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Uni-Reform: Profilbildung mit Hindernissen  
  Ein Eckpunkt der geplanten Uni-Reform ist die so genannte Profilbildung - an vielen Hochschulen ist sie bereits in vollem Gang. Ein ambitioniertes Projekt dafür ist eine eigene "Universität für Life Science". Dieser Plan ist allerdings - zunächst - vom Tisch, denn aus der vorgesehenen Fusion der Universität für Bodenkultur und der Veterinärmedizinische Universität in Wien wird nichts.  
Wenige Tage bevor kürzlich das neue Universitätsgesetz in Begutachtung ging, soll im Entwurf eine "Universität für Applied Life Science" noch verankert gewesen sein, die "innerhalb von drei Jahren aus bestehenden Universitäten" gebildet wird. In dem am 8. März ausgesendeten offiziellen Papier war davon allerdings nichts mehr zu lesen.
Titscher: Eine Idee "mit Leben füllen"
Dennoch, die Vision einer "Universität für Applied Life Science" ist nicht gänzlich gestorben: Es gehe nun darum, diese Idee mit Leben zu erfüllen, wie Stefan Titscher, Leiter der Arbeitsgruppe "Profilentwicklung" im Bildungsministerium, im Interview gegenüber der APA angibt.
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Uni für Life Science: Stationen einer Idee
Vergangenen Mai bestätigte Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) erstmals, dass es "Planungen und Überlegungen für eine neue Universität für Lebenswissenschaften bzw. Life Sciences" gebe, die aus einer Zusammenführung der Universität für Bodenkultur und der Veterinärmedizinische Universität in Wien entstehen könnte.

Anfang Jänner 2002 galt die Fusion von Boku und Vetmed jedoch als unwahrscheinlich, Überlegungen zu einer andere Form der Kooperation, die zu diesem Ziel führen soll, gab es allerdings bereits. science.ORF.at: Doch keine Universität für Lebenswissenschaften?

Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ) etwa sprach wenige Tage später in einem Interview mit der "Presse" von "überfälligen Uni-Reformen" sowie von "Elite-Universitäten", zu denen demnach eine Universität für Applied Life Science gehören könnte. science.ORF.at: Grasser will Elite-Unis und Strukturbereinigung
->   Mehr zum in Begutachtung gegangenen Gesetzesentwurf in science.ORF.at
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Unis lehnen Fusion ab
Arbeitsgruppen an den beiden Unis - also Boku und Vetmed-, die Möglichkeiten der Kooperation ausloten sollten, hätten eine institutionelle Zusammenführung der beiden Hochschulen abgelehnt, begründet Titscher die Abkehr von der Fusion.

Offenes Geheimnis ist aber auch, dass die Widerstände an der Veterinärmedizin zu groß gewesen sind und auch die FPÖ gegen die Zusammenlegung ist.
Doch die "Idee" hat Konjunktur
Breitere Zustimmung findet dagegen eine Universität für Applied Life Science, stehen doch gleich drei Regierungsmitglieder dahinter: neben Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) auch Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer (ÖVP) und Gesundheitsminister Herbert Haupt (FPÖ).
Teile von Boku, TU und Uni Wien?
Auch wenn er keine Erklärung dafür hat, warum die Uni für angewandte Lebenswissenschaften wieder aus dem Entwurf gefallen ist, hält Titscher dies weiterhin für ein sehr attraktives Projekt.

Es gebe an mehreren Wiener Unis Teile, die dorthin passen würden: große Teile der Boku sowie naturwissenschaftliche Bereiche der Technischen Universität Wien und der Uni Wien.
Zerstückelung der Wiener Uni?
Hier allerdings zeichnet sich ein weiteres Problem ab. Geht es nach den Vorstellungen des Bildungsministeriums, wird der Uni Wien mit der Ausgliederung der Medizinischen Fakultät ohnehin schon ein Herzstück herausgerissen.

Soll man nun zu Gunsten einer Uni für angewandte Lebenswissenschaften weitere Teile aus der größten Hochschule des Landes herausschneiden?
Mögliche Kompensationen an betroffene Unis
"Es geht nicht darum, dass man etwas aus einer Uni herausnimmt", betont Titscher, "wir wollen vielmehr interessierten Forschern und Forschergruppen die Möglichkeit bieten, dort mitzumachen." Jene Unis, die dadurch etwas verlieren, müssten dafür natürlich Kompensation erhalten.
Boku-Rektor sieht positive Entwicklung
Zuversichtlich zeigt sich auch Boku-Rektor Leopold März: "Ich nehme zur Kenntnis, dass die Universität für Applied Life Science nicht im Entwurf für das neue Uni-Gesetz steht, ich bin aber überzeugt, dass sie in den nächsten Jahren verwirklicht wird."

Durch die ursprüngliche Diskussion über eine mögliche Zusammenlegung der beiden Unis sei jedenfalls eine positive Entwicklung eingeleitet worden.
Profilentwicklung: "Fingerübung für Leistungsvereinbarung"
Als "Fingerübung für die im Zuge der Universitätsreform geplanten Leistungsvereinbarungen" bezeichnet Stefan Titscher - ebenfalls im Interview mit der APA - die derzeit laufende Schwerpunktsetzung im Uni-Bereich.

Die Philosophie dahinter sei, "bei gleich bleibendem Budget Stärken zu identifizieren und Stärken zu verstärken. Die Unis sollen angeregt werden, intern umzuverteilen", so Titscher. Der Eindruck, dass die Profilentwicklung nur auf Sparflamme koche, sei falsch, "an den Universitäten tut sich extrem viel".
Kein Masterplan von oben
Titscher verteidigt die derzeitige Vorgangsweise, wonach primär die Unis selbst zu ihrer Profilentwicklung beitragen sollen und kein Masterplan von oben verordnet wird. "Das Ministerium hätte ohnedies kaum Möglichkeiten, Parallelitäten abzuschaffen."
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Problematik der Parallelangebote
Beamtetes Personal könne nicht gekündigt werden, Institute und Studienrichtungen seien von den Unis eingerichtet und könnten vom Ministerium nicht aufgelöst werden. Zudem sei der Erfolg einer Abschaffung von Parallelangeboten extrem schwer abzuschätzen.

Niemand wisse derzeit, was es bringen würde, Studienrichtung, die in einer Stadt mehrfach angeboten werden, zusammenzulegen. "Das hat noch niemand durchgerechnet, und das ist auch sehr schwierig, das durchzurechnen", so Titscher.
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Steuerung durch die Leistungsvereinbarung
Mehr Möglichkeiten, in die Universitätslandschaft steuernd einzugreifen, erwartet sich Titscher vom neuen Universitätsgesetz. "Durch die Leistungsvereinbarungen erhält das Ministerium Steuerungsmöglichkeiten, die ihm als Geldgeber auch zustehen", erklärte Titscher, der aber nichts von "massiven Eingriffen in das Innenverhältnis" hält.

Das passe nicht in die "Change-Philosophie". Veränderung könne nur durch zwei Dinge erreicht werden: durch Veränderung der Rahmenbedingungen und durch Selbstorganisation im Innenbereich. Beides werde durch das neue Uni-Gesetz und die Autonomie erreicht.
Übergeordnetes Gremium zur Beratung?
Überlegenswert hält Titscher auch die Idee eines österreichweiten, übergeordneten Beratungsgremiums, etwa ein Wissenschaftsrat.

Dieser könnte den Gesetzgeber u.a. bei der Schwerpunktsetzung beraten und Stellungnahmen zu den Leistungsvereinbarungen abgeben, dürfe aber keine zusätzliche bürokratische Ebene werden, "und auch kein Geldverteilungsorgan".

Positiv wäre für Titscher ein solcher Rat auch, weil "Wissenschaft von Wissenschaftern beurteilt werden sollte, und nicht von Politikern".
Profilentwicklung ist im Gange
Dass die österreichischen Unis in Sachen Profilentwicklung emsig am Werk sind, belegt Titscher mit einigen Beispielen. So unterzögen sich die Geisteswissenschaftliche- und die Naturwissenschaftliche Fakultät der Uni Salzburg derzeit einer internationalen Evaluation.

Diese Überprüfung hat die Arbeitsgruppe "Profilentwicklung" gefordert, nachdem der Wunsch nach Neubauten für die beiden Fakultäten an das Bildungsministerium herangetragen wurden.

In Graz seien zwischen der Uni und der Technischen Uni ein gemeinsames Chemie- und ein Physik-Studium geplant. Und die Technische Universität Wien überlegt laut Titscher, Studien in Fachhochschul-Studiengänge überzuführen und Mitträgerin einer Fachhochschule zu werden.
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->   Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
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->   Veterinärmedizinische Universität Wien
->   Universität für Bodenkultur Wien
->   Mehr zum Thema Profilbildung der Universitäten in science.ORF.at
->   Mehr zum Thema Uni-Reform in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010