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Bio-Zement für gebrochene Wirbel  
  Patienten mit gebrochenen Wirbeln - besonders ältere, die an Osteoporose leiden - kann nun schonender als bisher geholfen werden: Ein neu entwickelter Bio-Zement richtet den Wirbel wieder auf und kittet den Bruch. Den Patienten sollen dadurch Schmerzen und Bettlägerigkeit erspart bleiben.  
Ein besonders schonendes Verfahren hat nun die Uni Heidelberg vorgestellt: Mittels Kanüle (dünnes Rohr) wird ein spezieller Bio-Zement in den gebrochenen Wirbel gespritzt.

Diese so genannte "Kyphoplastie" (Wirbelaufrichtung) lässt die meist älteren Betroffenen wesentlich schneller wieder die volle Mobilität erlangen, zudem kommt es wesentlich seltener zu Komplikationen.
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"Kyphoplastie"
Die in den USA entwickelte Methode gehört zu den so genannten minimal invasiven - d.h. es muss im Vergleich zu herkömmlichen Vorgehensweisen die Integrität des Körpers nur gering verletzt werden.

Der Eingriff unter Röntgenkontrolle dauert nur knapp eine Stunde: Der Patient liegt in Vollnarkose auf dem Bauch, durch zwei kleine Stiche rechts und links des betroffenen Wirbels wird je eine Kanüle vorgeschoben. Durch diese wird ein Ballon eingeführt und mit einer Flüssigkeit an der Bruchstelle aufgeblasen, was den Wirbel zunächst aufrichtet. Der Ballon wird dann wieder entfernt und der stabilisierende Bio-Zement eingespritzt. Die Methode wird derzeit in Heidelberg und anderen Zentren in Deutschland angewandt und soll in naher Zukunft auch in Wien eingesetzt werden können.
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Neues kühleres Material

Bislang wurde für die Stabilisierung des gebrochenen Wirbelkörpers der Kunststoff Poly-Methylmetacrylat verwendet, der beim Härten bis zu 80 Grad Celsius heiß wird. Dadurch wird lebendes Knochengewebe geschädigt. Der Zement ist nicht abbaubar und verbleibt im Körper des Patienten.

"Der Bio-Zement jedoch wird bei normaler Körpertemperatur fest, so dass die verbliebenen gesunden Knochenzellen nicht zerstört, sondern sogar zum Wachstum angeregt werden", erklärt Hans-Christian Kasperk, Dozent an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg. Zudem ist das neue Material resorbierbar und wird im Laufe der Zeit durch körpereigenes Knochengewebe ersetzt.

Seit 2001 konnten insgesamt 18 Patienten in Heidelberg mit der neuen Methode erfolgreich behandelt werden.
Verschiedene Krankheiten
Von Knochenschwund (Osteoporose) betroffen sind vor allem Frauen über 50 Jahre. Nicht zuletzt die nachlassende Produktion der Geschlechtshormone bewirkt, dass der Knochen stetig an Substanz verliert. Eine der häufigsten Komplikationen ist der Einbruch von Wirbeln, der außerordentlich schmerzhaft sein kann.
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Osteoporose
Unter Osteoporose versteht man eine Abnahme der Knochenmasse, der ein Missverhältnis zwischen Knochenaufbau und -abbau zu Grunde liegt und die das natürliche alters- und geschlechtsspezifische Maß überschreitet. Infolge der gleichzeitigen Verminderung der Knochenstruktur und -funktion entwickelt sich eine schmerzhafte mechanische Instabilität des Skelettes. Die wichtigsten Formen der Osteoporose sind die postklimakterische und die Altersosteoporose. Das Hauptsymptom der Erkrankung sind starke Knochenschmerzen, als Komplikation treten Knochenbrüche auf, die zu dauerhaften Veränderungen des Skelettes, z.B. zu einer Abnahme der Körpergröße, führen können. Frauen im Klimakterium (Menopause, Wechsel) wird allgemein die prophylaktische Knochendichtemessung empfohlen.
->   Mehr zur Osteoporose
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Auch Patienten, die Wirbelbrüche durch Traumen (Unfälle) oder Knochenmetastasen erlitten haben, können unter bestimmten Voraussetzungen mit der Kyphoplastie behandelt werden.
Die Wiener Methode unterscheidet ...
Seit etwa eineinhalb Jahren wird in Wien die Kyphoplastie angewandt - allerdings mit dem herkömmlichen Kunststoff Poly-Methylmetacrylat.

"Damit erreicht man eine Schmerzreduktion innerhalb von ein bis zwei Tagen, die Stabilisierung sowie die weitgehende Aufrichtung der Wirbelsäule", erläutert Josef Grohs, Wirbelsäulenspezialist des Wiener Allgemeinen Krankenhaus (AKH) gegenüber science.ORF.at.
... zwischen alt und jung
Da die meisten der Patienten 76-jährige Frauen sind, die an Osteoporose leiden, werde die Hitzeentwicklung und der Schaden an gesundem Knochengewebe in Kauf genommen. "Diese Patienten bauen kaum mehr Knochensubstanz auf. Das Blut wirkt zudem wie eine Wasserkühlung", so Grohs.

Für jüngere Patienten, deren Knochen sich ausreichend regenerieren können, soll in naher Zukunft die Verwendung des resorbierbaren Biozements auch im AKH eingeführt werden.
Zuvor nur große belastende Eingriffe
"Als Therapie kam bis vor eineinhalb Jahren nur das Mieder zur Stabilisation der Wirbelsäule von außen oder die stabilisierende Operation mit anschließender Bettruhe in Frage", erläutert Grohs den medizinischen Fortschritt.

Als Alternative kam bei jungen Patienten nur die Knochentransplantation aus dem eigenen Beckenkamm zur Anwendung. Ältere Patienten wurden bevorzugt mit dem Mieder behandelt. Der Knochenaufbau wurde mit Medikamenten und Kalzium entsprechend unterstützt.

"Die Operationen waren große, belastende Eingriffe, die nur durchgeführt wurden, wenn das Rückenmark etwa durch ein Knochenstück gefährdet war", so Grohs.
->   Medizinische Universität Heidelberg
->   Mehr zum Thema Osteoporose in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010