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Brustkrebs: Auch eine soziale Herausforderung  
  Neben der medizinischen Seite - also Krankheit, Früherkennung, Diagnose und Therapie - gibt es im Bereich der Brustkrebsbehandlung auch soziale Aspekte, die zunehmend Beachtung finden. Bei der dritten "European Breast Cancer Conference" wurden jetzt Themen wie eingeschränkte Behandlungsofferte und verbesserungswürdige Kommunikation seitens der Ärzte sowie Maßnahmen dagegen diskutiert.  
Subjektive Sichtweisen
Untersuchungen am Ulleval University Hospital im norwegischen Oslo haben gezeigt, dass die Chirurgen den Brustkrebs-Patientinnen nicht immer die Wahl zwischen Mastektomie (komplette Entnahme der Brust) und Brust-erhaltender Operation anboten, auch wenn beides medizinisch möglich war.

Zudem klafften die Sichtweisen der Patientinnen und der Ärzte bezüglich des Angebotes der Wahlmöglichkeit auseinander, erläutert Inger Schou Bredal, die 194 Frauen mit Krebs im Frühstadium und 25 Operateure befragte, auf der "3rd European Breast Cancer Conference".
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Third European Breast Cancer Conference (EBCC-3)
Auf der dritten Europäischen Brustkrebskonforenz treffen sich vom 19. bis 23. März 2002 in Barcelona mehr als 3.000 Kliniker, Wissenschaftler und Patientenanwälte, um neue Entwicklungen der medizinischen Forschung, epidemiologische wie psychosoziale Aspekte, sowie die Rolle der Patientenvertreter und Krebshilfegruppen zu präsentieren und diskutieren. Die Konferenz wird von der "Federation of European Cancer Societies" veranstaltet.
->   Mehr über die "3rd European Breast Cancer Conference"
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"Die Faktoren, die die Wahl der Frauen beinflussten, sind nicht die selben, die für die Behandelnden von Bedeutung sind. Dennoch folgten 91 Prozent der Patientinnen dem Ratschlag des Arztes, wahrscheinlich, weil sie Angst vor einem Rückfall hatten", erläutert Bredal die Studie.

Detail am Rande: Auch das Geschlecht der Operierenden machte einen großen Unterschied: bei Behandlungsempfehlungen legten Ärztinnen mehr Wert auf das Sicherheitsbedürfnis der Patientinnen, Ärzte hingegen den Fokus mehr auf das "feminin-Fühlen" der Frauen in Zusammenhang mit der postoperativ veränderten bzw. komplett entfernten Brust.
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Die Studie im Detail
Laut Bredal boten - obwohl 81 Prozent nach medizinischer Indikation dies in Betracht zogen - nur 62 Prozent der Ärzte den Patientinnen die Wahl zwischen Mastektomie und Brust-erhaltender Operation an. 59 Prozent der befragten Frauen gaben an, die Wahl gehabt zu haben. Jedoch in nur 38 Prozent der Beratungen stimmte die Bewertung der Studienteilnehmerinnen, in die Entscheidung miteinbezogen worden zu sein, und der Ärzte, diese offeriert zu haben, überein.

Am meisten wurden die Patientinnen durch die Angst eines Rückfalls (89 Prozent), die Notwendigkeit weiterer Behandlung (72 Prozent) und die ärztliche Empfehlung (70 Prozent) in ihrer Entscheidung beeinflusst. Für die Chirurgen war die fachliche Bewertung (97 Prozent) der wichtigste Faktor, gefolgt vom Aussehen der Brust im Verhältnis zum Operationserfolg (82 Prozent). Frauen ohne spezieller Empfehlung tendierten zum Brust-erhaltenden Eingriff (62 Prozent).
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Deutliche Unterschiede
Die geringe Übereinstimmung von 38 Prozent betreffend Bewertung der Studienteilnehmerinnen, in die Entscheidung miteinbezogen worden zu sein, und der Ärzte, diese offeriert zu haben, zeige, wie unterschiedlich zwei Personen dieselbe Beratung aufnehmen können, so Bredal.

Nicht alle Frauen jedoch wollten an der Entscheidung teilhaben, obwohl Norwegen ein Land ist, in dem das Teilhaben der Patienten an medizinischen Entscheidungen gefördert werde. "Bildung und Alter der Frauen hatten darauf allerdings keinen Einfluss."
Eine Frage des Trainings
Mögliche Lösungsansätze zeigt Lesley Fallowfield, die Leiterin der Krebsforschung in der psychosozialen onkologischen Abteilung der University of Sussex, Großbritannien auf: Ärzte, die ein drei Tage dauerndes Kommunikationstraining absolviert hatten, könnten effektiver und "Personen-zentrierter" mit den Patienten umgehen.
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Studie: Drei Tage Kommunikation
Fallowfield befragte über 2.000 Patienten und rund 160 Ärzte. 93 der Ärzte besuchten eine dreitägige Schulung in Kommunikation, die übrigen stellten die Kontrollgruppe dar. Mittels Fragebögen, Videoaufzeichnungen und deren Auswertung wurde der Umgang der Behandelnden mit den Patienten vor und nach dem Training verglichen und objektiviert.
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Mehr Offenheit für die Seele des Patienten
"Wir fanden heraus, dass jene Ärzte, die das dreitägige Kommunikationstraining besucht hatten, eine deutlich positivere Einstellung und Offenheit gegenüber psychologischen Fragen zeigten", führt Fallowfield aus.

Diese Gruppe arbeitete mit mehr Einfühlungsvermögen, verwendete weniger "Führungsfragen", gab mehr passende Antworten auf Stichworte, die von den Patienten kamen, und beachteten die psychische Seite mehr.

Dementsprechend sei auch die "Compliance" - also wie konsequent sich die Patienten an die Therapiemaßnahmen halten -deutlich höher.
Ein Schritt weiter
"Traditionell wurde Patienten-Information von Fachleuten konzipiert", meint Tony Stevens, von der "Palliative Care Studies Group" der Sheffield University, "doch wir haben den Konsumenten an der vordersten Front der Studie miteinbezogen." Die Betroffenen konnten Format und Inhalt der Informationsbroschüre über klinische Forschungen mitbestimmen.
"Kinderbuch" für alle
"Das daraus resultierende Broschüre ist einfach zu lesen (Lesealter - ab 12 Jahren), zielt sowohl auf Patienten als auf Behandelnde ab, kann in einer Vielzahl von Situationen verwendet werden, und geht inhaltlich mit den UK National Health Service Guidelines für Patienteninformation konform", so Stevens.

Die Broschüre wurde nun in vier Brustkrebsstationen als Teil einer "randomisierten" Studie (also zufällig) verteilt. Nun untersuchten Stevens und sein Team ob diese Maßnahme einen Effekt auf Patienten hatte, an klinischen Untersuchungen teilzunehmen.

"Die Resonanz der Empfänger fiel ziemlich positiv aus", meint Stevens. "Es half Patienten, die Forschungen wie Behandlungsmethoden zu verstehen, es förderte das Prinzip des Informationskonsenses, und es war ein sensibler und zielgerichteter Weg, Konsumenteninformation zu entwickeln".
->   Federation of European Cancer Societies
->   Mehr über Brustkrebs in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010