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ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Präzisionsgesteuerte Zellwanderung  
  Die Schlagkraft des Immunsystems hängt von der Mobilität und Lernfähigkeit der Abwehrzellen ab. Treibende Kraft dabei sind Botenstoffe des Immunsystems, die Chemokine. Diese zeigen nach neuen Erkenntnissen den Immunzellen nicht nur den Weg zur Infektion, sondern auch zu jenen Orten im Lymphsystem, wo diese lernen, Erreger zu erkennen und zu vernichten.  
Jetzt konnten Wissenschaftler in den USA gemeinsam mit Forschern des Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Nature" zeigen, dass die Chemokine nicht nur als Wegweiser und "Ausbilder" der Abwehrzellen dienen, sondern auch als ihre "Quartiermeister".
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Artikel in "Nature" (kostenpflichtig; Responsiveness to chemoattractants from adjacent microenvironments determines B-cell position).
->   Artikel in "Nature"
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Der Weg zur "Ausbildungsstätte"
Die Chemokine weisen den Zellen der Immunabwehr den Weg zu den Orten in den Lymphorganen, den sogenannten T- und B-Zell-Zonen, wo diese lernen, Körpereindringlinge aufzuspüren und auszuschalten. Sie legen genau fest, welche Immunzelle zu welchem Zeitpunkt was zu lernen hat.
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Chemokine
Chemokine sind Botenstoffe des Körpers, die bei Entzündungsprozessen eine wichtige Rolle spielen. Bei vielen Entzündungen, sei es in rheumatischen Gelenken, bei Hautekzemen oder Darmentzündungen, haben die Proteine ihre Finger im Spiel. Denn als molekulare Lockrufer lotsen sie die im Blut zirkulierenden Leukozyten durch die Wand der Blutgefässe zum Entzündungsherd. Erst wenn diese Immunzellen im betroffenen Gewebe eingewandert sind, entwickelt sich eine Entzündung, und erst dann können die Abwehrprozesse gegen Mikroorganismen wie Bakterien oder Viren einsetzen.

Chemokine spielen außerdem eine wichtige Rolle bei der Neubildung von Gefäßen. Eine solche Neubildung ist eine typische frühe Veränderung bei der Entzündung der Gelenkinnenhaut bei der chronischen Polyarthritis.
->   Mehr zu Chemokinen
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In Zellen gebildete Signalstoffe
Chemokine sind von körpereigenen Zellen gebildete Signalstoffe. Ihre Bildung wird von verschiedenen Faktoren aktiviert, unter anderem von dem Genregulationsfaktor NF-kappaB.

Solche Faktoren senden bei Virusinfektionen oder Entzündungsprozessen Signale aus. Immunzellen können diese Signale mit speziellen Antennen, den Chemokin-Rezeptoren empfangen und sich damit den richtigen Weg zeigen lassen.

Martin Lipp vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin und seine Mitarbeiter hatten vor wenigen Jahren als erste einen Chemokin-Rezeptor auf B-Lymphozyten nachweisen können, der das zielgerichtete Wanderverhalten von Immunzellen in die B-Zell-Zonen und Keimzentren steuert.
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Antikörper und Immunabwehrzellen
Fünf Antikörper-Klassen kennt man: IgG, IgA, IgM, IgD, IgE. Sie unterscheiden sie sich im molekularen Aufbau, Kohlenhydratgehalt und ihrer Funktion. Mengenmäßig liegt im Blut mit 1250 mg/100 ml Blut das IgG am stärksten vor. IgG ist ein symmetrisches Molekül, dessen Untereinheiten durch Schwefelbrücken zusammen hängen. Die Abwehrfunktionen der Immunglobuline sind sehr vielfältig. IgG z. B. neutralisiert von Bakterien gebildete Toxine, bindet Bakterien an sich und ermöglicht so deren Zerstörung. IgA kommt in der Speichel-, Tränen- und Nasenflüssigkeit vor und deaktiviert Bakteriengifte. IgM ballt sich zu größeren Antikörpern zusammen.
->   Mehr zu Immunglobulinen (Antikörpern)
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Aus dem Knochenmark
Lymphozyten gehen aus dem Knochenmark hervor und werden in zwei große Gruppen unterteilt: die T-Lymphozyten - so benannt nach einem kleinen über dem Herzen liegenden Organ, in dem sie heranreifen, der Thymusdrüse - und die B-Lymphoyzten (B-Zellen), die sich im Knochenmark entwickeln. Die herangereiften B- und T-Zellen sind jedoch noch nicht voll funktionstüchtig.

Sie müssen erst auf Wanderschaft gehen und in verschiedenen Stationen - zum Beispiel in der Milz und in den Lymphknoten - lernen, wie man in de Körper eingedrungene Erreger erkennt und ausschaltet.

Dort treffen sie auf bereits von anderen Immunzellen "gestellte" Erreger, die quasi zur "Fahndung ausgeschrieben" sind und deren Merkmale sich die B- und T-Zellen einprägen müssen.
T- und B-Zell-Zonen in den Lymphorganen
Dies geschieht in den T-Zell- und B-Zell-Zonen der Lymphknoten und Milz sowie in den so genannten Keimzentren, die sich innerhalb der B-Zell-Zone entwickeln.

Dort reifen die Lymphozyten aus und werden für ihre Aufgabe bei der Immunabwehr fit gemacht. In den Keimzentren werden die B-Zellen beispielsweise so geschult, dass sie nicht nur hochaktive Antikörper zur Bekämpfung von Erregern produzieren, sondern auch ihr "immunologisches Gedächtnis" ausbilden.
Informationsaustausch über Erreger
In den Lymphorganen tauschen die Lymphozyten zudem Informationen über Eindringlinge aus, um eine Armada spezialisierter Zellen für deren Bekämpfung zu mobilisieren.

Dieses fein ausbalancierte Zusammenspiel zwischen benachbarten Territorien wird durch Chemokine und ihre Rezeptoren gesteuert und ist mitentscheidend für ein funktionierendes Immunsystem.

Kann dieses Zusammentreffen nicht stattfinden, etwa weil die Immunzellen den Weg zu den "Informationszentren" innerhalb der T-Zell- oder B-Zell-Zone nicht finden, ist die Immunantwort des Körpers gestört.
->   Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin
->   Howard Hughes Medical Institute
 
 
 
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01.01.2010