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Das virtuelle Museum  
  Die zunehmende Digitalisierung des kulturellen Erbes und die Möglichkeiten des Internet eröffnen Museen ein völlig neues Aufgabengebiet. Noch erkennen allerdings nur wenige die zusätzlichen Möglichkeiten, die Kunstvermittlung im Netz bietet.  
Erstmals Anfang der 1990iger Jahre begannen Museen, Bibliotheken und Archive in Europa ihre Bestände digital zu erfassen. Seitdem gibt es dank der Fortschritte der Breitbandtechnologie einen enormen Anstieg von Museen, die online gingen.
Mehr als 3.000 Museen im Netz
Mehr als 3.000 italienische Museen sind derzeit schon online zugänglich, in ganz Europa gibt es rund 10.000 virtuelle Museen, schätzt Kim Veltman vom Maastricht McLuhan Institute.

Museen verstehen sich nicht mehr nur als Bewahrer von Kunst, sondern als "Informations-Provider", die ihre Sammlungen weltweit zugänglich machen wollen. Die Möglichkeiten des Internets werden von den Museen bisher aber sehr unterschiedlich genutzt.
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Drei Arten virtueller Museen
Es gibt 3 Klassen von virtuellen Museen, erläutert Thomas Fürstner von der Universität für Angewandte Kunst in Wien.
1. die Visitenkarte. Man sieht das Organigramm des Museums, die Öffnungszeiten, die aktuelle Ausstellung und ein paar Bilder. Maximal ein Text zu der gesamten Ausstellung. "Das ist relativ uninteressant", meint Fürstner.
"In der Phase 2 erkennen sie plötzlich: was wir in der Realität machen können, das können wir auch im virtuellen Raum machen. Da werden dann plötzlich alle Exponate abfotografiert und in 3D ins Netz gestellt. Doch dann merkt man sehr bald, dass es das auch nicht ist."
Der dritte Lernschritt schließlich erweitere die gesamte museale Arbeit auf sinnvolle Weise.
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Kommunikation über Kunst
Die beiden Schlagworte der Erweiterung sind Kommunikation und Simulation. "Ich kann für jedes einzelne Artefakt eine Community of Interest bilden", so Fürstner. Interessierte können sich um ein virtuelles Objekt gruppieren und austauschen.

"Möglich ist auch, dass ein Ausstellungsbesucher, der vor dem realen Objekt steht, sich über einen tragbaren Computer mit einem virtuellen Museumsbesucher irgendwo auf der Welt verlinkt und redet. Der Museumsbesucher ist zudem nicht mehr nur auf die Schautafel vor dem Exponat angewiesen, er kann sich direkt aus dem Internet die interessanten Informationen holen", erklärt Fürstner.

Zum anderen können digitale Artefakte manipuliert, weiterverarbeitet und verändert werden. "Dieser Bereich entwickelt sich jetzt ganz massiv."
Museale Fiktion
Virtuell wird ein Museum dann, wenn es mit Fiktion arbeitet. Harald Krämer von der Universität Köln nennt das Schweizerische Landesmuseum in Zürich als Beispiel. Da das Museum von 2005 bis 2007 geschlossen ist, wird derzeit heftig an einem Projekt gearbeitet, mit dem trotzdem Ausstellungen gestaltet werden können.

"Es geht darum, Ausstellungen zu erstellen, die man in der Realität schlecht oder nur mit erheblichen Kosten durchführen kann. Das sind zum Beispiel Themen wie Luxus, Minderheiten oder Klimawandel. Im Internet kann man die real existierenden Objekte zusammenfließen lassen mit Links zu Forschungslabors, zu Stellungnahmen usw. Das ist dann keine Ausstellung mit uninteressanten Objektbeschreibungen, die ohnehin niemand lesen mag."
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Ein Beispiel aus Kanada
Das Canadian Heritage Information Network ist ein Museum im Internet, dem real existierende Objekte zugrunde liegen. Im Internet wurde eine Metaebene für 627 Museen in ganz Kanada geschaffen. "Wir wollten ein zweisprachiges Angebot schaffen, das das vielschichtige Erbe Kanadas reflektiert", sagt Patricia Young. "Wir haben jeden Tag 1,7 Millionen Besucher aus über 100 Ländern, wobei die Image Gallery die meisten Besucher hat. Die Leute suchen nach Künstlernamen und holen sich die Bilder auf den Computer, um sie in Ruhe betrachten zu können."
->   Canadian Heritage Information Network
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Fade Museen?
"Die Museen erzählen keine Geschichten", kritisiert Krämer, Autor des Buches "Museumsinformatik und Digitale Sammlung".

"Es mangelt an guten Geschichtenerzählern im Kunstbereich. Die Museen wären voll von Geschichten, jedes einzelne Werk hat eine Geschichte zu erzählen, nur erfährt man sie nie, wenn man durch die Räume wandert."

Die Digitalisierung soll Abhilfe schaffen. Es gibt schon zahlreiche CD ROM-Projekte mit Avataren, mit animierten Figuren, die durch das Museum führen und auf die Fragen des Besuchers antworten.
Vielschichtige Dokumentation
Zum anderen müsste Kunst völlig anders dokumentiert werden, fordert der Kunsthistoriker Krämer. "Die Dokumentation erfolgte bisher meist retrospektiv und passiv. Die zeitgenössische Kunst funktioniert aber nicht so."

Das Orgien-Mysterien-Theater des Hermann Nitsch oder Installationen sollten vielschichtiger als bisher dokumentiert werden.

"Auf einer CD ROM oder im Internet könnte man die Partitur des Meisters parallel zur Inszenierung verfolgen, ein Interview mit dem Künstler sehen, die Reaktion der Umgebung, die Meinung der Experten abfragen und die Genese des Werkes verfolgen". Dieser völlig neue Ansatz der digitalen Dokumentation von Kunst ermögliche auch noch in Jahren einen direkten Zugang zu komplexen Kunstwerken.


Ein Beitrag von Ulrike Schmitzer, Ö1 Wissenschaft, für das "Salzburger Nachtstudio" am 13. 3. um 21 Uhr in Ö1
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01.01.2010