News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima .  Wissen und Bildung 
 
US-Forscher beobachten gigantischen "Blue Jet"  
  US-Forschern gelang die Aufnahme eines gigantischen "Blue Jet", der elektrische Energie von der Oberfläche einer Gewitterwolke bis hin zur Ionosphäre leitete. Damit scheint erstmals bewiesen, dass diese Atmosphären-Phänomene tatsächlich so hoch reichen können. Für Wissenschaftler bestätigt sich damit eine Theorie, die seit fast einem Jahrhundert diskutiert wurde.  
Videoaufnahmen von einem Gewitter in Puerto Rico zeigen den bisher größten "Blue Jet", der jemals auf Bildmaterial gebannt wurde. Das Forscherteam der Pennsylvania State University, welches die Aufnahmen machte, präsentiert seine Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Nature".
...
Electrical discharge from a thundercloud
Der Artikel "Electrical discharge from a thundercloud top to the lower ionosphere" ist erschienen in "Nature", Bd. 416, S. 152-154 (2002).
->   Der Artikel in Nature (kostenpflichtig)
...
Geheimnisvolle "Red Sprites" und "Blue Jets"
Vor rund 80 Jahren bereits sagte der britische Nobelpreisträger C.T.R. Wilson die Existenz elektrischer Entladungen zwischen Gewitterwolken und der oberen Atmosphäre vorher.

Seitdem haben Forscher u.a. zwei solcher Phänomene beobachtet: Die so genannten "Red Sprites" schießen von der Ionosphäre aus nach unten, die kegelförmigen "Blue Jets" steigen von der Oberfläche der Gewitterwolken nach oben.
6.000 Kubikkilometer blaue Energie
Bislang waren die Experten allerdings der Meinung, "Blue Jets" seinen relativ klein. Die neuen Bilder jedoch beweisen das Gegenteil: Der in Puerto Rico beobachtete "Blue Jet" reichte von der Oberfläche des Gewittersturms bis zum unteren Ende der Ionosphäre, einer elektrisch geladenen Schicht der Atmosphäre.

"Es war wirklich ein gigantischer Blitz", erzählt Viktor Pasko vom Penn State Communications and Space Sciences Laboratory, der das Forscherteam leitete.

Selbst mit dem bloßen Auge habe man das Phänomen beobachten können. Nach Schätzungen der Forscher füllte der "Blue Jet" rund 6.000 Kubikkilometer der Atmosphäre.
...
Ionosphäre
Der Ausdruck Ionosphäre bezeichnet die oberen Schichten der Atmosphäre, in denen durch Ultraviolett- und Höhenstrahlen die Gase z. T. ionisiert sind. Man unterscheidet die D-Schicht (etwa in 85 km Höhe), die E- oder Kennelly-Heaviside-Schicht (in 96-144 km Höhe) sowie die F1- und F2-Schicht (in 160-250 und 250-400 km Höhe), die auch unter der Bezeichnung Appleton-Schicht zusammengefasst werden. An den Schichten werden elektromagnetische Lang-, Mittel- und Kurzwellen reflektiert; sie ermöglichen damit den Funkverkehr über weite Strecken durch (mehrfache) Wellenreflexion; Ultrakurzwellen können auch die Ionosphäre durchdringen.
->   Mehr Informationen zur Ionosphäre
...
Verbindung bewiesen?
Mit diesem nun nachgewiesenen großen "Blue Jet" könnte die Theorie bestätigt werden, an welche Atmosphärenforscher schon länger glauben: Die "elektrische Verbindung" zwischen der Ionosphäre und dem Erdboden.
Ein "globaler elektrischer Schaltkreis"
Viele Physiker sind sich zwar einig, dass irgendetwas diese beiden Regionen verbinden muss, um den globalen elektrischen Schaltkreis ("global electrical circuit", kurz GEC) zu schließen.

So könnte sich etwa der 300.000-Volt-Unterschied zwischen der Ladung der Ionosphäre und dem Erdboden erklären lassen. Doch erst die neuen Aufnahmen beweisen, dass ein "Blue Jet" tatsächlich hoch genug steigen kann.

Da es sich zudem um ein kleineres, lokal begrenztes Gewitter handelte, wie sie weltweit häufig vorkommen, liegt den Forschern zufolge auch die Annahme nahe, diese Art von "Blue Jet" sei genau so verbreitet.
...
"Blue Jets" und "Red Sprites"
Beide Phänomene stellen eine Form von elektrischen Phänomenen dar - der Unterschied ist die Richtung und die im Namen enthaltende Farbe, die während Gewitterstürmen auftreten. Die Theorien zu beider Wirkweise entsprechen sich im Wesentlichen (mehr dazu weiter unten im Artikel).

Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer solcher "geheimnisvoller" Phänomene, die recht fantasievolle Namen haben: Demnach wimmelt die Atmosphäre z.B. von "Elfen", "Trollen" und "Feen", um nur einige zu nennen.
->   Mehr zu den "Sprites" in science.ORF.at
...
Wichtig für die Atmosphärenchemie?
Wissenschaftler nehmen an, dass solche elektrischen Phänomene wie etwa die "Blue Jets" (und möglicherweise auch die "Red Sprites") eine wichtige Rolle in der Atmosphärenchemie spielen.

Sie vermuten, dass durch die elektrische Energie bestimmte Gase in der Atmosphäre miteinander reagieren können. Dadurch könnte etwa Stickstoff, wie ihn Pflanzen zum Leben benötigen, entstehen. Eine weitere Möglichkeit ist auch, dass die elektrischen Ladungen mit der Ozonschicht interagieren.
Noch ist alles Theorie
Die Forschung an den "blauen Blitzen" ist allerdings noch recht jung. Bekannt sind sie der Wissenschaft erst seit rund einer Dekade und lassen sich zudem nur schwer beobachten.

So muss auch Forschungsleiter Pasko zugeben, dass die Wirkungsweise der "Blue Jets" auch mit den neuen Aufnahmen noch reine Theorie ist: "Die Wirkung könnte da sein, aber wir wissen nicht, ob es überhaupt besonders wichtig ist", so der Wissenschaftler.
->   Communications and Space Sciences Laboratory, Penn State
->   Mehr zu "Blue Jets" im Internet
->   Ein "Blue Jet" als mpg-file (s/w und sehr kurz!)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima .  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010