News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Lauschangriff auf die "Feuerberge"  
  Die Vulkankatastrophe im Kongo Mitte Jänner hat wieder einmal gezeigt, welch verheerende Folgen Ausbrüche in der Nähe menschlicher Siedlungen haben können. Ein Forscher des US Geological Survey geht nun mit gezielten "Lauschangriffen" gegen aktive Vulkane vor. Damit sollen die Chancen erhöht werden, künftige Tragödien zu verhindern - und so Menschenleben zu retten.  
Ihre Feuertaufe hat die Methode bereits bestanden: der schwere Ausbruch des Vulkans Popocatepetl in Mexico Mitte Dezember 2000 wurde damit bis auf wenige Stunden richtig vorhergesagt.
Stärkste Eruption seit 500 Jahren
30.000 Menschen konnten rechtzeitig aus den gefährdeten Gebieten evakuiert werden. Niemand kam zu Schaden - obwohl es nach Aussage der Vulkanologen die stärkste Eruption des Popocatepetl seit 500 Jahren war.
->   Vulkane der Welt
Auf der Suche nach dem "Klang der Vulkane"
Der "Lauschangriff" des geborenen Schweizer Forschers Bernard Chouet vom US Geological Survey gilt dem "Klang der Vulkane" - jenen Warnsignalen aus der Tiefe, die einen bevorstehenden Ausbruch ankündigen.

Seit langem ist bekannt, dass vor jeder Eruption die Erde in der Umgebung des Vulkans schwach zu beben beginnt. Bisher jedoch konnten Vulkanologen aus diesem Effekt keine ausreichend zuverlässige Prognose für den Zeitpunkt des Ausbruchs entwickeln.

Bernard Chouet entdeckte in den seismischen Aufzeichungen allerdings ein bis dahin vernachlässigtes Signal. "Es ist eine Art Alarmton", erläutert der Forscher. "Durch ihn signalisiert der Vulkan, dass er immer stärker unter Druck gerät und explodieren wird."
Vulkanschlot als "Orgelpfeife"
Ähnlich wie die Luft in einer Orgelpfeife sind auch Magma und vulkanische Gase unter Druck, wenn sie durch den Schlot eines Vulkans empor gepresst werden. In jeder Gesteinsspalte, bei jedem Nachfliessen des Magmas aus dem Erdinneren, entsteht so ein Resonanzton - ein "Typ B"-Warnsignal.

Ist der Krater verschlossen, können weder Magma noch Gase entweichen. Die Folge: der Druck im Vulkan wächst - bis er schließlich explodiert.
...
Das Warnsignal "Typ B"
Im Gegensatz zu den auffälligeren Schwingungen - von den Experten "Typ A" genannt - ist dieses "Typ B"-Signal schwer zu entdecken. Den Wissenschaftlern war es zwar bekannt, sie wussten jedoch nicht, was es bedeutet. Erst Bernard Chouet erkannte, dass es sich dabei um ein Resonanzsignal handelt.

Der Forscher vergleicht es mit den Vorgängen in einer Orgel: Wird Luft mit Druck durch eine Orgelpfeife gepresst, kommt es zur Resonanz. Die Luftsäule vibriert und erzeugt einen Ton, der sanft ausklingt. Im seismischen Diagramm erscheint eine eindeutige Kurve: ein so genanntes langperiodisches Ereignis.
->   Informationen zu Vulkanen
...
Countdown bis zum Ausbruch
Bei der Auswertung der Daten früherer Vulkanausbrüche entdeckt Bernard Chouet zahlreiche dieser Warnsignale. Sie häuften sich immer stärker, je näher die Eruption rückte - der Prozess erscheint wie ein Countdown bis zum Ausbruch.

Ende 2000 erkannten die mexikanischen Vulkanologen, die den Popocatepetl überwachen, in ihren seismischen Daten dieses "Typ B"-Warnsignal. Dank Chouets Arbeiten waren sie in der Lage, den Zeitpunkt der Eruption genau zu bestimmen.

"Wir konnten deutlich erkennen, dass es am 18. zwischen vier und sechs Uhr nachmittags passieren würde", erläutert Carlos Valdes vom mexikanischen Katastrophenschutzzentrum.
Gratwanderung Evakuation
Für die Vulkanexperten ist es immer wieder eine Gratwanderung. Die entscheidende Frage ist, wann die gefährdete Bevölkerung evakuiert werden soll.

Das Problem dabei: ein Fehlalarm hätte fatale Folgen. Wenn die Menschen ihre Häuser verlassen, und der angekündigte Ausbruch bleibt aus, werden sie den Warnungen in Zukunft kaum mehr Glauben schenken.
...
Helden oder Idioten?
"Werden wir am Ende die Helden sein - oder wie Idioten dastehen? Das sind die Dinge, die einem graue Haare verschaffen, und die diesen Job sehr schwierig machen", beschreibt David Harlow - ehemaliger Mitarbeiter des US Geological Survey - das Dilemma. "Man ist getrieben von dem Wunsch, Leben zu retten - gleichzeitig will man die Menschen jedoch nicht grundlos beunruhigen."
...
"Absolute Prognose" unmöglich
Voraussetzung für eine möglichst zuverlässige Vorhersage ist letztlich eine lückenlose Überwachung gefährlicher Vulkane. Eine gewaltige Aufgabe für die Vulkanologen - selbst wenn nur ein Teil der weltweit mehr als 500 aktiven Vulkane eine Gefahr für Menschen darstellen.

Und trotz aller neuen Erkenntnisse über die "Feuerberge" werden Vulkanologen auch in Zukunft Eruptionen nicht mit absoluter Genauigkeit vorhersagen können.

Ivo Filatsch, Modern Times
Mehr zu diesem Thema in "Modern Times Spezial", am 1.3.2002, 22.35 Uhr, ORF 2
->   Modern Times
->   Vulkanabeilung des US Geological Survey
->   Mehr zum Thema Vulkane in science.ORF.at
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010