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Kamasutra der Bienen: Eine Frage des Duftes  
  Was ihre Sexualpartner anbelangt, sind manche Bienenweibchen offenbar besonders wählerisch: Sie fliegen nur auf Männchen, die den passenden Geruch verströmen. Um zum Zuge zu kommen, müssen diese den umworbenen Weibchen ihren Duft richtiggehend "unter die Nase" reiben, wie Zoologen der Universität Bonn festgestellt haben.  
Beim Geschlechtsakt der Blattschneiderbienen scheint für Sinnlichkeit kein Platz, wie Dieter Wittmann vom Institut für Landwirtschaftliche Zoologie und Bienenkunde der Universität Bonn erzählt.
"Brutales" Beißen und Zerren
Zumindest sieht es für den Beobachter zunächst ganz so aus: Das Männchen wirft sich auf das Weibchen, beißt sich mit den Kiefern an ihren Fühlern fest, hält ihm mit den Vorderbeinen die Augen zu, presst mit dem mittleren Beinpaar ihre Flügel an den Körper und zerrt mit den Hinterbeinen ihren Hinterleib in die Höhe.
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Allgemeines zu Bienen und Blattschneiderbienen
Nach Schätzungen von Experten existieren weltweit zwischen 20.000 bis 40.000 verschiedene Bienenarten. Die Insekten gehören zu der Familie der Stechhimmen, wozu auch einige Wespenarten und Ameisen zählen. Bienenweibchen versorgen die Brut mit einem Gemisch aus Nektar, Pollen und körpereigenen Sekreten.

Neben der allseits bekannten Honigbiene gibt es auch wildlebende Arten: Eine solche Wildbiene ist die Blattschneiderbiene. Anders als etwa die Honigbiene lebt sie nicht in einem sozialen Verband, sondern solitär. Ihren Namen erhielt das Insekt durch seine Angewohnheit, Blattstücke mit den Kauwerkzeugen "auszuschneiden" und damit die Brutzellen für die Bienenlarven auszukleiden.
->   Mehr zu Blattschneiderbienen
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Die Dame entscheidet
Erst auf den zweiten Blick offenbart sich die komplizierte Vorgehensweise hinter diesem so brutal scheinenden Akt: Denn "die Bienendame allein entscheidet, mit wem sie sich paaren möchte", erklärt Zoologe Wittmann. "Wenn sie den Bienenmann nicht will, bockt sie und wirft ihn ab - und verschafft sich manchmal sogar mit dem Stachel Respekt."

Der Wissenschaftler hat mit seinem Team herausgefunden, welches Kriterium die wählerischen Bienen bei ihrer Partnerwahl beeinflusst: Über Erfolg oder Misserfolg eines werbenden Männchens entscheidet demnach vor allem ein Duftcocktail, den es in seinem Hinterleib produziert.
Duftendes Rendezvous
Bild: AG Wittmann/ Uni Bonn
Die "Pinsel" am Hinterleib des Männchens dienen der Verteilung des Duftes
Die männliche Blattschneiderbiene verteilt zunächst das Duftsekret auf dem gewählten Rendezvous-Platz, wofür es kleine Pinsel an seinem Hinterleib verwendet. Dort muss das Männchen warten, bis ein paarungswilliges Weibchen auftaucht. Hat das Männchen eine Biene angelockt, so reagiert es wie oben beschrieben.

Es klammert sich an den Nacken der Partnerin und klemmt ihre Fühler zwischen hakenartige Zähne seiner kräftigen Kiefer. Die Fühler werden dabei umgebogen und kommen an den Vorderbeinen des Männchens zu liegen.

Dieses seltsam anmutende Paarungsverhalten dient allerdings erneut dem Verabreichen des Duftsekretes, erklären es die Bonner Zoologen. Denn die Vorderbeine des Männchens enthalten Duftdrüsen, aus denen das charakteristische Sekret abgesondert wird.
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Bild: AG Wittmann/ Uni Bonn
Details der "Paarungswerkzeuge"
Die Vorderbeine männlicher Blattschneiderbienen weisen spezifische Strukturen auf: Eines der Fußglieder ist extrem vergrößert und trägt einen schaufelartigen Fortsatz (oberes Bild). Die Bonner Zoologen entdeckten bei der Auswertung von Videoaufnahmen, dass sich kurz vor der Kopulation die Fühler des Weibchens in das gewölbte Schaufelblatt legen. Bei der elektronenmikroskopischen Untersuchung stellten sie zudem fest, dass das Schaufelblatt von winzigen Löchern durchsiebt ist - den Ausgängen von Duftdrüsen (unteres Bild).

"Die gewölbte Schaufelstruktur dient dem Männchen als eine Art Handdusche, mit der es die Fühler seiner Partnerin - ihre Nase - mit seinem Sexualduft abduscht", erklärt dazu Dieter Wittmann. Gleichzeitig legt der Bienen-Mann seine teilweise lichtdurchlässigen Vorderbeine auf die Augen seiner Partnerin und erzeugt so ein artspezifisches Licht- und Schattenmuster.
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Passkontrolle als Absicherung gegen Betrüger
Das komplizierte Prozedere dient wohl, so meinen die Wissenschaftler, als eine Art Passkontrolle: Die Männchen schauen etwa alle 90 Sekunden nach, ob an ihrem Rendevouz-Platz ein Weibchen auf sie wartet. In ihrer Abwesenheit versuchen aber Konkurrenten, sich an die angelockten Weibchen heranzumachen.

Bei der "Duftdusche" kann das Weibchen jedoch den Duft des Rendezvous-Platzes mit dem aus den Vorderbeinen vergleichen und so kontrollieren, ob es gerade einem "Betrüger" aufsitzt.
Initiative gegen Inzucht?
Eine mögliche Erklärung für diese "duftende Fortpflanzung" haben die Wissenschaftler bereits: "An diesem Duftcocktail kann das Weibchen vermutlich erkennen, ob es mit dem potenziellen Sexualpartner verwandt ist, und so Inzucht verhindern", erklärt es Wittmann.
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Faul wie eine Biene?
Jeder kennt die sprichwörtliche "Fleißigkeit" der (Honig)biene, die - so die verbreitete Vorstellung - den ganzen Tag lang emsig auf der Suche nach Nahrung für die Larven ist, oder sonst eine wichtige Arbeit im sozialen Gefüge des Bienenstockes zu erledigen hat. Diese althergebrachten Mythen von der Betriebsamkeit der Bienen werden allerdings durch neue Zeitstudien widerlegt, wie in dem Buch "Schön scheußlich. Neue Ansichten von der Natur, von brutalen Delfinen, zärtlichen Schaben und hinterhältigen Orchideen" von Natalie Angier nachzulesen ist.

Demnach widmen sich Bienen - genauso wie die Ameisen - nur rund ein Zwanzigstel ihres Tages der Arbeit. "Der Mythos vom nimmermüden sozialen Insekt entstand vermutlich aus der Betrachtung ganzer Ameisenhaufen oder Bienenstöcke, kleiner Galaxien von pausenloser Aktivität", schreibt Angier. "Die legendären Arbeiter der Wildnis - Vögel, Bienen, Biber - vertrödeln in Wirklichkeit mehr Zeit im Müßiggang als der Durchschnittseuropäer."
->   Mehr zu dem Buch in science.ORF.at
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Mikrowelt der Verführung
Mittlerweile konnte der Zoologen und seine Mitarbeiter ähnliche Paarungsmechanismen auch noch bei anderen Bienen und auch bei Wespen nachweisen. "Da tut sich eine wahre Mikrowelt der Verführung auf, die man den kleinen Insekten gar nicht zutraut", begeistert sich der Forscher.

Bei manchen Arten bringt demnach gar erst die Kombination von Duft, Licht und sanften Berührungen die Bienen-Dame in Stimmung - einige Duftduschen sind mit tausenden beweglichen Härchen ausgekleidet, die die Fühler der Weibchen sanft massieren können.
->   Institut für Landwirtschaftliche Zoologie und Bienenkunde
->   Mehr zum Thema Bienen in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010