News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Evaluierung der Lehre: hoher Aufwand, mäßiger Ertrag  
  Die Evaluierung universitärer Lehrveranstaltungen durch die Studenten ist seit 1993 verpflichtend vorgeschrieben. Die Ergebnisse scheinen jedoch wenig zufriedenstellend, ihre Aussagekraft zweifelhaft, die Ziele der Befragungen unklar.  
Diese ernüchternde Bilanz zieht die Bildungspsychologin und Evaluierungsexpertin Christiane Spiel vom Institut für Psychologie der Universität Wien.

"Die Evaluierung von Lehrveranstaltungen durch Studierende ist mit hohem Aufwand und hohen Kosten verbunden, bringt aber in Relation dazu relativ wenig bis gar nichts für die Verbesserung der Lehre", so Spiel im Gespräch mit der APA.
...
Evaluierung der Lehrveranstaltungen
Seit Inkrafttreten des Universitätsorganisationsgesetzes (UOG) 1993 ist die Evaluierung der Lehrveranstaltungen verpflichtend vorgeschrieben. Flächendeckend werden an allen österreichischen Universitäten Vorlesungen, Seminare, Übungen, etc. durch die Studierenden beurteilt.
->   Sudienrelevante Gesetze online
...
Unklare Zielsetzung
Als Gründe für den mangelnden Ertrag der Evaluation nennt Spiel unter anderem, dass es keine klaren Ziele gebe und auch die Zielgruppe nicht klar definiert sei.

"Soll mit der Evaluierung über den Stand der Dinge informiert oder eine Kontrolle ausgeübt werden?" fragt Spiel. "Richten sich die Ergebnisse an Studenten - wohl nicht, weil sie nicht veröffentlicht werden - oder an die Uni-Leitung, damit sie sieht, wo Mängel und wo Spitzen sind, oder an die Lehrenden selbst?"
Aussagekraft der Ergebnisse zweifelhaft
Auch die Aussagekraft der Evaluierungsergebnisse werden von der Expertin bezweifelt. Denn laut Spiel zeigt sich eine deutliche Diskrepanz: Die Lehre wird demnach zwar allgemein gut beurteilt, wenn man aber Einzelne über ihr Studium befrage, beklage sich fast jeder - zumindest über einzelne Lehrende.
Fiktive Abhängigkeit und fehlende Vergleichsmöglichkeiten
Die Gründe für die unbefriedigende Situation sieht die Psychologin einerseits im Problem einer "fiktiven Abhängigkeit": Studierende würden oft aus Angst, möglicherweise doch identifiziert werden zu können, die besseren "Noten" geben.

Andererseits gebe es meist nur einen Lehrenden in einem Fach. Deshalb könne man sich nicht vorstellen, dass es auch anders und besser gehen könne, es fehlen die Vergleichsmöglichkeiten.

Und schließlich gibt es laut Spiel bei der derzeitigen Form der Evaluierung den systematischen Fehler, dass eine Lehrveranstaltung, deren Thema einen Studenten interessiert, von diesem automatisch besser beurteilt wird.
Fehlende Konsequenzen bei schlechter Beurteilung
Spiel kritisiert auch das Fehlen von Konsequenzen der Lehr-Evaluierung. Die im Gesetz formulierte Konsequenz bei zweimaliger schlechter Beurteilung - ein Gespräch mit dem Studiendekan - bezeichnet sie als "Witz".

Reine Rückmeldungen der Ergebnisse zeigen laut Untersuchungsergebnissen keine Effekte, meint Spiel. "Das einzige, das etwas bringen würde, wären systematische Weiterbildung und Beratung sowie Belohnungsanreize."
Die Lehre soll für Lehrende attraktiver werden
"Derzeit hat die Lehre in der persönlichen Karriere eines Universitätslehrers keinerlei Stellenwert", so Spiel. Daher sollte das ganze System so geändert werden, dass die Beschäftigung mit der Lehre auch für die Lehrenden wieder attraktiver wird.

Der derzeitige Zustand sei allerdings das genaue Gegenteil. Denn wer viel in Lehre investiere, müsse viel zusätzliche Zeit investieren, um in der Forschung mithalten zu können - oder er schade sich selbst, so das Fazit der Expertin.
->   Institut für Psychologie der Universität Wien
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010