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Hitze in der Einbahnstraße  
  In der richtigen Mischung können "Steifheit" und "Elastizität" eines Körpers gleichermaßen Hitze stoppen und leiten: Physiker wollen nun ein Material entwickeln, das Wärmeenergie nur in eine Richtung fließen lässt - in die andere aber blockiert.  
Europäische Physiker haben einen Entwurf für ein "Ventil" vorgestellt, das Hitze nur in eine Richtung passieren lässt: Das präsentierte Material funktioniert in diese als Leiter, in die entgegengesetzte Richtung allerdings wie ein Isolator.

Marcello Terraneo und Kollegen von der Insubria Universität in Como, Italien, berichten in der aktuellen Ausgabe des "Physical Review Letters", dass das "Ventil"-Material wie eine Kette verbundener Teilchen - z.B. Atome - wirken würde.
Good vibrations
Diese "Kette" sei derart gestaltet, dass sie in verschiedene Richtungen schwingen könne, je nachdem von welchem Ende die Vibrationen kommen, erläutern die Forscher im "Nature Science Update".

Auf entsprechende Art und Weise zusammengefügt, könnten biologische Moleküle - wie beispielsweise DNA-Stränge - Temperaturunterschiede und deren Übertragung steuern, vermuten die Forscher. Zellen könnten sogar den Fluss von Hitzeenergie auf diese Weise kontrollieren.
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Hitze und Wärmeleitung
Hitze entspricht der Bewegung von Teilchen (z.B. Atome). Wenn solche Teilchen (wie Atome in Molekülform) zusammenhängen, schwingen sie vor und zurück. Je stärker der Ausschlag (Amplitude), desto heißer das Material. Hitze wird nun entlang einer Kette von Partikeln weitergeleitet, da sich die Schwingungen von einem Partikel zum nächsten fortsetzen. Wenn nun ein Ende der Kette mit einem heißerem Material verknüpft ist und das andere mit etwas kühlerem, pflanzt sich die Schwingung und damit die Hitze - vom heißen Ende, das mehr schwingt - zum kühlen Ende fort.
->   Mehr zum Thema Wärmeleitung
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Verschiedene Ketten
Eine solche Kette aus gleich schweren Partikeln, die mit so genannten "harmonischen" Federn verbunden sind, schwinge immer auf der selben Frequenz - d.h. die Geschwindigkeit des Pendelns bleibe gleich, erläutert Terraneo.

In anderen Ketten - wie der DNA - seien die Verbindungen "unharmonisch": die Frequenz kann sich verändern - und somit das "Tor" zum Wärmetransport öffnen oder schließen.
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"Harmonie" versus "Anharmonie"
Die Wärme drückt sich in der Amplitude aus. Je größer diese Schwingung, desto wärmer das Material.
Dass jedoch die Übertragung von Wärme möglich ist, wird durch die Frequenz bestimmt. Sie ist deshalb nur bei "Übereinstimmung" der Frequenz möglich.

Eine "harmonische" Schwingung - wie etwa ein Pendel oder eine Schaukel - bedeutet: egal, wie stark das Pendel schwingt - es schwingt immer in der selben Geschwindigkeit (Frequenz).
Bei einer "anharmonischen" Schwingung hingegen hängt die Frequenz von der Amplitude (Auslenkung, Ausmaß der Schwingung) ab - die Frequenz ist veränderbar. Im Falle von Wärme eröffnet sich dadurch die Möglichkeit der Übertragung oder Blockade.
Bei einem Hitzeleiter würde die Frequenz "passen" und Hitzeüberleitung wäre möglich.
Bei einem Hitzeisolator hingegen würde die Frequenz nicht "passen", die Wärme könnte nicht übertragen werden.
->   Anharmonische Schwingungen
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Gebrauch der "unharmonischen" Mitte
Die "One-way" Leitung von Hitze macht sich nun diese "Disharmonie" zunutze. Eine Kette, die in drei Sektionen gespalten ist - so Terraneo und sein Team - kann Hitze isolieren, wenn der mittlere Teil sich wie eine stark "anharmonische" Feder zwischen zwei "harmonischeren" Teilen befinde.

Da das eine Ende des neu entwickelten Materials steifer als das andere ist, könne Hitze in die eine Richtung fließen - doch nicht in die andere: Der unharmonische Mittelteil der Kette schwinge mit dem steifen Ende wenn es kalt ist, und mit dem weicheren wenn es heiß ist - nicht aber umgekehrt.
Leiter und Isolator
So kann die Kette Hitze von einem heißen, weicheren Ende zu einem kalten, steiferen Ende leiten. Wenn aber das steifere Ende heiß ist und das weichere Ende kalt, dann blockiert der Mittelteil die Schwingungen, sodass der Mittelteil und damit die Kette als ganzes wie ein Isolator reagiert.
Die "Praxis in der Theorie"
Ein solches Hitzeventil könnte in Zukunft einerseits Teile einer mikroelektronischen Kreislaufführung kühl halten, andererseits Hitze zu "Chemiereaktoren" in Chip-Größe leiten. Diese werden zur Zeit für hocheffiziente chemische Synthesen und ultrasensitive Analysen entwickelt.
->   Der Original-Artikel im "Physical Review Letters" (kostenpflichtig)
 
 
 
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01.01.2010