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Kernfusion: Zwischen Hoffnung und Skepsis  
  Angeblich gelungene "Kernfusionen" bewegen in beinahe regelmäßigen Abständen die Welt der Physik. Nun meinen russische und amerikanische Forscher in einem simplen, aber umstrittenen Laborversuch, das Rätsel der "Kernfusion im Reagenzglas" gelöst zu haben.  
Ein Ernst zu nehmender Versuch
Obwohl die Skepsis groß ist - in einem zweiten Versuch konnte der Nachweis einer Kernfusion nicht erbracht werden -, sprechen die Beteiligten von großen Hoffnungen für eine umweltfreundliche und nahezu unerschöpfliche Energiequelle der Zukunft. Ergebnisse eines dritten, unabhängigen Versuchs werden daher mit Spannung erwartet.

Laut Peter Hille, Professor am Wiener Universitätsinstitut für Istotopenforschung und Kernphysik, ist dieser Versuch jedenfalls ernst zu nehmen, wie er in einem Gespräch mit science.ORF.at betonte.
Kernfusion auf dem Labortisch
R. P. Taleyarkhan und Kollegen vom Oak Ridge National Laboratory und dem Rensselaer Polytechnic Institute scheint es gelungen zu sein, in einer einfachen Vorrichtung eine Kernfusion zu erzeugen.

 


Die Vorrichtung auf dem Labortisch ist nicht größer als drei übereinander gestapelte Kaffeetassen.
Zwei "Endprodukte" einer Kernfusion konnten nach dem Versuch nachgewiesen werden: frei gesetzte Neutronen und Tritium, ein Wasserstoffisotop.
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Originalbeitrag erscheint am Freitag, 8. März 2002 im Wissenschaftsjournal Science 295, 1868 (2002):
->   "Evidence for Nuclear Emissions During Acoustic Cavitation" (kostenpflichtig)
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Neue Wege beschritten
Bemerkenswert an diesem Versuch ist, dass im Vergleich zur konventionellen Fusionsforschung der Aufwand minimal ist. Der Trick besteht darin, mit Hilfe des Lösungsmittels Aceton, das in einer Spezialform mit Schallwellen in Vibrationen versetzt wird, winzige Bläschen entstehen zu lassen, die enorme Hitze aufweisen.
Das Dilemma der hohen Temperatur
Dies ist vielversprechend, da das grundlegende Problem der Kernfusion darin besteht, den Brennstoff auf hohe Temperaturen von hundert Millionen Kelvin aufzuheizen und genügend lange zusammenzuhalten. Bisherige Versuche verbrauchten daher weitaus mehr Energie, als die Kernfusion liefern konnte.

Mit der Einbindung des Lösungsmittels meinen die Autoren einen Weg gefunden zu haben.
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Kernfusion
Bildung schwerer Atomkerne aus leichteren unter gleichzeitiger Energieabgabe. Die Kernfusion ist ein in Sternen permanent ablaufender Energie-Prozess. Energietechnisch aussichtsreich erscheint die Kernfusion des schweren Wasserstoffisotops Deuterium zu Helium: Die dabei frei werdende Energie ist einige Millionen Mal größer als bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe.

Man muss Deuteriumgas mit einer Dichte von 10 hoch minus 16 Teilchen auf 100 Millionen Kelvin erhitzen. Bei der dann einsetzenden Kernfusion werden große Energiemengen frei. Technische Schwierigkeiten liegen noch in der Erzeugung der Anfangstemperaturen und in der Herstellung von Behältern für das heiße Plasma.
->   Mehr zur Kernfusion
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Unzureichende Resultate beim zweiten Versuch
Andere Wissenschaftler des Oak Ridge Institutes hingegen widersprechen laut AP nun Taleyarkhan und seinen Kollegen.

Sie behaupten, in einem zweiten Versuch zwar ebenso die Endprodukte der Kernfusion nachgewiesen zu haben, jedoch sei die Zahl der Elektronen nicht ausreichend gewesen, um von einem erfolgreichen Versuch zu sprechen.
Physikalisch interessant ...
Nichtsdestotrotz sei der Versuch für Physiker hochinteressant, so der Wiener Kernphysiker Hille gegenüber science.ORF.at. Denn die physikalischen Bedingungen, wie sie auf der Sonne herrschen, mit bescheidenem Aufwand am Schreibtisch entstehen zu lassen, erweitere "das große Spiel um die Fusionsentwicklung".
... von der Anwendung weit entfernt
Wie auch immer die Ergebnisse der dritten Versuchsanordnung ausfallen werden, darf nicht übersehen werden, dass die Möglichkeiten einer Anwendung dieses Verfahrens noch lange nicht realisierbar sind. Diese sieht Hille nach wie vor in der konventionellen Kernfusion.
"Konventioneller" Fusionsreaktor bald in Betrieb ?
Bereits seit Jahren wird in verschiedenen Fusionsexperimenten daran gearbeitet, die für die kontrollierte Kernfusion erforderlichen Plasmabedingungen herzustellen.

Das nächste große Ziel der weltweiten Fusionsforschung ist der Bau des "International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER)".
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Neues aus der Fusionsforschung in Österreich
Der langfristigen Energiegewinnung durch Kernfusion sind Tiroler Physiker unter anderem mit einem Teilchensimulationsmodell auf der Spur. Mit ihrem Projekt seien wichtige Erkenntnisse zum Verständnis des so genannten "divertornahen Plasmas" gewonnen worden. Damit würden die Wissenschafter nun "an vorderster Front" der internationalen Fusionsforschung mitmischen, erklärte Siegbert Kuhn, Professor am Institut für Theoretische Physik an der Universität Innsbruck, im Gespräch mit der APA.
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An dem internationalen Projekt beteiligen sich Europa, Japan und Russland, die USA haben inzwischen ihre Beteiligung zurückgezogen. Bis zur Inbetriebnahme wird es allerdings noch 20 bis 50 Jahre dauern.
->   ITER
->   Mehr zur Kernfusion auf science.ORF.at
->   Oak Ridge National Laboratory
->   Rensselaer Polytechnic Institute
 
 
 
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01.01.2010