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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Jahr der Berge: Probleme und Perspektiven  
  Die UNO hat das Jahr 2002 zum "Internationalen Jahr der Berge" erklärt. Das öffentliche Interesse soll vor allem auf periphere Bergregionen der Erde gelenkt werden. In diesen Gebieten sind zahlreiche Arten bedroht, Böden und Anbauflächen geraten unter Druck, Erosion und Entwaldung nehmen zu.  
Umweltprobleme der Hochgebirge
Auf der Umweltkonferenz in Rio de Janeiro im Jahr 1992 wurden zum ersten Mal die Umweltprobleme der Hochgebirge grundlegend angesprochen. Zehn Jahre danach sollen nun die Probleme der Bergregionen bewusst gemacht und innovative Lösungen gesucht werden. Zahlreiche Veranstaltungen sind geplant.
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Veranstaltungsreigen zum "Jahr der Berge"
In Österreich finden Symposien über die Berglandwirtschaft, den Bergwald, den Ökotourismus, über Lawinen und über die Alpenkonvention statt. Das Event - Projekt "Alpenglühen" bringt um die Sommersonnenwende im gesamten Alpenbogen reale und virtuelle Feuer auf den Bergen zum Glühen. Die alpinen Vereine, Naturschutzorganisationen, Universitäten, ja selbst die Seilbahnwirtschaft planen Veranstaltungen zum Jahr der Berge.
->   Informationen zu den Veranstaltungen in alpengluehen.at
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Berge zum Thema machen
Georg Grabherr vom Institut für Ökologie und Naturschutz der Universität Wien hält vor allem die internationalen Aktivitäten für eine große Chance: "Es ist interessant, dass es zum Beispiel die Mittelmeerländer geschafft haben, die Küsten zu einem wichtigen Thema zu machen. Die Berge waren bisher eigentlich kein Thema."
Bevölkerungswachstum, Nutzungsdruck, Erosion
Je nach Berechnung ist etwa ein Zehntel bis ein Fünftel der Landoberfläche zu den Hochgebirgen zu zählen, so Hilmar Schröder vom Institut für Geographie der Universität Erlangen. Rund die Hälfte der Weltbevölkerung lebt jedoch von den Ressourcen der Hochgebirge.

Schröder beschäftigt sich vor allem mit dem schleichenden Prozess der Erosion in diesen Gebirgen, der von den Medien kaum wahrgenommen wird. Er beobachtet seit Jahren, dass in vielen Bergregionen der Welt die Bodenfruchtbarkeit und damit die Nahrungsgrundlage für die dortige Bevölkerung verloren geht.
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Einsetzen der Erosion
"Weltweit hat sich im 20. Jahrhundert der Nutzungsdruck in immer steilere Hanglagen verlagert, so dass sich auch die Anfälligkeit der Oberfläche gegenüber dem Abtrag erhöht hat. Die Bodenfruchtbarkeit nimmt aber mit der Steilheit der bewirtschafteten Hänge ab. Dadurch setzt Erosion ein", so Hilmar Schröder.
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Abwanderung
Die Bevölkerung wandert in andere Regionen aus, was zu Konflikten mit der dort ansässigen Bevölkerung führen kann. Oder man zieht in Städte bzw. deren Slums, hat aber dort keine Chance, eine solide Lebensgrundlage aufzubauen.
Probleme in den Anden
Ähnliche Probleme beobachtet der Salzburger Geograph Christoph Stadel in den tropischen Anden Südamerikas.

Sie verfügen über ein ausgeglichenes, gemäßigtes Klima, das einen ganzjährigen Anbau ermöglicht, sind seit Jahrtausenden besiedelt und waren Heimat von Hochkulturen. Heute gibt es auch dort drastische ökologische Probleme:

"Die steilen Hanglagen der Anden werden intensiv genutzt und können dadurch von Erosion beeinträchtigt werden. Dazu kommt noch die Überbevölkerung - in der Kolonialzeit wurde die indigene Bevölkerung in die oberen steilen Hanglagen verdrängt. Ein wesentliches Problem ist auch die Entwaldung. Nicht immer führen die Maßnahmen zur Wiederaufforstung zum Erfolg", so Christoph Stadel.
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Sensibilisierung durch das "Jahr der Berge"
Die Chance, die das Internationale Jahr der Berge für diese Regionen bietet, sieht Christoph Stadel darin, die nationalen Regierungen der Andenstaaten zu sensibilisieren. Diese sind zwar stolz auf die alten Hochkulturen der Bergwelt, für die ökologischen Probleme im eigenen Land ist man allerdings noch blind. Entsprechende Entwicklungskonzepte müssten auf eine Region abgestimmt und die Bevölkerung eingebunden werden, um auf Kulturtraditionen Rücksicht zu nehmen.
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Die Probleme der Alpen
Das Internationale Jahr der Berge soll auch verstärkt auf die Probleme des Alpenraumes hinweisen. Was die Regionalentwicklung betrifft, so zeigen die Alpen ein Janusgesicht.

Einerseits boomende Alpenstädte bzw. Städte in Alpennähe, wie Salzburg, Innsbruck, München, Chamonix. Auf der anderen Seite große Abwanderungsbewegungen, die ganze Regionen entvölkern.
Entsiedlungsgebiete
Mit diesem Phänomen befasst sich seit Jahren der Alpen-Geograph Werner Bätzing von der Universität Erlangen:

"Man kann sagen, dass ungefähr 20 Prozent der Alpenfläche Entsiedlungsgebiet sind. Wir haben heute schon völlig unbesiedelte Seitentäler. Weitere 20 Prozent der Alpenfläche sind Problemgebiete, in denen die Bevölkerung deutlich zurückgeht. Dazu zählt ein großer Teil von der Steiermark, von Westkärnten, überhaupt jene Teile Österreichs, in denen früher die Eisenindustrie verbreitet war".
Abwärtsspirale
In solchen Problemregionen mangelt es an Infrastruktur, eine fatale Abwärtsspirale ist die Folge: Schlechte Verkehrsanbindung, Schließung von Postämtern und Schulen, Pendler.

Die Wirtschaft einer solchen Region ist nicht konkurrenzfähig, diese Gebiete produzieren zu teuer. Diese Entwicklung könnte nur durch den angepassten Tourismus in enger Kooperation mit altem Handwerk und in Verbindung mit biologischer Landwirtschaft aufgehalten werden, so der Experte.

Der nachhaltigen Entwicklung, dem Naturschutz, der Lösung der Energiefrage sowie dem Ausbau des öffentlichen und der Reduktion des Transit - Verkehrs soll die Alpenkonvention neue Impulse geben.
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Alpenkonvention
Die Alpenkonvention ist ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen der acht Alpenstaaten und der Europäischen Union. Die Alpenkonvention erhält heuer ein ständiges Sekretariat. Mehrere Alpenstädte haben sich als Sitz dieser Einrichtung beworben, darunter auch Innsbruck. Sollte die Wahl auf Innsbruck fallen - die Chancen dafür sind gut - wäre das eine Würdigung und Aufwertung des österreichischen Engagements für die Alpen.
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Dezentraler Tourismus - Rettung für strukturschwache Regionen
Der Tourismus in den Alpen kann seit Mitte der 80er Jahre kein Wachstum mehr verzeichnen. Der Sommertourismus geht mancherorts sogar drastisch zurück, Wintertourismus wiederum stagniert auf einem hohen Niveau.

"Die Idee, man müsse den Tourismus im Sommer ähnlich gestalten wie im Winter erscheint absurd, meint der Geograph Werner Bätzing: "Die Ansprüche der Sommer- und der Wintergäste sind völlig unterschiedlich".
Den Kuchen neu verteilen
Der Sommertourismus sei viel sanfter und dezentraler als der Wintertourismus. "Das größte Potential der Alpen könnte es sein, dass der städtische Mensch im Urlaub die Umwelt wahrnehmen kann. Und das geht nur, indem er sich dieser Umwelt unmittelbar aussetzt, in Form des Spazierengehens oder Wanderns".

Werner Bätzing wünscht sich für die Alpen einen dezentralen Tourismus, der sich über den gesamten Alpenraum verteilt. Zur Zeit ist noch der Großteil des "touristischen Kuchens" auf einige Regionen verteilt, während andere Regionen fast leer ausgehen.

Ein Beitrag von Wolfgang Bauer für das Salzburger Nachtstudio am 6. 3. im Programm Österreich 1
->   Radio Österreich 1
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Literatur, Zeitschriften
Pitamber Sharma (Hg.): Tourism as Development. Case Studies from the Himalaya, Studienverlag 2000.

Messerli, B./Ives, J. D. (Hg.): Mountains of the World, New York/London 1997

Mountain Agende (Hg.): Mountains, Energy and Transport, Bern 2001
ders.: Water Towers for the 21st Century, Bern 199
ders.: Tourism and Sustainable Development, Bern 1999
ders.: Mountain Forests and Sustainable Development, Bern 2000

Zeitschriften:
Geographische Rundschau (12/2001) zum Thema "Hochgebirge"
BERGE SPEZIAL (1/2001) zum Thema "Jahr der Berge"
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->   Jahr der Berge
->   Eco Himal
->   International Year of Mountains
 
 
 
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01.01.2010