewachsen, um etwa 20 Prozent.

Die Zahl der Berufsanfänger, die es theoretisch zum gleichen Wohlstand wie die amerikanische Mittelklasse der 70er Jahre bringen könnte, ist heute um 40 Prozent gesunken.

Einer der Hauptgründe dafür liegt in einer wachsenden Unsicherheit der Beschäftigungsverhältnisse. Während Jobwechsel früher als Möglichkeit der Einkommensverbesserung galten, sind sie heute Ausdruck instabiler Arbeitsmärkte.
College-Ausbildung zahlt sich kaum mehr aus
Mit Ausnahme von Angestellten der Finanz-, Versicherungs- oder Immobilienbranche müssen die meisten College-Absolventen heute mit geringeren Einkommenszuwächsen rechnen als noch vor zwanzig Jahren.

Eine College-Ausbildung im Bereich Technik oder Kunst zahlt sich nach Ansicht der Autoren in ökonomischer Hinsicht nicht mehr aus. Typische Absolventen dieser Fachrichtungen erhalten die gleichen Gehaltserhöhungen wie normale High-School-Abgänger mit Matura.
Niedriglohn-Sektor stark angewachsen
Mehr Arbeiter als zuvor sind nun in Niedriglohn-Sektoren beschäftigt wie Einzelhandel oder Dienstleistungen. In ihnen sind die Aufstiegschancen geringer und damit auch die Aussichten auf Einkommenszuwächse.
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Unterschiedliche Erfahrungen: Stabilität vs. Deregulierung
Die Daten für die Studie stammen von zwei nationalen Untersuchungen, die 1966 bzw. 1979 in Auftrag gegeben wurden. Beide verfolgten die Wege junger Männer von ihrer Teenagerzeit bis zu ihrem 40. Lebensjahr. Beide Gruppen wurden jährlich zu ihrer Arbeits- und Einkommenssituation befragt. Während die erste Gruppe in den späten, vergleichsweise stabilen 1960er Jahren zu arbeiten begann, trat die zweite in den frühen 80er Jahren in den Berufsalltag ein, in einer Zeit von Deregulierung, Globalisierung und dem Verlust organisierter Arbeiterschaft.
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Selbst "privilegierte, weiße Männer" betroffen
Die Studie blieb auf weiße Männer beschränkt, da sich einerseits Frauen in den späten 60er Jahren noch in zu wenigen bezahlten Beschäftigungsverhältnissen befanden und da andererseits die Erwerbsbiographien anderer Ethnien zu sprunghaft waren, als dass sich sinnvolle statistische Vergleiche ziehen ließen.

"Unsere Studien haben bewiesen, dass die negativen Auswirkungen des wirtschaftlichen Strukturwandels nicht nur die Minderheiten betrifft", so Morris. "Es sind weiße Männer
betroffen, die üblicherweise zu den privilegierten Gruppen des Arbeitsmarkts gehören."
Haushaltseinkommen blieben gleich: Wegen der Frauen
Die Haushaltseinkommen insgesamt sind im Vergleich zu den 70er Jahren nicht gesunken. Ein Umstand, der vor allem auf die vermehrte Verrichtung bezahlter Tätigkeiten durch Frauen zurückzuführen ist.

Zwar haben die Familien dadurch gleich viel Geld zur Verfügung, "aber es bedeutet viel mehr Aufwand, es zu verdienen. Die New Economy ist nicht familienfreundlich, Stress und Vernachlässigung der Kinder nehmen überhand", so Morris.
->   Martina Morris
->   CV von Martina Morris
->   Washington University
 
 
 
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01.01.2010